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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 12
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Raible, Felix: Die Kirchenrestaurirung in Glatt (Hohenzollern), [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0118

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106

der Chor mit gefälligem Netzgewölbe und
einem etwas massigen, aber reich profi-
lirten Chorbogen, das Schiff mit flacher
Decke, erheblich kleiner und niedriger als
die Maaßverhältnisse des Chores es ver-
langt hätten. Die Steinmetzarbeiten dürften,
wie Herr Architekt Lanr von Sigma-
ringen aus Struktur und Steinmetzzeichen
schließt, von der Horber Bauhütte ansge-
führt fein. Der Thurm an der Nordseite
des Chores war nach einer noch vorhandenen
Zeichnung niedrig und unansehnlich und
mit einem vierseitigen Helm bedeckt. —
Nach dem Anssterben der Edlen von Nenneck
kam die Herrschaft Glatt zuletzt durch Kails
an die Benediktiner-Fürstabtei Muri in
der Schweiz im Jahre 1708. Die Pfarrei
wurde dem Kloster inkorporirt und dieses
übernahm die Seelsorge und die Bestrei-
tung der Kirchenbedürfnisse. So blieb es
bis zum Jahre 1803, wo Muri durch die
Säkularisation die Herrschaft Glatt verlor.
Im Jahre 1719 wurde ein neuer Thnrm-
helm aufgerichtet und die Fenster abgeändert.
Das gothische Maaßwerk, sei es, daß es
schadhaft geworden, sei es, daß es liicht
mehr gefiel, oder ans beiden Gründen zu-
gleich — wurde entfernt, die Fenster theils
verengt, theils breiter gemacht und oben
sämmtlich durch Vergipsnng ansg ernnd et,
auch das Mittelfenster hinter dem Hoch-
altar zugemanert. Im Jahre 1840 kam
ein neuer Dachstuhl auf die Kirche um
1472 Gulden und 1845 wurde die Kirche
inwendig ansgefüllt und der Boden um
anderthalb Fuß erhöht. Der alte Thurm,
weil baufällig geworden, mußte im Jahre
1881 abgetragen werden nnb es wurde
an der Westfront der Kirche um 10 000 M.
ein neuer hübscher Thurm aufgeführt mit
gefälliger Pyramide, das Untergeschoß in
rothem Schwarzwälder Sandstein, die
übrigen Geschosse in Tuffstein, dazu drei
neue Glockeu und neue Uhr. An den
Standort des alten Thurmes neben dem
Chor kam gleichzeitig eine neue geräumige
Sakristei.

Im Jahre 1878 wurde die Kirche von
innen in gefälligem grünen Steinton aus-
getüncht und der Chor mit einiger Deko-
rationsmalerei ansgeschmückt. Aber ein
alter Feind der Kirche trat bald wieder
auf, die Feuchtigkeit. Die Kirche war
bei ihrer Erbauung — wie gewöhnlich um

jene Zeit — auf den ebenen Erdboden
gestellt worden. Das Terrain um dieselbe
erhöhte sich im Laufe der Jahrhunderte
als Gottesacker und durch Anschwemmungen,
und so kam sie nach und nach tief unter
die sie umgebende Erdfläche, und Schnee-
und Regemvasser konnten ungehindert in
das Manerwerk kindringen. Auch ein in
nächster Nähe vorbeifließendes Bächlein —
„der Kirchenbach" — durchfeuchtete stets-
fort die Umgebung und die Fundamente
der Kirche, und so war es kein Wunder,
daß diese von Grund aus feucht, moderig,
unfreundlich und ungesund war für Priester
und Volk. Der Hintere Theil des Schiffes
stand förmlich in einem Sumpfe, die Feuch-
tigkeit stieg dort in den Wänden bis an
die Emporbühne, im Chore bis an die
Fenster. Die Wände von unten herauf
waren geschwärzt und von Salpeter zer-
fressen, und jedermann suchte ihnen, nament-
lich zur Winterszeit, möglichst fern zu
bleiben. — So traf es Einsender zu An-
fang des Jahres 1889, und er gelobte
bei seiner Investitur, möglichst bald Ab-
hilfe zu schaffen. Die Ausführung dieses
Vorhabens wurde beschleunigt durch ein
im Mai desselben Jahres über die Kirche
hereingebrochenes schweres Unglück. Durch
Gewitter und Wolkenbrüche schwoll der
sonst so harmlose Kirchenbach an zum
mächtigen Fluß und überfluthete Dorf
und Kirche und setzte letztere in einer Woche
zwei Mal — am 5. und 10. Mai —
einen Meter tief unter Wasser, bis über
die Kirchenstühle hinaus, alles mit Schlamm
bedeckend und erfüllend, ein Greuel der
Verwüstung! So war der Zustand un-
erträglich, förmlich gesundheispolizeiwidrig
geworden: es mußte alsbald Hand an-
gelegt werden.

2. Restaurirungsplan.

Soll eine Kirchenrestaurirnng wohl ge-
lingen , muß v o n A n f a n g a n ein Re-
stanrirungsplan aufgestellt werden in bau-
licher, künstlerischer nnb finanzieller Hin-
sicht. Der Bauherr (Pfarrer) muß sich
klar werden über die Frageit: was will
ich? was soll ich? was kann ich? Ist
er über die zwei ersten Fragen im Reinen,
wird er sich nach Lnk. 14, 28 „nieder-
setzen und die nötigen Kosten überschlagen,
ob er auch habe, um auszulangen". —
 
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