Kalkplattendächer im Altmühlgebiet
401
Ab welcher Zeit ist nun mit der Kalkplatten deckung
im Altmühlgebiet zu rechnen? Die ältesten Belege
gehen nach dem derzeitigen Kenntnisstand in die Zeit
um 1200 zurück und betreffen die Stadt Eichstätt
(archäologisch, im Bereich der Pedettistraße). In etwa
die gleiche Zeit weist auch die erste urkundliche Er-
wähnung eines Kalkschieferbruchs des Klosters Reb-
dorf um 1216 in Marienstein bei Eichstätt. Am Bestand
nachgewiesene Kalkplattendeckung gibt es in Eichstätt
an einigen Gebäuden aus dem 14. Jahrhundert (Pfahlstr.
15 von 1344, Westenstr. 29 von 1357, Marienstein von
1367). Aber auch im ländlichen Raum ist spätestens ab
dem 14. Jahrhundert mit den flachgeneigten Kalkplat-
tendächem zu rechnen, wenngleich dort im späten
Mittelalter und in der frühen Neuzeit neben den Leg-
schieferdächern durchaus auch noch Strohdächer exis-
tiert haben können. Vor allem in den Randgebieten des
Kalkplattendachs hatte sich also das Steindach sicher-
lich noch nicht in dem Umfang durchgesetzt, wie es
zumindest im 18. und 19. Jahrhundert als gesichert
gelten kann. Archivalisch lassen sich Dachsteine, wie
die Kalkplatten in älterer Zeit genannt werden, für Eich-
stätt in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts belegen:
Für „ein fuder dachstein“ kostete der städtische Pflaster-
zoll einen Denar.
Mit dem „Zwicktaschendach“ kam im 19. Jahrhun-
dert eine Variante des Kalkplattendachs auf den boo-
menden Baustoffmarkt des industriellen Zeitalters.
Unter Zwicktasche - auch „Solnhofer Ziegel“ genannt
- versteht man eine in der Form des Biberschwanz-
Ziegels, mit Hilfe einer Schablone und Zange „zuge-
zwickte“ Kalkplatte, die in Einfachdeckung auch für
Steildächer genutzt werden konnte. Analog zum Biber-
schwanz-Ziegel diente als „Nase“ zur Aufhängung auf
die Dachlatte ein durch ein eingebohrtes Loch ge-
steckter Nagel. Als Erfinder der Zwicktasche gilt ein
Eichstätter Glasermeister namens Josef Weittenhiller,
der 1828 diese Dachdeckung sich ausgedacht haben
soll. Per Eisenbahn und Schiff gelangte die Zwicktasche
zwar vereinzelt auch außerhalb des Altmühlgebietes, so
zum Beispiel in den unterfränkischen Raum, doch ein
„Exportschlager“ ist der „Solnhofer Ziegel“ nicht ge-
worden, und auch im Kemgebiet konnten sich die
Zwicktaschendächer kaum durchsetzen, man findet sie
fast nur bei Nebenbauten, Anschleppungen oder Aus-
besserungen (Doppeldeckung). Ein Grund für den ge-
ringen Erfolg dürfte in den ungünstigen hausklima-
tischen Eigenschaften liegen - ein Zwicktaschendach ist
„kalt“ (im Sommer warm, im Winter kalt) und die
Zwicktaschen brechen häufig ab. Den Bahntransport
dürften damals aus dem Grunde viele Zwicktaschen
schon gar nicht überstanden haben.
Bleibt abschließend noch auf die Person hinzu-
weisen, die die Bedeutung des Kalkplattendachs und
auch den baulichen Wert der Jurahäuser für das Land-
schaftsbild der Region erstmals erkannt hat. Die Rede
ist von dem Architekten Heinrich Ullmann (1872—
1953), der in verschiedenen bayerischen Landbauäm-
tem wie später auch in der Obersten Baubehörde im
Staatsministerium des Inneren in München tätig gewe-
sen war und als Maler und Zeichner den Charakter und
die Ausstrahlung der Kulturlandschaft „Altmühlgebiet“
vielfach festgehalten hat. Publizistisch hat er sich dem
Kalkplattendach 1919 in einem umfangreichen Beitrag
in der Monatsschrift „Bayerischer Heimatschutz“ des
bayerischen Landesvereins für Heimatpflege gewidmet
(„Das Kalkplattendach im Altmühlgebiete“). Und dem
Jurahaus-Verein gebührt das Verdienst, Heinrich Ull-
mann in mittlerweile zwei Publikationen ein ehrendes
Andenken zu bewahren und mit seinem Bemühen -
oftmals ist es ein Kampf - für die Rettung der Jurahäuser
in Ullmanns Fußstapfen getreten zu sein. Bauhistorisch
sind die Jurahäuser in den letzten Jahrzehnten vor allem
von Konrad Bedal, dem Leiter des Fränkischen Frei-
landmuseums Bad Windsheim, und den Gebrüdern
Walter und Wolfgang Kirchner erforscht worden.
Anmerkung
1 Grundlegend zum Thema: Konrad Bedal, Bäuerlicher
Hausbau im Altmühlgebiet. Zur Entwicklung, Vielfalt und
Bedeutung der Bauweisen unter dem Kalkplattendach in
der Mitte Bayerns, in: Bauernhäuser in Bayern. Ober-
bayern 1, hrsg. von Helmut Gebhard und Konrad Bedal,
München 1998, 45-72. Walter und Wolfgang Kirchner,
Bauentwicklung von Holz zu Stein im nördlichen
Oberbayern, in: Bauernhäuser in Bayern. Oberbayern 1,
hrsg. von Helmut Gebhard und Konrad Bedal, München
1998,96-103. Heinrich Ullmann, Das Kalkplattendach im
Altmühlgebiet, in: Bayerischer Heimatschutz (Monats-
schrift des bayerischen Landesvereins für Heimatschutz),
17. Jhrg. (1919), Nr. 11-12, 1-24.
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Ab welcher Zeit ist nun mit der Kalkplatten deckung
im Altmühlgebiet zu rechnen? Die ältesten Belege
gehen nach dem derzeitigen Kenntnisstand in die Zeit
um 1200 zurück und betreffen die Stadt Eichstätt
(archäologisch, im Bereich der Pedettistraße). In etwa
die gleiche Zeit weist auch die erste urkundliche Er-
wähnung eines Kalkschieferbruchs des Klosters Reb-
dorf um 1216 in Marienstein bei Eichstätt. Am Bestand
nachgewiesene Kalkplattendeckung gibt es in Eichstätt
an einigen Gebäuden aus dem 14. Jahrhundert (Pfahlstr.
15 von 1344, Westenstr. 29 von 1357, Marienstein von
1367). Aber auch im ländlichen Raum ist spätestens ab
dem 14. Jahrhundert mit den flachgeneigten Kalkplat-
tendächem zu rechnen, wenngleich dort im späten
Mittelalter und in der frühen Neuzeit neben den Leg-
schieferdächern durchaus auch noch Strohdächer exis-
tiert haben können. Vor allem in den Randgebieten des
Kalkplattendachs hatte sich also das Steindach sicher-
lich noch nicht in dem Umfang durchgesetzt, wie es
zumindest im 18. und 19. Jahrhundert als gesichert
gelten kann. Archivalisch lassen sich Dachsteine, wie
die Kalkplatten in älterer Zeit genannt werden, für Eich-
stätt in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts belegen:
Für „ein fuder dachstein“ kostete der städtische Pflaster-
zoll einen Denar.
Mit dem „Zwicktaschendach“ kam im 19. Jahrhun-
dert eine Variante des Kalkplattendachs auf den boo-
menden Baustoffmarkt des industriellen Zeitalters.
Unter Zwicktasche - auch „Solnhofer Ziegel“ genannt
- versteht man eine in der Form des Biberschwanz-
Ziegels, mit Hilfe einer Schablone und Zange „zuge-
zwickte“ Kalkplatte, die in Einfachdeckung auch für
Steildächer genutzt werden konnte. Analog zum Biber-
schwanz-Ziegel diente als „Nase“ zur Aufhängung auf
die Dachlatte ein durch ein eingebohrtes Loch ge-
steckter Nagel. Als Erfinder der Zwicktasche gilt ein
Eichstätter Glasermeister namens Josef Weittenhiller,
der 1828 diese Dachdeckung sich ausgedacht haben
soll. Per Eisenbahn und Schiff gelangte die Zwicktasche
zwar vereinzelt auch außerhalb des Altmühlgebietes, so
zum Beispiel in den unterfränkischen Raum, doch ein
„Exportschlager“ ist der „Solnhofer Ziegel“ nicht ge-
worden, und auch im Kemgebiet konnten sich die
Zwicktaschendächer kaum durchsetzen, man findet sie
fast nur bei Nebenbauten, Anschleppungen oder Aus-
besserungen (Doppeldeckung). Ein Grund für den ge-
ringen Erfolg dürfte in den ungünstigen hausklima-
tischen Eigenschaften liegen - ein Zwicktaschendach ist
„kalt“ (im Sommer warm, im Winter kalt) und die
Zwicktaschen brechen häufig ab. Den Bahntransport
dürften damals aus dem Grunde viele Zwicktaschen
schon gar nicht überstanden haben.
Bleibt abschließend noch auf die Person hinzu-
weisen, die die Bedeutung des Kalkplattendachs und
auch den baulichen Wert der Jurahäuser für das Land-
schaftsbild der Region erstmals erkannt hat. Die Rede
ist von dem Architekten Heinrich Ullmann (1872—
1953), der in verschiedenen bayerischen Landbauäm-
tem wie später auch in der Obersten Baubehörde im
Staatsministerium des Inneren in München tätig gewe-
sen war und als Maler und Zeichner den Charakter und
die Ausstrahlung der Kulturlandschaft „Altmühlgebiet“
vielfach festgehalten hat. Publizistisch hat er sich dem
Kalkplattendach 1919 in einem umfangreichen Beitrag
in der Monatsschrift „Bayerischer Heimatschutz“ des
bayerischen Landesvereins für Heimatpflege gewidmet
(„Das Kalkplattendach im Altmühlgebiete“). Und dem
Jurahaus-Verein gebührt das Verdienst, Heinrich Ull-
mann in mittlerweile zwei Publikationen ein ehrendes
Andenken zu bewahren und mit seinem Bemühen -
oftmals ist es ein Kampf - für die Rettung der Jurahäuser
in Ullmanns Fußstapfen getreten zu sein. Bauhistorisch
sind die Jurahäuser in den letzten Jahrzehnten vor allem
von Konrad Bedal, dem Leiter des Fränkischen Frei-
landmuseums Bad Windsheim, und den Gebrüdern
Walter und Wolfgang Kirchner erforscht worden.
Anmerkung
1 Grundlegend zum Thema: Konrad Bedal, Bäuerlicher
Hausbau im Altmühlgebiet. Zur Entwicklung, Vielfalt und
Bedeutung der Bauweisen unter dem Kalkplattendach in
der Mitte Bayerns, in: Bauernhäuser in Bayern. Ober-
bayern 1, hrsg. von Helmut Gebhard und Konrad Bedal,
München 1998, 45-72. Walter und Wolfgang Kirchner,
Bauentwicklung von Holz zu Stein im nördlichen
Oberbayern, in: Bauernhäuser in Bayern. Oberbayern 1,
hrsg. von Helmut Gebhard und Konrad Bedal, München
1998,96-103. Heinrich Ullmann, Das Kalkplattendach im
Altmühlgebiet, in: Bayerischer Heimatschutz (Monats-
schrift des bayerischen Landesvereins für Heimatschutz),
17. Jhrg. (1919), Nr. 11-12, 1-24.