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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 12.1894

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Nr. 6
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Die Bemalung unserer Kirchen, [4]
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53

und Menschenkindern abgefickt und abge-
rieben. Haben dann die Qnadrirnngen
und Teppichmnster auch nur an einigen
Stellen Schaden gelitten, so ist damit doch
schon die ganze schöne Luge ansgedeckt, die
ganze Illusion gründlich zerstört. Wir
können nicht alle paar Jahre den Kunst-
maler kommen und diese Teppiche erneuern
lassen. Deßwegen ersetzen wir sie durch
Einen Ton, der den Hauptzweck, eine feste
Basis für die obere Malerei zu schaffen,
gerade so, wenn nicht besser erfüllt, und
der, wenn er Schaden gelitten hat, durch
jede Hand erneuert werden kann.

Einen kräftigen Ton fordern auch, wie
scholl oben dargethan wurde, die Pfeiler,
P i l a st e r, L i s e n e n, ferner die F e» st e r-
leibnngen. Die Schrägwände der letz-
tereil , konlissenartig in die Wandflächeil
eiilgestellt, eignen sich sehr für kräftigere
Bemalung, auch für reichere ornamentale
Ausstattung, weil sie wenigstens zur Hälfte
fast von jedem Punkt des Jnnenraumes
zlimal sichtbar sind. Die über denl Sockel
nild zwischen Pfeilern llnd Feilsteril sich
hinziehenden Waiidflächen sind nun klug
und vorsichtig auf fein zrl einander ge-
stimmte Farbentöne zu vertheilen. Wichtig
ist die richtige Ueberleitnng vom Sockeltoii
zil den oberen Wandtönen; sie muß ein
Farbenband vermitteln, welches ben unte-
ren und die oberen Töile sowohl gegen
einander abgrenzt und scheidet als sie wie-
der versöhnt und welches oben nud unten
durch einen oder mehrere farbige oder
schwarze Striche umrandet ist. Wo wir
die Mittel haben, werden wir dies Farben-
baild mit einem laufenden Ornament
schmücken, aber liicht mit luftigen Arabes-
ken , sondern der monumentalen Funktion
entsprechend mit geometrischem nnb archi-
tektonischem Motiv; vorzüglich geeignet ist
hiefür namentlich der zu allen Zeiten
beliebte und verwendete Mäander. Wie
die Farbentöne für die oberen Wäilde
zu wählen, zu stimmen, anzuordnen
siild, dafür können genauere allgenieine
Regeln nicht gegeben werden; ob volle
oder halbe, abgetönte Farben verwendet
werden sollen, das hängt hauptsächlich
ab voll der Tüchtigkeit des Meisters,
welcher ben Entwurf zu fertigen hat,
von seiner Meisterschaft in der Kenntniß
und Regierung der Farbenkräfte. Kanil

man ans diese sich verlassen, so gebe mail
ihm freie Hand, auch mit ganzeil nnb
vollen Farben zu operiren; erscheint die-
selbe zweifelhaft, so dringe man anf halbe
und schwache Töne, denn sie werden bei
unrichtiger nnb mangelhafter Stimmung
wenigstens nicht so grelle lind nnerträg-
liche Dissonanzell bildeil, wie schlechtge-
stimnite Ganztöne.

Eine starke Farbe gehört in die Hohl-
kehle, welche den Uebergang von ben
Mauern znm Plafond, voll der trageildeil
Architektur zlir getragenen oder schweben-
den herznstelleii hat, denn dieser Ueber-
gang ist für den ganzen Ban von wesent-
licher Bedeutung. Für den Plafond
gilt als Regel, daß er nach Farben- nnb
Ornamentreichthnm nicht hinter ben Wän-
den Zurückbleiben dürfe nnb seiner Be-
stimmung und seiner Natur eiltsprecheild
vorwiegend mit Hellen, lichten Farben 31t
dekoriren sei. Schwierigkeiten «lacht bei
großen Plafondflächen die Dispoiition,
namentlich, wo weder der Baumeister lloch
etwa der Stnkkator Gliederungen vorge-
nommeit hat. Ueber Plafondgemälde haben
wir oben gesprochen. Für Behandlung
romanischer oder gothischer Gewölbe
haben wir überaus zahlreiche alte Vor-
bilder, welche die ganze Skala vom Ein-
fachsten bis zum Prächtigsten durchlaufen.
Es ist richtig, daß die Bemalung der Ge-
wölbekappen mit blau, namentlich dem von
goldenen Sternen gelichteten Blau, imMittel-
alter üblich war, namentlich in Italien, und
erst ungefähr im 15. Jahrhundert abkam.
Der Widerspruch gegen die Blanbemalnng
der Gewölbe ist daher historisch unberechtigt,
war aber praktisch sehr berechtigt, nicht
bloß weil man den rechten Ton von blau
häufig nicht traf, sondern weil es auch
vorkam, daß dieses Blau in den Gewölben
überhaupt die einzige Farbe war, die man
in einer Kirche anbrachte, was dann eine
geradezu barbarische Wirkung hervorrief.
Man kann das Blau für die Gewölbe
zulasten und empfehlen, muß aber sehr be-
tonen , daß der richtigste Ton von Blau
besonders unter unserem Himmel und bei
den Lichtverhältnissen unserer Kirchen sehr
sorgfältig gesucht werden, sodann daß dieses
Blau in der übrigen Bemalung sein ge-
nügendes Gegengewicht finden muß.

Anspruch ans reichere Ausstattung hat
 
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