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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 12.1894

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Nr. 11
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Busl, Karl Anton: Defensives zur Bildhauer Schrammfrage, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15911#0112

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103

Zeit und die Leute in dieser Zeit zu mache»,
wo mau kaum anfiug, sich mit Lokalforschuugen
über die Kunst des Mittelalters zu befassen.
Herrich, welcher der Fälscher sein soll, hatte,
um „Kombinationen zu machen", nicht beiein-
ander, was größtentheils erst in den letzten
Jahren gleichsam ausgegraben, dem Herrn Kri-
tiker, säuberlich zusammengestelll, in den neuesten
Zeitschriften vorgelegt ist. Was stand Herrich
für seine „Fälschungen" zu Gebot? Nichts als
das dritte Heft von „Eben's Versuch einer Ge-
schichte der Stadt Ravensburg 1831." Dieses
läßt aber S. 520 ff. in der getroffenen Aus-
ivahl aus dem Bürgeraufnahmsbuch von 1437
bis 1549 ben Bildhauer Jakob einfach ans. Ein
Bildhauer Friedrich kommt dort nicht vor. Von
den Steuerbüchern und der Ausbeute, welche sie
für die Forschung geben, wußte mau nichts.
Eben kennt sie wohl nicht, erwähnt sie tveuigstens
nie, benützt sie nicht für die Geschlechterkunde
und begnügt sich Heft 4, S. 139, bloß den
Steuerfuß im 17. Jahrhundert anzugeben. Vol-
lends der von Hafner aufgespürte Eintrag im
evangelischen Taufbuch von 1566 war Herrich
sicher unbekannt; und selbst, wenn er ihn ge-
kannt, was hätte der obscure Anton Schramm,
kein Maler, ihm genützt für die Taufe seiner
Holzfigur vom Jahre 1480? Bei solchem da-
maligen Mangel an „urkundlichen Aufzeich-
nungen" „kombiuire" Einer! Was er bei Eben,
Heft 3, S. 524 fand, tvar iveder Nuß, noch
Schramm, sondern lediglich der Natne Keltenofeu
ohne Vornamen im Text mtb dann in der An-
merkung, wieder ohne solchen, die irrige und
irreführende Bemerkung „ein geschickter Bild-
hauer", nicht Maler. Diesen in der zu fälschen-
den Inschrift als Bildhauer der Statue Maria
Schutz zu bezeichne», tvar nun offenbar sehr ein-
ladend und eigentlich für seine Zwecke (er be-
durfte nicht zweier Namen) genügend. Er hat
es aber nicht gethan.

Wollte er je für seine Madonna von 1480 im
Bürgeraufuahmsbuch einen Meister aussuchen
lassen, denn er selbst wäre wohl nicht gilt mit
den alterthümlichen Schriftzügen zurecht gekom-
men, so stieß man auf den Eintrag: „Uff men-
tag nach Reminiscere a. d. 1484 ist niaister
Jakoben Vildhvwer das Burgrecht ergeben und
das hat er lvie aildere geschivoren zu halten."
Was brauchte er da eilten Friedrich Schramm
zu ersinnen? Daß ein „Bildhauer Friedrich"
ohne Zunamen in den Steuerbüchern von 1505
bis 1506 und 1515 aufgeführt sei, wußten lveder
er, noch seine Zeitgenossen; und hätte er ihn
gekannt, so lag es dem abschreibenden Fälscher
sicher näher, sich mit diesem Eintrag zu begnü-
gen, und nicht einen Familiennamen ohne allen
Beleg dazuzudichten. Ließ Herrich im Bürger-
buch über Keltenofeu suchen, so fand sich: „kri-
stoffel keltenofeu, der maler von augspurg ist
Burger lvordeu rc. 1509". Ein Fälscher ist froh
um solch' kostbare Angabe; er hätte die Herkunft
„von augspurg" sich nicht entgehen lassen und
sie sammt der Jahrzahl abgeschrieben. Be-
lehrend für die Beurtheiluug der Sachlage ist
auch folgender Gedanke. Rechnen mir au, die
Inschrift hätte gelautet: „Diese Tafel hat Jakob

Ruß, Bildhauer, geschnitten" und es tväre außer
ihr von ihm tveiter nichts bekannt, als der Ein-
trag im Raveusburger Bürgeraufuahmsbuch:
„Meister Jakob, Bildhauer", lioch nicht bekannt,
was mau erst seit wenigen Jahren tveiß, daß er
Ruß heißt und der Meister des Churer Hvch-
altares und der Bildtverke im Ueberlinger
Rathhaussaale ist (siehe meine Studie über den-
selben in diesem Archiv 1888, Nr. 8—12), —
lvie würde es bei Herrn Bach einer solchen In-
schrift gehen, obgleich erst lioch die Jahrzahl
ganz ordentlich stimmen würde? Nun gab es
aber doch einen Bildhauer Nuß, er ist, wenn
gleich bis vor klirzeiil nur mit dem Vornamen
bekannt, „keine Fabel", hat ivirklich existirt lind
erst lioch als berühmter Mann. Machen mir
die Anwendung auf den vorerst, abgesehen von
der Nachricht Dursch's, noch halben Namen des
Bildhauers Friedrich. Auch für ihil funn noch
die Stunde vollständigster Rechtfertigung schlagen.

Herr Bach sagt fernerhin: „Die ganze In-
schrift trügt so sehr den Stempel des Gemachten
und Gefälschten au sich, daß darüber kein Zweifel
sein kann." Ich antworte: Hätte Herrich die
Inschrift gemacht lind gefälscht, so lvürde er sie
ganz anders gefaßt habeli. Zll seiner Zeit kannte
mail die ächt Ulittelalterlichen termini technici
„Tafel" und „geschnitten ' llicht mehr. Selbst
Herrn Bach, ben auf der Höhe der Zeit und
der Fvlschung stehenden Kuustschriftsteller, mute-
ten sie so fremd all, daß er ganz zuversichtlich
erklärte, so zu sagell „habe keinen Sinn". Um
so weniger konnte der einfache, uustndirte Zeichen-
lehrer Herrich darauf koiilmeu. Er hätte gesagt:
Dieseil Altar (oder Altarschrein) hat . ... ge-
macht oder geschnitzt. Auch daß den Küustler-
uanleu je das alterthümliche Wort „Meister"
statt Bildhauer, beziehuugsiveise Maler vorgesetzt
ivird, spricht für die Ursprünglichkeit der In-
schrift, lveuugleich ich hierauf keinen besondereli
Werth legen will Einen solchen hat aber die
zweifache Abweichung von der Schreibart „Kelten-
ofen" im Bürgerbuch. Die Inschrift liest: Kellten-
ofer. Herrich wäre bei „Keltenofeu" geblieben;
der Fertiger der Altarinschrift hingegen macht
von der im Mittelalter gebräuchlichen Freiheit
in der Schreibweise der Namen Gebrauch. Die
termini technici „Tafel", „geschnitten", der Alls-
druck „Meister", die Schreibweise „Kellteuofer" sind
also Beweise für die Aechtheit und Ursprünglichkeit
der von Dursch veröffentlichten Altarinschrift.

Unterstützt wird die voll Dursch überlieferte
Inschrift durch das amtliche Verzeichnis; der
württembergischen Alterthniusdeukmale (1840),
welches Holzschuitzbilder vom Jahre 1480 im
Besitze des Zeichenlehrers Herrich anführt, Finauz-
rath Eser, der die Herrich'sche Sammlung 1842
besichtigte, ueiliit neben der Jahrzahl lioch den
Namen Friedrich Schranlm, deßgleicheu schon
vor ihm, gleichfalls ohne Ziveifel auf Grund der
Besichtigung an Ort und Stelle, Grüneisen nitb
Manch 1840. Es ist offenbar ein gewaltiger
Unterschied, ob Jemand, was auch heutzutage
noch vvrkommt, auf Grllnd von Stileigenthüm-
lichkeiten eine Sculptur oder ein Gemälde irgend
einem schon bekannten Meister zuschreibt oder
ob er, lvie Herrich, mit einem vvrher gänzlich
 
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