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Müller, Michael Christian; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Orgeldenkmalpflege: Grundlagen und Methoden am Beispiel des Landkreises Nienburg/Weser — Hameln: Niemeyer, Heft 29.2003

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51261#0048
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■ Spielanlage: Entwicklung der Spielanlage, typische
Beispiele für eine bestimmte Stufe, für eine bestimm-
te Region, Beispiel für einen bedeutenden
Entwicklungsschritt (Pedalumfang, gebrochene
Oktave > vollständige Oktave etc.)
■ Windladen und Trakturen: Abfolge der Windladen-
typen, regionale, zeitliche Besonderheiten, Spezialität
eines Orgelbauers, Fortschritte bei der Spiel- und Re-
gistertraktur, Spielhilfen (pneumatisch, elektrisch, etc.)
• Windversorgung: Entwicklung der Winderzeugung,
der Windmagazine (Bälge) und ihrer typologischen
Ausbildung
■ Pfeifenbau: Geschichte der Pfeifenmetallurgie, der
Legierungen
- Geschichte der Klangerzeugung und -qestaltung
■ Werkprinzip: Entwicklung des Orgelwerks vom
Blockwerk bis nach 1945
• Dispositionen: Geschichte des Disponierens, der
Registergruppen und -Zusammenstellungen
■ Register: Geschichte der Pfeifenformen und des
Pfeifenklangs
■ Mensuren: Geschichte der Mensurierung
• Intonation: Geschichte der Intonation bzw. der
Intonationstechniken, inclusive Beeinflussung durch
Winddruck
■ Stimmungen: Geschichte der Stimmungen bzw.
Temperierungen
- Produktionsgeschichte
Geschichte des Orgelbauens, der Orgelproduktion,
mit welchen Mitteln, von welchen Mitarbeitern,
Geschichte der einschlägigen Werkzeuge und
Maschinen, Entwurfsmethoden und -techniken,
Einsatz von maschinellen Hilfsmitteln (Mechanik,
Dampfbetrieb, Elektrik, EDV, CAD etc.)
b) Musikgeschichte: Orgelmusik bzw. Kirchenmusik
steht in unmittelbarer Wechselwirkung zum Orgelbau,
so dass sich hier mannigfaltige Beziehungen aufzeigen
lassen:
■ Musikalische Formenlehre: zeitlich und regional cha
rakteristische Kompositionsformen und deren
Registrierungen
■ Satzlehre, Kontrapunkt, Harmonielehre: Geschichte
des Tonsatzes im umfassenden Sinn
• Orgel als Ensemble- bzw. Konzertinstrument
c) Liturgie- und Kirchengeschichte: Ob Standort der
Kirchenmusik in den unterschiedlichen Phasen der
Liturgiegeschichte oder Bedeutung der Orgelmusik im
Gottesdienst, auch hier sind zahlreiche Erkenntnisse
möglich.
■ Liturgische Ausstattung von Kirchen
■ Ort und Funktion der Kirchenmusik (Gesang, Orgel,
Ensemble, andere Instrumente)
• Funktion der Orgel im Gottesdienst

d) Kunst- und Architekturgeschichte, Kulturge-
schichte: Die Orgel als architektonisch-künstlerisches
Werk ist Spiegel zeitgenössischer kunst- und kulturge-
schichtlicher Strömungen. Lange Zeit war sie Bestandteil
einer spezifischen regionalen kulturellen Identität, die
sich auch heute noch immer an den regionalen
Ausprägungen nachvollziehen lässt.
■ Architektur, Altarbau, liturgische Geräte
■ Skulptur, Fassmalerei, Dekorationstechniken
• Ikonographie, Emblematik
Sicher ließe sich die Liste der Fragen zur geschichtlichen
Bedeutung einer Orgel fortsetzen und weiter ausdiffe-
renzieren. Sie dürfte aber in dem hier vorgestellten
Rahmen bereits einen Eindruck von der Vielfalt mög-
licher Schutzgründe geben. Von diesen Kriterien bzw.
Fragen an das zu bewertende Instrument werden einige
mehr, andere weniger oder überhaupt nicht gegeben
sein. Das Maß aber, in dem ein Kriterium erfüllt ist, also
ein eventuell beträchtlicher Zeugniswert gegeben ist,
bewirkt seinerseits auch eine entsprechende
Gewichtung der „Denkmalwürdigkeit", also des öffent-
lichen Interesses an der Erhaltung einer Orgel.
Wissenschaftliche Gründe
Die wissenschaftliche Bedeutung überlagert in gewis-
sem Sinn die geschichtlichen Bedeutungsebenen, denn
wenn man darunter die Bedeutung, das heißt den
Erkenntniswert für die Wissenschaft verstehen soll, so ist
dieser bereits durch den Zeugniswert des Objektes
gegeben, der unter der geschichtlichen Bedeutung sub-
sumiert wird. Unter der wissenschaftlichen Bedeutung
müssen dementsprechend weitere, über die geschicht-
lichen Gründe hinausgehende Aspekte gemeint sein.
SCHMALTZ & WIECHERT sprechen denn auch von
potenziellen Erkenntnissen für weitere Zweige der
Wissenschaft73 Übertragen auf die Objektgattung der
Orgeln sind solche wissenschaftlichen Gründe denkbar,
wenn es um Erkenntnisse geht, die über das geschichts-
wissenschaftliche Interesse im weiteren Sinne hinausge-
hen. Insbesondere kann man hieran die Restaurierungs-
praxis denken. Grundlagen und Methoden der Restau-
rierung sind häufig durch die zielgerichtete Untersu-
chung bestimmter Instrumente erweitert worden. Die
Sanierung pneumatischer Trakturen und Windladen
setzt eben in jedem Fall die zielgerichtete Untersuchung
intakter Systeme und die Übertragung der Ergebnisse
auf den konkreten Fall voraus.74 Allerdings handelt es
sich bei diesen anwendungsorientierten Forschungen
und Ergebnissen dem Inhalt nach in der Tat auch um sol-
che, die bereits unter den geschichtlichen Kriterien
benannt worden sind. Den Unterschied macht demzu-
folge die Zielrichtung der Forschung aus.75

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