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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 16.1898

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Nr. 7
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Rueß, Bernhard: Das neue Kloster von Schussenried, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15903#0075

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Gulden sich belaufende Ausgaben notirt. Ta
aber in dein Baukostenverzeichniß neben und unter
dem Aufwand für den Klosterneubau auch die
Kosten für das Rath- und Fischerhaus in Schussen-
ried und für Kirche, Meßnerhaus und Schmiede
in Muttensweiler ohne ganz genaue Specifizirung
eingetragen find, so müssen die zu so später Zeit
gemachten Ausgaben keineswegs nothwendig auf
Rechnung des Klosterneubaues gefetzt werden.
Vielmehr scheint uns der Termin der Einweihung
des Hauses den sichersten Anhaltspunkt für die
Bestinunung der Beendigung der Bauarbeiten zu
bieten, lieber die Weihe des neuen Klosters aber
berichtet der Hauschronist, daß ihm unmittelbar
vor dem Bezug des Hofgebäudes, nemlich um die
Mitte des Jahres 1757, von seinen Obern be-
fohlen worden sei, eine Privatbenediktion dieses
Westslügels vorzunehmen. Er hat diesen Auftrag
unter Beiziehung eines Meßners vollzogen. Dieser
Notiz über die Weihe des Hofgebäudes ist aber
auch die Nachricht über die feierliche Einweihung
des Gesa m m t Neubaues angefügt. Wir lesen
nemlich: „Die solenne Benediktion des g a n z e n
neuen Klosters ist von Abt Nikolaus Kloos im
Oktober 1763 vorgenommen worden." H Um nach
Bezug des neuen Klosters bequem ins Stifts-
gotteshaus zu gelangen, ließen die Ordensmänner
vom zweiten Stock des neuen Gastgebäudes (jetzige
Direktorswohnung) in die untere alte Abtei hin-
über (derzeitige katholische Pfarrwohnung) einen
hölzernen Verbindungsgang bauen. Die Errich-
tung dieses Ganges fällt auch in das Jahr 1763;
für die dazu nöthigen Latten, Bretter und sonstigen
Holztheile wurden 147 fl. 35 kr. aufgewendet. 2)
Das Jahr 1763 ist somit der Termin für die
Hausweihe, für den Bezug der neuen Abtei nebst
Konventsgebäude und für die Einstellung des
Klofterbaues. Das neue Kloster zu Schufsenried,
soweit es zur Ausführung gelangte, hat daher
«nicht 20, sondern) 12 Jahre Bauzeit beansprucht,
da es von 1751—1763 erstellt worden ist. Und
selbst während der paar Baujahre des 6. Decen-
niums wurde nicht mehr am Roh- und Außen-
bau, sondern blos noch am Jnnenbau, beziehungs-
weise an der Innenausstattung gearbeitet.

Wenn nun noch nach den Baukosten gefragt
wird, so kann nur eine beiläufige Berechnung ge-
boten werden. Wie zahlreiche Frohnfuhren, Ehren-
fahrten und Frohndienfte wurden geleistet, für
welche überhaupt keine Bezahlung stattfand! Aus
dem Jahre 1755 werden gegen 4000 Frohnfuhren
erwähnt, anno 1753, 54 und 57 je dritthalb
Tausend und darüber, dagegen in den Jahren
1758 bis 61 (inklusive) zählte man dieselben nur
noch nach Hunderten. Aus den beiden letzten
Baujahren ist an Gespannleistungen nichts mehr
notirt. An baarem Geld wurden in runder
Summe 150 000 fl. verausgabt. Nach neuzeit-
lichen Begriffen war die Bezahlung bei den ein-
zelnen Ausgabeposten ziemlich gering. Wenn wir
den gegenwärtigen Arbeits- und Geldpreis in's
Auge fassen, die rund 18 000 Frohnfuhren und
die zahlreichen Ehrenfahrten nach dem in der
Jetztzeit eventuell erforderlichen Geldaufwand be-

’) Hauschronik 3. Theil Seite 58.

2) BKV. Seite 65.

messen, dann glauben wir behaupten zu dürfen:
Heutzuta'ge würde das neue Kloster, so viel davon
wirklich erstellt worden ist, jedenfalls 11/2 Mil-
lionen Mark kosten. Und doch sind die zur Aus-
führung gelangten Parthieen desselben nach den
noch vorliegenden Plänen, welche auch eine neue
Klosterkirche, Oekonomiegebäude, Werkstätten,
Diener- und Beamtenwohnungen in sich begriffen,
nur etwa der fünfte Theil der projektirten Neu-
bauten. So würde der in Aussicht genommene
neue Klosterbau von Schufsenried nach modernen
Schätzungen in unserer Zeit einen Geldaufwand
von gegen acht Millionen verlangen. Wir brauchen
uns deßhalb nicht zu wundern, daß der überaus
weitausschauende Schuffenrieder Klosterneubauplan
größtentheils auf dein Papier stehen geblieben ist,
und daß die Mönche von Soreth wegen unzu-
reichender Geldmittel verhältnißmäßig bald davon
Abstand nahmen, die geniale, aber kostspielige
Idee des Baumeisters zur Verwirklichung zu
bringen.

6. Spätere Schicksale des Hauses.

Den Mönchen war nicht vergönnt, ihr neu-
erbautes Heim mehr als vier Jahrzehnte lang zu
bewohnen. Denn anno 1803 gieng der ganze
Schussenrieoer Klosterbefitz an das gräfliche Haus
Sternberg über. Den veränderten Verhältnissen
entsprechend wurde dem neuen Kloster sogar ein
anderer Name geschöpft; man nannte es neinlich
nach der Säkularisation „das neue Schloß". Dieje
Benennung verblieb dein Gebäude anch dann noch,
als die ehemalige Klofterherrschaft anno 1835
durch Kauf in das Eigenthum des Königreichs
Württemberg übergegangen war. Erst mit der
anno 1875 beendeten Einrichtung des Hauses zu
einer Unterkunftsstätte für Geisteskranke erhielt
es den Namen „K. Heil- und Pfleganftalt".

Nachdem das Gebäude den: Grafen v. Stern-
berg zugefallen war, bekam es den Charakter
einer Wohnkaserne. Es wurde das Logis für-
verschiedene höhere Beamte, für niedere Bedienstete
und auch für penfionirte ehemalige Ordensmänner.
Eine ähnliche Verwendung fand das neue Schloß
nach seinem Uebergang an den württembergischen
Staat: Den drei katholischen Pastorationsgeist-
lichen wurden ihre Amtswohnungen im früheren
neuen Gastgebäude angewiesen, weil sie infolge
Errichtung eines Hüttenwerkes den bei demselben
Angestellten in den dreißiger Jahren ihre minder-
werthigen Zimmer im alten Schloß hatten abtreten
müssen. Im neuen Schloß wohnten ferner der
Revierförster, der Amtsnotar, bis 1872 auch der
Kameralverwalter nebst anderen Bediensteten..
Einzelne Lokalitäten dienten der Eisenschmelze
Wilhelmshütte als Magazine. Ein Theil der
Kellerräume und anderer Gelaffe war an Bürger
des Fleckens vermiethet.

Während unter der gräflich sternbergschen Herr-
schaft das Gebäude in seinem noch aus der Kloster-
zeit herrührenden Bestände intakt gelassen worden
war, erfuhr es bald nach feinem Uebergang an
Württemberg eine beklagenswerthe Verkleinerung.
Als nemlich das Hüttenwerk nebst Hochofen erstellt
wurde, legte man, um mühelos Bausteine zu ge-
winnen, zwei Dritt-Theile des Ostflügels nieder.
Durch dieses thörichte, namentlich auch von König
| Wilhelm I. mißbilligte Gebühren ist leider das
 
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