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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Die Kanzel von Ludwig Münstermann in Rodenkirchen — Hameln: Niemeyer, Heft 37.2011

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50

Peter Königfeld

Kunstgeschichtliche Anmerkungen zur Kanzel


44 Wendel Dietterlin, Säulenschäfte in kompositer Ordnung.

45 Wendel Dietterlin, Entwurf einer Portalanlage in
ionischer Ordnung.


Volutenspangen, Akanthus-Wellenbänder finden sich
parallel in seinen Werken.
Dass Münstermann schnell auf neue Entwicklungen
reagierte, zeigt ein Blick auf die Dekoration seiner Ar-
beiten: Ist bis Anfang der zwanziger Jahre Beschlag-
und Rollwerk vorherrschend, fand ab diesem Zeit-
punkt auch das Knorpelwerk Eingang in sein Werk.
Der Anfang dieser abstakten Ornamentik ist aufs
Engste mit dem Augsburger Kupferstecher Lucas
Kilian verknüpft, der 1610 in seinem „Schildtbyhlin"
ausgehend von italienischen Vorlagen (Federico
Zuccaro) die Grundlagen des deutschen Knorpelwerk-
Ornaments legte.43 Dieses findet sich sehr schnell in
bauhandwerklichen Umsetzungen, beispielsweise
in den Sandsteindekorationen des Bremer Rathauses
(1612), die einen großen Einfluss auf die Bremer
Bürgerhäuser ausübten,44 oder die des von einem
unbekannten Architekten stammenden am Erbhof in
Thedinghausen (1620).45
Die ersten reinen Beispiele dieser Ornamentschöp-
fung publizierte aber der aus Hamburg stammende
Godfridt Müller 1621 in seinem „Neuws Comperta-
ment Buchlein", das zu den bedeutendsten Vorlagen
aus der „Knorpelwerkzeit" gehört.46 Die Stichfolge
war ganz auf den praktischen Bedarf der in dieser Zeit
in Nord- und Mitteldeutschland um werkgerechte
Verarbeitung der neuen Ornamentformen bemühten
Tischler, Bildschnitzer und Steinbildhauer abgestimmt.
Mit seinen weich-teigig geformten ornamentalen De-
tails, Kartuschenteilen und Randleisten in ausgepräg-
tem Knorpelwerk (Abb. 67) fand es offenkundig bald
nach seinem Erscheinen in den Werken Münster-
manns ein erkennbares Echo (erstes Beispiel: Schwei,
Taufdeckel, 1623).47
Die schmiegsamen, teigkringelartigen Kurven der
Kartuschen, die Münstermann in seine Arbeiten inte-
griert (beispielsweise an der Kanzel in Rodenkirchen:
Rahmen der Meisterinschrift sowie Reliefs der Brust-
zone) verdankt er letztlich Lucas Kilian, der dieses
aus dem Rollwerk weiterentwickelte, weichknollige
Beiwerk in Buchillustrationen, vor allem aber als
Umrahmungen in Porträtstichen verbreitet hat.48
Figura serpentinata
In den Figuren Münstermanns spiegelt sich der Ein-
fluss der internationalen Kunstbewegung des Manie-
rismus, die ihre Impulse von den höfischen Zentren
empfing und im Laufe des 16. Jahrhunderts im Kunst-
handwerk der Städte wirksam wurde. Unter dem
Einfluss des Spätwerkes Michelangelos setzten vor
allem niederländische Künstler eine andere Realität
gegen die harmonischen und ausgewogenen Kompo-
sitionen der Renaissance: „Künstlichkeit statt Natür-
lichkeit". Diese spannungsgeladene und gezierte
„maniera" wird durch eine Flut von druckgrafischen
Vorlagen vor allem niederländischer Stecher in ganz
Norddeutschland verbreitet (Abb. 46).
 
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