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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 12.1894

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Nr. 9
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Bach, Max: Der angebliche Ravensburger Bildschnitzer Friedrich Schramm, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15911#0085

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78

Kunden! Und zwar steckt mit großer Wahr-
scheinlichkeit der ehemalige Besitzer dieser
Figur Herr Maler und Zeichenlehrer Her-
rich dahinter, welcher, wie Beck mittheilt,
in den 20—40er Jahren zu Ravensburg
einen schwungvollen Alterthnmöhandel trieb
und dabei nicht immer redlich zu Werke
gieng. Schon das alte amtliche Inventar
der Wnrttembergischen Alterthnmsdenkmale
vom Jahr 1840 sagt Seite 166 „Holz-
schnitzbilder vom Jahr 1480 im Besitz des
Lehrers Herrich ;" stimmt diese Jahrzahl
nicht genau mit der von Dnrsch angege-
benen ? Auch Häßler bespricht im II. Heft
der Verhandlungen des Ulmer Alterthnms-
vereins 1844 die Herrich'sche Sammlung,
er erwarb daraus verschiedene Gemälde,
worunter sich auch angebliche „Tagbret"
befanden, z. B. der hl. Michael mit der
Lanze auf dem Drachen stehend, jetzt in
der Königlichen Alterthnmersammlnng,
später als Schonganer ansgegeben. Die
Hirscher'sche Madonna wird nicht genannt,
sie scheint damals schon veräußert worden
zu sein.

Außer den schon genannten Werken
hat man auch unglücklicher Weise Schramm
die Arbeit im Rathhanssaal zu Ueberlingen
znweisen wollen, bis vor einigen Jahren
Professor Dr. Roder im Ueberlinger Archiv
einen Vertragsentwurf fand, nach welchem
ein Meister Jakob Rneß in Ravensburg
die Arbeit „in der neuen Stuben" des
Rathhanses ansgesnhrt hat. Derselbe
kommt in beu öffentlichen Büchern Ravens-
burgs von 1482—1497 öfters vor und
ist auch der Schöpfer des Hochaltars in
der Domkirche zu Chnr.H Bevor der
Name dieses Künstlers bekannt war, haben
verschiedene Lokalforscher, besonders auch
L. Allgeyer nach dem apokryphen Schramm
gefahndet, kamen aber zu keinem Resultat;
in den Navensbnrger Bürger- und Steuer-
lasten kommt der Name eben einmal nicht
vor und von der angeblichen Jahrzahl oder
Inschrift ist nirgends etwas zu finden.
Man hat davon nur ganz unklare Zeng-
uisse aus zweiter und dritter Hand, und
die beiden ältesten Quellen Grüneiscn-
Manch und Waagen sagen nicht, wo die
Jahrzahl oder Inschrift angebracht gewesen

0 Bodenseeschriften Heft 18 und 19. All-
gem. deutsche Biographie 30. Band. „Archiv" 1888
Nr. 12.

sein soll; in, Gegentheil, ans ihren Anfzeich-
nungen scheint hervorzngehen, daß ans der
Madonnenstatne keine Jahrzahl oder dergl.
eingeschnitten war, wie auch jetzt noch keine
dort zit entdecken ist. Auch schwankt die
Angabe zwischen 1480 und 1487; nach
all dem dürfen wir sicher annehmen, daß
Hirscher durchaus keine urkundlichen Be-
weise für die Existenz eines Meisters
Schramm in Händen hatte imb alles ans
die lügenhaften Anssagen des Malers Her-
rich zurückznführen ist. Weiter ist sehr
unwahrscheinlich, ob der angebliche Hoch-
altar noch zur Zeit Herrichs vorhanden
war, um von der daran angebrachten In-
schrift noch eine Abschrift nehmen zu kön-
nen ; offenbar hat Herrich diese Figur sei-
ner Zeit ans irgend einer Rumpelkammer
der Kirche erstanden, tiachdem der dazu
gehörige Altarschrein längst verbrannt und
znsammengeschlagen war. Man hat in der
Zopfzeit mit den mittelalterlichen Altären
in den Kirchen sehr säuberlich aufgeräumt
und höchstens wurden dann einzelne Holz-
fignren oder Tafeln noch erhalten, die man
dann als altes Gerümpel auf die Kirchen-
böden oder an sonstige nicht znm Gottes-
dienst dicitliche Räumen geschafft. Auf
diese Weise haben alle alten Sammler,
Dnrsch, Hirscher, Abel und andere ihre
Kunstschätze erworben.

Nachträglich finde ich noch, daß schon
im ersten Bericht des Vereins für Kunst
und Alterthum in Ulm 1843 von einem
Verzeichnis; der Sammlung von Gemälden
und Knnstgegenständen des Malers Her-
rich die Rede ist, ans welcher besonders
hervorgehoben werden: Mehrere Tafeln
angeblich von Peter Tagbrett 1487, so-
wie von den gleichzeitigen Malern Chri-
stoph Keltenofen und Friedrich Holbein
Ferner Bilder von Hans Holbein, Hans
Asper und Martin Schön re. Unter den
Schnitzereien sollen sich Arbeiten in Holz
von Friedrich Schramm 1480 und
David Mieser 1630, in Elfenbein von
dem Ulmer David Heschler 1649 anszeich-
nen. Man sieht auch daraus, wie Herrich
seinen Knnstschätzen ganz willkürliche
Deutungen gab, wie es damals überhaupt
gang und gäbe war. Waagen brachte im

0 Die Holbein sind bekanntlich nur als
Navensbnrger Papierer nachgewiesen.
 
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