Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 9.1891

DOI Heft:
Nr. 5
DOI Artikel:
Neue Beiträge zur Frage der Caselform, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15908#0053

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
46

Gebrauch der gothischeu Casel stehe und
falle (Nr. 133).

Die vom Referenten anfgestellten Frage-
pnnkte sind nun folgende:

1) Ob es in der Vollmacht eines Bi-
schofs gelegen sei, in seiner Diözese ohne
Befragung des hl. Stuhles eine längst in
Abgang gekommene Form des Meß-
gewandes einzuführen ohne Rücksicht auf
die Form der römischen Kirche?

2) Ob die sog. gothische Form zu
toleriren oder vielmehr zu verbieten sei?

3) Was von der Form des Meß-
gewandes zu sagen sei, welche man Baß-
geige nenne?

4) Was betreffs der Form des Ga-
vantns oder der römischen zu sagen und
zu bestimmen sei, von welcher der
Bischof von Münster sagte, sie sei durch
kein positives Gesetz oder Dekret einge-
führt.

Der Referent proponirt folgende Ent-
scheidungen. Ad 1: Negative. Ad 2:
Negative ad primatn, affirmative ad
secundam partem; nach Beratung des
Papstes soll ein Rundschreiben alle Bi-
schöfe anweisen, die gothischeu Caseln in
ihren Diözesen abznschaffen und dafür zu
sorgen, daß fernerhin keine neuen Formen
eingeführt werden. Ad 3: wie ad 2.
Ad 4: es soll ausgesprochen werden nach
Beratung des Papstes, daß die römische
Easel unbedingt als allgemeine Regel zu
gelten habe; die Bischöfe sollen angewiesen
werden, dafür zu sorgen, daß künftig alle
neuen Meßgewänder nach Maß und Form
des römischen gefertigt werden; vorhandene,
welche nur eine kleine Abweichung von der
letzteren zeigen, können vollends ver-
braucht werden; sei die Verschiedenheit be-
deutend, so müsse die Form nach der rö-
mischen geändert werden.

Dies die Vorschläge des Referenten.
Sie wurden in der Kongregation, oder
vielleicht vom Papst nicht adoptirt. Viel-
mehr erfloß nun im August 1863 jenes
Schreiben an die Bischöfe, welches wir
früher („Archiv" 1888 S. 13) mitgetheilt
und besprochen haben. Dasselbe hat einen
weit milderen Tenor, als die oben pro-
ponirten Resolutionen und als das ganze
Referat von Corazza. Weder die Baß-
geige noch die gothische Casel wurde, wie
der Referent nahegelegt hatte, verboten,

noch auch ein striktes Gebot ausgesprochen,
überall die Form der römischen Casel
zu adoptiren. Wenn jenes Rundschreiben
Bedenken gegen die gothische Casel verrät,
so wird uns das ans dem Vortrag des
Referenten wohl begreiflich. Wenn trotz-
dem ein Verbot nicht erfolgte, so erkennen
wir daraus die Weitherzigkeit Roms in
redns liturgicis secundariis, welche Thal-
hofer in seiner Liturgik (I. 858) mit Recht
betont. Die Kongregation und der Papst
theilten offenbar die in der That selbst
für jene, liturgisch etwas erregte Zeit über-
triebenen Befürchtungen des Referenten
nicht, als könnten ans der Zulassung der
gothischeu Form oder zweier verschiedener
Formen Aergernifse im christlichen Volk,
Neigungen gu Neuerungen, Gefahren der
Spaltung und des Abfalls von der Einheit
des Ritus erzeugt werden, — theilten sie
jedenfalls nicht im gleichen Grade, wie
der Wortlaut des Dekrets zeigt. Indem
wir im übrigen auf die in den Haupt-
punkten auch jetzt noch zutreffende Anf-
fassungdes Dekrets („Archiv" 1888 S.21ff.)
zurückverweisen, merken wir nur noch an,
daß auf der vatikanischen Ausstellung auch
Meßgewänder des gothischeu Schnittes zu
sehen waren und weit entfernt, Aergerniß
zu verursachen, vielmehr die Bewunderung
der kunstsinnigen Römer itub Italiener
fanden. Wie mir von schätzenswerther,
durchaus zuverlässiger Seite ans Rom mit-
getheilt wird, hat die Ansstellnngskom-
mission der Kirche des Campo santo eine
gothische Casel znm Geschenk zngewiesen;
dieselbe Kirche empfing vom Paramenten-
verein in München eine Casel nebst Dal-
matiken, für welche das Muster von den
Gemälden Fiesole's in der Kapelle Niko-
laus' V. im Vatikan abgenommen wurde.
Ein Verbot, so urtheilt auch unser römischer
Gewährsmann, gegen die gothische Casel
ist seitens Roms nicht zu befürchten; wäer
ein solches intendirt, so hätte die vatika-
nische Ausstellung Anlaß geben müssen, es
auszusprechen, denn sie lieferte i^n offen-
kundigsten Beweis, daß in vielen Diözesen
Deutschlands die gothische Casel im Ge-
brauch sei.

Wir geben nun in der nächsten Nummer
einem geschätzten Mitarbeiter das Wort,
welcher die Frage nach dem Schnitt des
Meßgewandes vom rein praktischen und
 
Annotationen