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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 9.1891

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Nr. 5
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Neue Beiträge zur Frage der Caselform, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15908#0052

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45

NUN mit allen Kräften die Forderung durch-
setzen wollten, daß man den römischen Stil
verlassen und allgemein den gothischen wie-
der einführen solle, so glauben wir sicher,
daß sie nur jene wenigen Anhänger ge-
winnen würden, die in derselben Vorliebe
befangen, ebenfalls nichts billigen und nichts
für schön halten, als was gothische Art
hat, so daß selbst die herrliche vatikanische
Basilika und Raphaels Gemälde ihnen
nicht gefallen, weil sie nicht gothisch sind."
Schönheit und Würde der priesterlichen
Erscheinung lasse sich auch bei der heutigen
Form der Casnla erreichen. Selbst wenn
durch die heutige Form das Meßgewand
wirklich zum Skapulier reduzirt wäre,
könnte es nicht ohne weiteres als unschön
bezeichnet werden, sei doch das Skapulier
des Ordensmannes auch nichts Unschönes
(Nr. 108). Der kirchliche Sinn jener
Vereine, Zeitschriften und Schriften, welche
in Frankreich und Deutschland für die
gothische Casel wirken, sei zu loben, aber
sie seien nicht freizusprechen von Einseitig-
keit und Exklusivität, und man müsse sie
wieder erinnern an gewisse Dekrete und
Verordnungen der Kongregation, welche
für die Praxis Norm bleiben müssen und
deren Beachtung sie sich angelegen sein
lassen mögen (Nr. 111, 112).

Den Beschluß macht ein irenischer
Grund. Man sage, die Wiederherstellung
jener Caselform, welche im Mittelalter
üblich gewesen sei, würde einige Aussicht
bieten, daß Häretiker und Schismatiker in
den Schooß der katholischen Kirche zurück-
kehren. »Suavissimam sane spem! sed
heu quam infirmo fulcitur funda-
mento!« Daß die Caselform Konversionen
bewirken könne, credat Iudaeus Apella!
Bei der weiteren Ausführung jenes Grun-
des müsse man fast zweifeln, ob er im
Ernst oder im Scherz gemeint sei. Der
Referent nimmt das in der That lächer-
liche Argument wirklich ernster, als es
dasselbe verdient und widmet ihm eine sehr
ausführliche Refutation (Nr. 112—124).
Derartige Neuerungen würden vielmehr
eine sehr große Gefahr mit sich führen,
daß neue Spaltungen entstehen, wie tat-
sächlich jene Bestrebungen bereits Opposition
und Widerspruch hervorgerufen haben. Der
Bischof mache aufmerksam daraus, daß in
Deutschland noch sechs alte Caseln er-

halten seien, von welchen einige auch noch
in Gebrauch stehen und folgere hieraus,
daß die Form in Deutschland nie ganz
in Abgang und dem Volk nie ganz aus
dem Aug gekommen sei, weßwegen die
Wiedereinführung keine Schwierigkeit
habe. Darauf sei zu erwideru, jene
wenigen Ausnahmen ändern nichts an
der Thatsache, daß allgemein eine andere
Form im Gebrauch sei (Nr. 125 bis
127).

Die vier Argumente, bemerkt der Re-
ferent zum Schlüsse, haben eine ausführ-
liche Behandlung erfordert, denn es sei
unglaublich, wie sehr durch dieselben sich
manche zu Gunsten der gothischen Casel
beeinflussen lassen. Das habe Referent
aus seiner Reise durch Deutschland zur
Genüge erfahren, Doch scheine ihm, daß
nach Abzug all' derer, welche blindlings
und urtheilslos der neuen Bewegung sich
anschließen, oder welche in einfachem Ge-
horsam sich höheren Weisungen fügen, oder
welchen lediglich der Name der gothischen
Casel gefalle, ohne daß sie den Unterschied
beider Formen durchschauen, die Liebe und
das heiße Verlangen nach der gothischen
Casel sich eigentlich auf den kleinen Kreis
von Alterthumsfreunden oder von partei-
ischen Gönnern dieser Casel einschränke.
Im Unterschied von anderen Eingaben,
fehle es in der des Bischofs von Münster
an bestimmt formulirten Fragepunkten,
deren Entscheidung von der Kongregation
erbeten werde; der Bischof begnüge sich,
pro am et focis die gothische Casel gn
vertheidigen. Referent halte es daher für
seine Obliegenheit, die ganze Kontroverse
in distinkte Fragen zusammenzufassen. Diese
Fragen müssen zunächst sich beziehen ans
die dreierlei Formen des Meßgewandes,
um welche die ganze Untersuchung sich
dreht: die gothische, die Baßgeigen- und
die römische Form. Referent glaube aber
nicht mit Stillschweigen übergehen zu sollen
die Form der bischöflichen Mitra, weil die
Eingabe aus Münster davon zwar nicht
rede, aber die Abbildung einer ebenfalls
ungewöhnlichen und gothischen Form der
Mitra bringe, und weil jüngst ein Bischof
eine solche Mitra nach Rom gebracht und
daselbst benützt habe. Doch sehe er von
eigener Fragestellung betreffs der Mitra
ab, da der Gebrauch derselben mit dem
 
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