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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 14.1896

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Nr. 12
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Rueß, Bernhard: Der Kirchthurm und Klosterglocken zu Schussenried
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https://doi.org/10.11588/diglit.15913#0127

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111

fest 1628 (18. Juni) war der Wetterstrahl in
den Thurm gefahren und hatte seinen Weg beim
Uhrzeiger in der Kirche gegen ein beim Chor-
ausgang stehendes Marienbild genommen, das-
selbe aber nur ganz wenig versengt. Im Mo-
ment des Blitzschlages hatte beim Vespersingen
der Prior gerade den Hymnus intonirt; Abt
und Prior, tvie auch die anderen in den Chor-
stühlen stehenden Ordensmänner haben jedoch
keinen schwereren Schaden genommen, sie wurden
nur durch den Luftdruck und Dunst zu Boden
geworfen und betäubt. Den 13. August des
gleichen Jahres nachmittags zivischen ztvei und
drei Uhr schlug der Blitz wieder mit drei auf-
einanderfolgenden Schlügen in den Thurm. Ein
Strahl fuhr ans das Uhrtverk, schmolz viel Eisen,
lötete sogar Eisenteile aufeinander; er schuf sich
ivieder vom Uhrzeiger der Kirche aus eine Bahn
in den Chor, zertrümmerte viele Fensterscheiben,
schwärzte den Goldgrund am Kirchengeivölbe
mit) riß zahlreiche Löcher in die Mauerwand.
Menschenleben war keines zu beklagen; denn
der Glöckner hatte mit dein Wetterlänten schon
aufgehört und die Mönche waren nach
Vollendung des Seqnenzgesanges bereits Wieder-
aus dem Chor getreten. Die Kinderschar aber,
welche nach eben erst beendeter Christenlehre sich
noch im Langhaus anfhielt, kam mit dem bloßen
Schrecken davon?) Die hart mitgenommene
Thnrmnhr überließ Abt Matthäus den 5. Mai
1629 einem Lentkircher Uhrinacher znm repa-
riren. Der Meister mußte das Haupt- und
Viertelwerk für 110 fl. auf seine Kosten wieder-
herstellen. Weil auch die Thurmspitze bei der
Gewitterkatastrvphe schwer gelitten hatte, mußte
der Knopf, das Kreuz und die kleine Kuppel,
um sie zu renoviren, abgenvmmen werden. Die
neue Thurmbedeckung konnten die Kupferschmiede
erst den 30. Juni 1629 beendigen?)

Auch später litt der Thurm durch Wetterschläge:
So lvurde er den 21. August 1649 vom Blitz
getroffen. Die Kuppel sing Feuer, das übrigens
wieder rasch gelöscht wurde?) Im nämlichen
Sommer mitten in der Nacht vor denr St. Mag-
nnsfest (6. September) schlug es ivieder in den
Thurm. Der P. Großkeller Hartmann S tri gl,
welcher gleich nachher ben Thurm sorgfältig ab-
suchte, entdeckte in der Kuppel ein kleines bläu-
liches Feiler, das er erstickte?) Weil mair die
verursachten Schäden nur nothdürftig ansge-
bessert hatte, vereinbarte im Jahre 1655 Abt
Matthias Binder mit dem Meister Johamr
Kocher eine gründliche Nestauration des Thurmes.
Der Bauunternehmer hatte denselben in alletl
Theileir zu repariren und mit e i ch enen Schin-
deln zu decken, ivelche anzustreichen waren.
Als Belohnung iviirden ihm versprochen 130 fl.
und vier Malter Kernen, svtvie der Transport
des Bauholzes und der Sügblöcke?) Der er-
neuerte Thurm ist aber schon wieder den 31. Juli
1660 morgens 4 Uhr vom Blitz getroffen tvorden,

') Diarium Rorer. 1628/31. S. 122.
2) Diarium Rorer. S. 176 und 224.
s) Diarium Rorer. S. 84.

Diarium Rorer. S. 91.

5) Sch. Hschr. 3. Theil. S. 191.

während gerade zivei Koiiversbrüder zum Wetter
läuteten; der Thurm nahm einigen Schaden, die
Brüder aber blieben völlig unverletzt'). Das
hölzerne Thurmdach bewährte sich übrigens so
wenig, daß man schon am 17. Mai 1688
anfing, dasselbe wieder abzunehmen, tveil so-
wohl die Schindeln, als auch der Dachstuhl
faul und morsch geworden ivaren.2) Den
30. Dezember 1698 tobte nachts 3 Uhr ein
Orkan so furchtbar, daß das mehrere Zentner
schwere Thilrmkreilz stark verbogen lvurde?)

Trotz der Kriegsgefahren ließ endlich Abt Tiber-
Mangold im September 1702 den Thurm mit
Sturz blech deckeii. Glücklicheriveise tvurden
die Flaschner gerade noch mit ihrer Arbeit fertig,
ehe die feindlichen Soldaten in Schussenried ein-
zogen. Znm Decken der Kuppel ivaren 3140 Stücke
Blech a 6 kr. nöthig, ivas 314 sl. ansmachte.
Die beiden Klempnermeister erhielten liebst Speis
und Trank täglich 24 kr., ihr Geselle 20 kr. Sie
arbeiteten 58 Tage lang, so daß sie aii baarem
Geld 65 st. 44 kr. einnahmen. Das iieue Kirch-
thlirmdach kam also das Neichsstift auf 379 fl.
44 kr. zu steheii, ungerechnet das Essen und
Trinken der Handwerker?) Das Jahr 1720
sah wieder eine vollständige Thnrmrenovation:
Deii 15. Jiili begann man, vom Boden auf ein
Gerüste aufzuführen, toelches 60 fl. kostete; den
30. fing iiian mit dem Bestechen des Thurmes
an; den 1. August ivurden vier neue Uhrtafeln
aufgehängt, die auf beinahe 110 fl. zu stehen
kanien?) Anno 1743 im Juni war man ge-
zwungeu, die Holzbestandtheile im Innern der
Kuppel zu erneuern, außen ließ man die Kuppel
theilweise neu mit Blech decken und mit einem im
Feuer vergoldeten, 16 Simri Besen haltenden
Knopf und mit einem über sechs Zeiuner schivereii
Kreuz zieren. Flaschner Joseph Stallweiner aus
Weißenhorn, ivelcher das Sturzdach ausgebessert
hat, soll am Thurmkreuz emporgeklettert sein,
die Gesundheit des Prälaten und des ganzen
Konventes getrunken und danii das benützte
Trinkglas in den Garten hiirabgeivorfen haben,
ohne daß dasselbe zerbrach?) lim eine Tempe-
raturanomalie, unter ivelcher der Thurm zu
leiden hatte, nicht mit Stillschweigen zu über-
gehen, fügen wir an, daß den 21. Januar 1827
sich ein Geivitter erhob nird der Blitz den Stifts-
kirchenthurm traf, vhiie übrigens zu zünden?)
— In unserem Jahrhundert fand eine Thurin-
renovation statt anno 1840. Bei dieser Ge-
legenheit lvurde das Thurmkreuz und der Thnrm-
kuopf zum Ziveck der Instandsetzung zeitiveilig
abgenommen und bald darauf an den alten
Standort zurückgebracht. Im Knopf wurden
Kupfermünzen und ein Schriftstück hinterlegt.
Weil aber der Knopf defekt geivorden >var, zeigte
sich bei der jüngsten, im Sommer 1896 voll-
zogenen Kuppelausbesserung das reponirte Doku-
ment als vom eindringenden Negemvasser be- * 2 3 * 5 * 7

') Sch. Hschr. 3. Theil. S. 239.

2) Notamina F. Innocentii Fabri Sorethani.

3) Sch. Hschr. 3. Theil. S. 393.

Z Sch. Hschr. 3. Theil. S. 409.

5) Tagbiich des Abtes Didakns. S. 37.

°) Diarium Nothhelfer. S. 112.

7) Rnezsche Chronik.
 
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