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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 2
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Die Wandmalereien in Burgfelden bei Balingen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0020

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Predigt, dann anch die Furcht vor dem
Weltende, welche gegen Abschluß des ersten
Jahrtausends zwar nicht so allgemein ver-
breitet war, wie man früher annahm, aber
doch weite Kreise erfaßte. Im nennten Jahr-
hundert begegnen wir den ersten ausführ-
lichen poetischen Schilderungen und den
ersten künstlerischen Darstellungen des
jüngsten Gerichts. Gerade in Reichenau
entsteht eine der umfassendsten Poesien über
das Weltgericht; Alkuin, Florns, Wala-
frid sind Zeugen zeitgenössischer Gerichts-
bilder. In Reichenau schuf die Wand-
malerei ihr erstes großes Gerichtsbild, das
die Außenseite der Westabsis der St. Georgs-
kirche von Oberzell schmückte. Dasselbe
zeigt Christus in der Mandorla; neben ihm
in fürbittender Haltung die Mutter Maria
und ein Engel mit dem Zeichen des
Menschensohnes, dem Kreuz; zu beiden
Seiten sitzen feierlich die Apostel, über
ihnen schweben Engel in den Lüften, unter
ihnen geht die Auferstehung der Todten
vor sich.

Ueberraschend ist bei aller Verschieden-
heit im Ban und in den Grundgedanken
die Aehnlichkeit dieses Gerichtsbildes mit
dem von Burgfelden. Die Gestalt des
Heilands in der Mandorla hat aus letz-
terem eine straffere Gewandung und senkt
die Arme nicht abwärts, sondern breitet
sie nach oben ans; aber davon abgesehen
ist sie der Reichenaner völlig gleich, —
gleich darin, daß sie größere Proportionen
hat als die übrigen Gestalten, und daß
um diese zu gewinnen die Mandorla über
die Grenzlinie des Bildes hinaus in den
beide Bilder oben abschließenden Mäander
hinein verlängert ist; gleich in dem jugend-
lichen und bartlosen Antlitz; gleich darin,
daß der Mantel über den linken Arm im
Bogen herabwallt; gleich darin, daß der
Glorienkreis, der sie umschließt, in zwei
Farbenzonen getheilt ist, die innere mit
Hellgrün, die äußere mit Ultramarin ans-
gelegt. Die Auferstehung ist ans beiden
Bildern beiläufig gleich geschildert. Die
Technik dieses wie des andern Bildes von
Burgfelden ist dieselbe wie in Reichenau.
Mehrere Verputzlagen bieten eine durch
Abreibung oder Schliss geglättete, sehr
seine Oberfläche dar, aus welche die Con-
touren (in Burgfelden ohne Spuren von
Unterzeichnung) mit dem Pinsel in hellem

Rothbraun anfgemalt sind. Die Gesichts-
züge sind hier wie beim Reichenaner Ge-
richtsbild nicht contourirt, außer beim
Weltenrichter.

Jnbesondere Eine koloristische Eigen-
heit findet sich in gleicher Weise ans dem
Gerichtsbild und allen Darstellungen der
Seitenwände in Burgfelden wie ans dem
Gerichtsbild von Reichenau: der ganze
Hintergrund ist in mehrere horizontale,
parallel laufende Farbenzonen abgetheilt,
wodurch derselbe belebt und die Farben-
wirknng des Bildes gehoben wird. Um
noch einige nebensächliche Punkte hervor-
zuheben , in welchen beide sich berühren:
die Extremitäten bilden hier wie dort die
schwache Seite der Zeichnung; die Neben-
figuren haben bloß die kleine, um die
Hüften anliegende, bis ans Knie reichende
Tunika ohne Sagnm oder Chlamys; Schuhe
und Kopfbedeckung fehlen; die Posaunen
der Engel sind gebogene Hörner.

Die verwandtschaftlichen Beziehungen
sind also außer Frage. Sie sind so zahl-
reich, daß man ohne weiteres den Meister
der Malereien von Burgfelden in Reichenau
zu suchen hat, zumal an eine einheimische
Kraft gar nicht zu denken ist. Daß Rei-
chenau gegen Ende des Jahres 1000 ein
Centrum kirchlicher Kunstübung, speziell
der Malerei ersten Ranges war, ist schon
länger bekannt. Schon 850 hatte es zur
Ausmalung der neuen Klosterkirche von
St. Gallen clnros pictoreg gesandt?) Als
unter Abt Witigowo, dem der Abtstab
abgenommen werden mußte, weil er durch
seine Baulust das Kloster an den Rand
des finanziellen Ruins brachte, St. Georg
in Oberzell 984—990 umgebaut worden
war, nahm man die malerische Ausstattung
der neuen Kirche in Angriff. Um dieselbe
Zeit hatten die Mönche Kerald und Heri-
bert in der Malstube von Reichenau den
berühmten Cockex Egberti mit Miniaturen
versehen, welcher ca. 980 dem Erzbischof
Egbert von Trier sei es als Geschenk des
Reichenaner Klosters, sei es aus Bestel-
lung eingehändigt wurde. Wahrscheinlich
waren es auch Reichenaner Maler, welche
die 983 begonnene Klosterkirche zu Peters-
hansen bei Konstanz ansmalten. Wenn
es zunächst etwas auffällig erscheinen kann,

l) Die Nachweise siehe bei Kraus a. a. O. S. 14.
 
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