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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 31.2004

DOI issue:
Sektion 5: Netzwerke für die Denkmalpflege im Alltag
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https://doi.org/10.11588/diglit.51150#0359
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Resümee und Ausblick

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Resümee und Ausblick
Volker Gläntzer

Netzwerke sind - wie vermutet - keine Wunder- und
Allheilmittel. Aber wo liegen ihre Stärken und Schwä-
chen? Alle Beispiele beschränkten sich nicht auf die
Pflege personeller oder institutioneller Beziehungen.
Sie versuchten, unterschiedliche Aufgaben in eine sinn-
volle Beziehung zu setzen und unterschiedliche Denk-
male in eine inhaltlich bestimmte Struktur einzubinden.
Das gilt für die Erkenntnis der historischen Um-
stände, denen sie ihre Existenz verdanken und für die sie
nun zeugen. Das gilt auch für das Verständnis der
aktuellen Umstände, in denen sie ihren ursprünglichen
Nutzen verloren haben und dadurch in ihrer weiteren
Existenz gefährdet sind. Das gilt aber auch noch für die
Gestaltung der künftigen Umstände, in denen sie wieder
ein Nutzungspotential entfalten und neue Akzeptanz
finden können.
Der Denkmalpfleger verfolgt diese Aspekte ge-
wöhnlich, Fall für Fall, in dieser Reihenfolge. In Netz-
werkprojekten ist der Einstieg auf jeder Ebene möglich,
ohne das wissenschaftliche Sorgfalt leiden müsste.
Größere Erfassungsprojekte zum Beispiel sind heute als
solche kaum noch durchzusetzen. Wer aber vom
künftigen Nutzen einer historischen Struktur überzeugt
ist, wird eher neugierig, was überhaupt und warum im
Einzelnen dazugehört. Die Bestandsaufnahme wird
selbstverständlich. Keineswegs ist das bloße Taktik.
Denn die Relevanz wissenschaftlicher Praxis muss sich
ja darin beweisen, dass sie außerhalb ihrer selbst einem
Lebensbereich nutzt.
Erst in der Vernetzung der Aspekte können alle Betei-
ligten ihre eigenen Interessen zu einem gemeinsamen
bündeln. Das gelingt am besten dann, wenn eine his-
torisch fundierte, an einer prägnanten Dominanten
orientierte, für einen Raum mittlerer Größe identitäts-
stiftende und wirtschaftlich aussichtsreiche Struktur
hergestellt werden kann.
Das mag etwa die maritime Kulturlandschaft an der
Unterelbe sein oder die in den Bereich von Gewerbe und
Dienstleistung zu transformierende Landwirtschaft im
Artland. Wenn dann die Initiative zu den Netzwerken
aus dem Raum und von seinen Bewohnern selbst
kommt, wird der Erfolg für alle Beteiligten möglich.
Falls aber die Struktur sehr komplex und der betrof-
fene Raum weniger homogen ist, wird ein gemeinsames
Ziel schwerer erkennbar. Dann kommt der Anstoß zur
Vernetzung eher von außen, von den „Fachleuten“ und
es entstehen hierarchischere Organisationsformen. Dass
auch dann beeindruckende Erfolge möglich sind - und
dies bei Objektgattungen und Strukturen, denen sonst

sicher keine Zukunft beschieden wäre - zeigen die ver-
schiedenen Projekte zur Industriekultur.
Das anspruchsvolle und komplexe Managementkon-
zept für das Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal - ein
als Forderung der UNESCO von „ganz oben“ lanciertes
Netzwerk - wird seine Bewährungsprobe noch vor sich
haben. Sein besonderes Problem ist die Koordination
der örtlich divergierenden Interessen in einem Gebiet,
das noch nicht als einheitlicher Kultur- und Lebensraum
empfunden wird.
In allen Projekten verändern sich die Arbeitsfelder
und die Instrumentarien des Denkmalpflegers markant.
Die in Gebot oder Verbot mündende Reaktion in „Maß-
nahmen“ wird ersetzt oder ergänzt durch Aktion und
planerische Eigeninitiative, durch umfassende Beratung
über bau- und denkmalfachliche Fragen hinaus und
durch kontinuierliche Begleitung eines dauerhaften
Prozesses. Neben Fachwissen sind Management-
qualitäten, Kommunikationsfähigkeit und ansteckende
Begeisterungsfähigkeit gefragt.
Dreierlei ist freilich kritisch anzumerken:
1. Nur wenn die Netzwerkpartner die denkmalpflege-
rische Zielsetzung tatsächlich und nicht bloß
rhetorisch teilen, wird der Denkmalpfleger nicht aus-
genutzt oder stillgestellt und wird sein Pragmatismus
nicht im faulen Kompromiss, sondern im gemeinsam
vertretenen und insofern optimalen Ergebnis enden.
2. In Netzwerken denken und handeln zu sollen, liegt
im Trend und ist eine wohlfeile Forderung aktueller
Politik, die ihre Verantwortung anderen auflädt. Aber
liefert die Politik die geeigneten Rahmenbedin-
gungen? Wer nicht bloß auf Gesetze pocht, sondern
auf Überzeugung setzt, braucht mehr Kraft und Zeit.
Er darf nicht nur gute Worte, sondern muss auch sub-
stantielle Unterstützung bieten. Die Beschneidung
von Personal und Mitteln dient diesem Ziel nicht.
3. Aber führt die Neuorientierung der Arbeit nicht ohne-
hin zu einer Überforderung des Denkmalpflegers?
Oder verlangt sie nach Fähigkeiten, die er sich in ge-
wandelten Umständen aneignen muss? Diese Frage
wurde meist bejaht. In den gewandelten Umständen
von Deregulierung und Kommunalisierung ist netz-
werkorientierte Projektarbeit wohl die einzige Mög-
lichkeit, eine fachliche, organisatorische Konstante
für eine langfristig wirkungsvolle Denkmalpflege zu
behalten. Die Erfahrung aller Referenten zeigte, dass
es genug fachimmanente Gründe für eine Neu-
orientierung der Arbeit gibt - und durch sie genügend
Erfolge, die auch anderen Mut machen können.
 
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