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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 12
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Raible, Felix: Die Kirchenrestaurirung in Glatt (Hohenzollern), [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0119

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107

In unserem Falle wußte vor allem die
Trockenlegung der Kirche und die Beseiti-
gung der Feuchtigkeit angestrebt werden,
da sonst die Ausschmückung keinen Bestand
haben würde. Sodann mußte die Frage
in Erwägung gezogen werden, ob in den
Fenstern der gothiscke Spitzbogen wieder-
hergestellt werden solle oder nicht. End-
lich sollte die Kirche auch malerisch ans-
geschmückt und theilweise mit einer neuen
Einrichtung ausgestattet werden. Diese
drei Gesichtspunkte — Trockenlegung,
Stilisirung und Ansschmücknng — flößen
in einander und bereiteten zum Theil ernst-
liche Schwierigkeiten. Es mußte mit Be-
dacht und Ueberlegnng zu Werke gegangen
werden, um so mehr, da die Ausgabe für
die Kirchenkasse eine beträchtliche werden
mußte und gute Verwendung des Geldes
somit doppelt heilige Gewissenspflicht war.
Behufs Rathsertheilnng wurden demnach
die anerkanntesten Autoritäten beigezogen:
für die mehr baulichen Fragen der Herr
Geheime Banrath Laur von Sigmaringen,
dessen Sohn, Herr Architekt Laur, sowie
Herr Baumeister Theilacker von Horb;
für die mehr in die Kunst einschlagenden
und technischen Fragen die Herren Pros.
Dr. Keppler von Tübingen, Pfarrer Detzel
von St. Christina und P. Desiderins Lenz
O. S. ß. von Beuron; außerdem noch
mehrere Kunstmaler von Fach und Kunst-
freunde in der Nähe und Ferne.

Zum Zwecke der Trockenlegung der
Kirche wurde zuvörderst als nothweudig
erkannt, weiteres Eindringen von Feuchtig-
keit zu verhindern durch Abhaltung des
Grund- und Tagwassers. Es sollte die
Kirche durch eine Sickerdohle abgeschnitten
werden von ihrer durch den Bach stets
feuchten Umgebung. Dann sollte ein Schutz-
bankett oder Beton-Trottoir wie ein Gürtel
hart um die ganze Kirche gelegt werden,
gegen Schnee- und Regenwasser. Darnach
sollte noch das Bett des Kirchenbaches im
nächsten Bereich der Kirche wasserdicht ge-
macht und endlich die Kirche gegen die so
unheilvollen Ueberschwemnnlngen durch eine
feste, etwa 1 m hohe Schutzmauer gesichert
werden. Darnach sollte zur inneren Trock-
nung der Kirche Per feuchte Wandverputz
bis an die Fenster und noch höher ab-
geschlagen, die Wände abgespitzt und von
Salpeter rein gewaschen werden. Im

Chore sollte, wo sonst ein Teppich von
unten herauf gemalt wird, ein solcher ans
bemalten und gebrannten Mettlacher Plätt-
chen hergestellt werden, die in Zement
verfngt sind und eine unverwüstliche, ewige
Dauer besitzen. Die kostspielige Frage,
wie die Schiffwände erfolgreich neu be-
kleidet werden sollten, wurde noch offen ge-
lassen. Dann sollte der alte Steinplatten-
boden herausgenommen, die Kirchenstühle
entfernt, aller Schlamm und senchter Grund
ausgehoben, mit trockenen! Sand ansgefüllt,
die Gänge und freien Stellen mit einem
Steinkörper belegt, alsdann mit einem
Rauhbeton ans Romanzement bedeckt und
endlich aus diesem der neue Boden in
Portlandzement verlegt werden, im Chor
gebrannte Einziger, im Schiff Saargemün-
der Plättchen. So hoffte man zu obsiegen
über den alten und schlimmen Feind, die
Feuchtigkeit.

Die Frage der Stilisirung der Fenster
war nicht die leichteste. Stileinheit und
Stilreinheit sind hoch anzuschlagen bei
einer Kirche und werden vom kundigen
Auge nicht gerne vermißt. So war der
Pfarrer selber zuerst gesonnen, in den
Fenstern eine durchgreifende Restanrirnng
in des Wortes eigentlichster Bedentnng zu
unternehmen und den Zustand von anno
1510 wiederherzustellen, d. h. den im
Jahre 1719 ansgernndeten Fenstern wie-
der den Spitzbogen zurückzngeben. Die
zu Rathe gezogenen Baumeister verlangten
dies natürlich auch entschieden, wenigstens
im Chore. Da aber die Fensternischen
durch die Verengung beziehungsweise Ver-
breiterung die gothischen Dimensionen ver-
loren haben, somit entweder ganz um-
fassende bauliche Veränderungen nöthig ge-
wesen oder aber ohne diese nur eine mittel-
mäßige, ja schlechte Gothik zu Stande ge-
kommen wäre; in Erwägung ferner, daß
solche baulichen Eingriffe in alten Bau-
werken erfahrungsgemäß nicht ohne Ge-
fahren sind; endlich weil die Ausführung
dieses Projektes nach Schätzung des Bau-
meisters eine Ausgabe von ca. 2500 Mark
bedeutet hätte, wir aber mit den Ban-
mitteln Haushalten rnnßten, schloß man
sich zuletzt gerne dem Gutachten des Vor-
standes des christlichen Knnstvereins der
Diöcese Rottenbnrg an, welchem die end-
gültige Lösung dieser Frage anheimgestellt
 
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