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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 31.2004

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Sektion 2: Historische Freiräume zwischen Grundlagenforschung und Minimalismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.51150#0169
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Abstandsfläche oder Bedeutungsträger - Zur Behandlung der Umgebung von Baudenkmalen

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zum Beispiel die Hufeisensiedlung in Berlin-Britz und
die Waldsiedlung „Onkel Toms Hütte“ in Berlin-
Zehlendorf, beide von Bruno Taut errichtet, war die
Freiflächenplanung integraler Baustein im Gesamtkon-
zept der Siedlung. Für die Umsetzung der Konzepte zur
Gestaltung des Wohnumfeldes wurden namhafte, auf
den Siedlungsbau spezialisierte Gartenarchitekten wie
Leberecht Migge (Siedlungen Berlin-Britz, Berlin-
Zehlendorf) oder Ludwig Lesser (Gartenstadt Falken-
berg in Berlin-Treptow) verpflichtet.
Bei Bruno Taut ist schon im konzeptionellen Ansatz
ein Städtebau entwickelt, in dem Naturraum und
Siedlungsstruktur eine sehr enge Verbindung eingehen.
Für Taut ist „die unmittelbare äußere Umgebung der
Wohnung selber von größter Bedeutung“, da sie „den
Wohnwert der Wohnung erhöhen oder vermindern
kann. “ Er definiert hierfür den Begriff „Außenwohn-
raum“1, also die Fortsetzung des Wohnraumes nach
außen, der keineswegs nur auf die Loggia oder den
Hausgarten beschränkt bleibt, sondern alle Bereiche der
Siedlung meint. Taut versucht unter Berücksichtigung
des Landschaftsraumes und der Vegetation ein spezi-
fisches Konzept der Gestaltung für die Siedlung, für
jeden einzelnen Straßenzug zu erreichen. Die Heraus-
bildung differenzierter Straßenräume, unter anderem
durch Anordnung der Baukörper und durch den
gezielten Einsatz der Farbe, steht immer im engen
Bezug zum Landschaftsraum. So wird in Zehlendorf
unter anderem der Kiefembestand zur dominanten
Größe für die Planung, und in Britz ist es die Gelände-
formation mit natürlichem Teich, die der Siedlung die
städtebaulich markante Figur des Hufeisens verleiht.
Auch in nationalsozialistischer Zeit verloren die in
den zwanziger Jahren entwickelten Siedlungskonzepte
nicht ihre Gültigkeit, wie am Beispiel der Stadt Wolfs-
burg gezeigt werden kann. Die mit dem Ausbau des
Volkswagenwerkes einhergehenden Planungen zum
Bau der Stadt mit neuem Stadtzentrum und Gauforum
auf dem Klieversberg, dessen Konzeption sehr stark an
die von Bruno Taut entwickelte Stadtkrone erinnert,
beinhalteten überwiegend die Ausweisung neuer Wohn-
gebiete, deren Realisierung dann auch vorrangig
betrieben wurde. Die Siedlung Steimker Berg, 1939/40
nach Plänen von Peter Koller und Titus Taeschner ent-
worfen, liegt am östlichen Stadtrand, errichtet als Wald-
siedlung mit Ein- und Mehrfamilienhäusern in einer
naturräumlich belassenen Landschaft. Es sind die
Beschaffenheit des Geländes mit seinen Höhenunter-
schieden, die Vegetation, die Waldflächen und die Nähe
zu einem sich nach Süden öffnenden Tal, die den Cha-
rakter dieser Wohnsiedlung ausmachen. Die vorhan-
denen naturräumlichen Gegebenheiten (Topographie,
Baumbestand) bestimmten die Planung und den Bau der
Siedlung mit Straßen- und Wegenetz, öffentlichen
Bereichen (Marktplatz) und den Hausgruppen.
Der Erhalt und die Wiederherstellung des Wohn-
umfeldes einer Siedlung stellt ein großes denkmal-
pflegerisches Problem dar. Dies gilt verstärkt für das den
Privatbereich markierende Umfeld der Häuser, das sich
stetig verändernden Rahmenbedingungen ausgesetzt ist.
Auf Vor- und Hausgärten lastet ein besonders hoher Ver-
änderungsdruck, zum Beispiel durch Wohnraum-
erweiterungen, so dass Erhalt und Pflege wie auch Maß-
nahmen zur Wiedergewinnung wertvoller Freiflächen
und deren Gestaltungen nur schwer umzusetzen sind. Im



Unterschied zu den Gebäuden, bei denen sich notwen-
dige Modernisierungen bzw. Anpassungen an zeitge-
mäße Wohnstandards in das Gebäudeinnere verlagern
lassen, sind Eingriffe beim Wohnumfeld zumeist groß-
flächig und zwangsläufig immer sichtbar.
Eine starke Gefährdung ergibt sich aus dem zuneh-
menden Autoverkehr und der damit einhergehenden
Stellplatzproblematik. Straßen, Plätze und Vorgärten
werden autogerecht ausgebaut und umgestaltet. Der Be-
darf nach Stellplätzen für den ruhenden Verkehr erfor-
dert die Bereitstellung und Versiegelung wertvoller
Flächen. Allein die sich hieraus ergebenden Beein-
trächtigungen und Veränderungen im Siedlungsbild sind
nachhaltig und führen zu Eingriffen in das ausgewogene
Verhältnis von Bebauung, Natur und Freiflächen.

Abb. 2: Wolfsburg, Siedlung
Steimker Berg, Hausgärten
hinter den Doppelhäusern der
Straße Unter den Eichen, um
1940.

Abb. 3: Wolfsburg, Siedlung
Steimker Berg, Blick in die
Reihe der Doppelhäuser im
Birkenweg, 2002.
 
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