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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 19.1901

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Nr. 7
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Schermann, Theodor: Die christliche Ostung, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15906#0058

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50

christliche Basiliken n a ch d e nt V o r b i l d e
der heidnischen forensischen Markthallen
erbaut worden seien.') Beide Theile
aber beriefen sich auf die UebereiKstimiu-
tmg des Namens mtb der äußeren Form
der Gebäulichkeiten.

Mit Recht wird dagegen geltend ge-
macht, daß bei jedem Religionswechsel die
siegende Religion die Heiligthümer der be-
siegtet! für sich in Besitz nimmt wie z. V.
die Christen die Moscheen der Mohain-
niedaner in Spanien (Doin von Cordova)?)
die Mohannnedaner die christlichen Kirchen
im östlichen Europa (Hagia Sophia zu
Konstantinopel); Christen die Tempel der
alten Griechen (Minerven und Thesens-
tempel in Athen)?) Es ist daher nicht
unwahrscheinlich, daß die Christen zur
Zeit Konstantins die leerstehenden römi-
sehen Tempel den christlichen Bedürfnissen
und dein christlichen Geiste angepaßt ha-
ben. Dies konnten sie aber nur insoweit,
als sie bei Belastung der äußeren Grund-
mauern sich im Innern einrichteten, d. h.
den Altar in der westlichen Hälfte der
Kirche aufstellten, geinäß damaliger Ge-
wohnheit, daß der Priester hinter dem
Altäre stehend gegen das Volk nach Osten
schaute.

Dein Grundrisse nach ist die ein-
fachste Art der Basiliken ein rechteckiges
Oblongnin ohne allen Ausbau?) Die
Seiten des Oblongums liegen so, daß
die breiten nach Nord und Süd, die
schmalen nach Ost und West gekehrt sind.
Das Innere dieses Oblongums ist von
Ost nach West durch Säulenreihen so ge-
theilt, daß ein Mittelschiff und Seiten-
schiffe entstehen?) Am westlichen Ende
des Mittelschiffes stand der Altar?)

C Dehio, die Genesis der christlichen Basilika.
München 1883. Letzterer Ansicht pflichtet auch bei
Alb. Kuhn, Allgem. Kunstgeschichte. 1897: Die
altchristliche Baukunst. S. 232. 10. Lies. — St.
Beissel, Bilder aus der Geschichte der altchrist-
licheu Kirche und Liturgie in Italien, sdrei-
burg 1898. S. 49.

2) Alb. Kuhn. S. 360. 12. Lies.

3) Aug. Chr. Ad. Zesterinauu, Die antiken
und christlichen Basiliken. Leipzig 1847.

4) Auch Achtecks»',ui kommt vor, z. B. an der
Kirche in Antiochien. Eusel>. vita Constant 1.
III. c. 50 (P. G. XX, II IOC.) iv öxToeÖQOV
Gvveozcöza Gyj^uaxL.

5) Alb. Kuhn. S. 281. 10. Lies.

st Voigt, de allar. vet. Christ. c. XIII. n 4.

Seit Kon st ci it t i u') Ivnrde int Grund-
riß der Kirche das Kreuz zur Grundlage der
Form geutacht und zugleich die Ostung
des Chores, welcher das Haupt Christi
darstellte, dnrchgeführt.

Um so auffallender dürfte eine Ab-
weichung von dieser Regel erscheinen an
einer Kirche, welche im Jahre 330 int
Aufträge Konstantins selbst erbaut wurde.
Die westliche Richtung der alten S t.
Peterskirchest hat nun schon die mei-
sten Erklärungsversuche hervorgerufen.
Dem Geiste des Christenthnms entsprechend,
welcher sicherlich einen tieferen Grund
für diese Erscheinung voraussetzen läßt,
hängt sie wohl mit der Persönlichkeit des
Heiligen zusammen, welchem die Kirche
geweiht war. Schon in Antiochien, der
Heimat der „Christen"?) soll ihm eine
Kirche erbaut worden sein, welche nach
Westen, nach Italien und Ront gerichtet
war als Zeichen, daß er in dieser Gegend
das Licht des Evangeliums habe erstrahlen
lassen, wie es bereits Malachias? vor-
aussagte: „Verherrlicht soll werden mein
Raine von Sonnenausgang bis Unter-
gang bei allen Völkern." Diese Er-
klärnngsweise legt Papst Leo I?) in einer
Anrede ztt Grintde, in welcher er einige
Christen tadelt, daß sie sich in Nachahm-
ung altheidnischer Gebräuche des Morgens
früh nach Sonnenaufgang wandten, iväh-
rend doch die Sonne der Gerechtigkeit
durch Petrus nach Westen verbreitet
wurde.

Außerhalb Roms, im Oriente, werden
uns von Eusebius zwei Kirchen beschrie-
ben, welche von Konstantin erbaut wur-
den : darunter eine achteckige Kirche zu
Antiochien?) welche nach dein Geschichts-
schreiber Sokrates? die Anlage nach
Westen habe und sich dadurch von den
anderen Kirchen Syriens unterscheide.
Oberflächlich geschildert wird von Eusebius

’) ixy./bjGicc GiavQon)]. Euseb. Vita
Constant. 1. I. c. 28 u 29 (P. G. XX 943 Bl.

'2) Grundriß derselben, s. Alb. Kuhn. S. 283.
10. Lief.

3) Apg. 11, 26.

4) Mat ach. I, 11.

b) serm. XXVII. n. 4 (P. L. LIV, 218 C).

st Euseb. Vita Constant. 1. III. c. 50(1110
C); de land. Constant. c. IX, 7 (XX, 1370 C).

7) Socrat. hist. eccl. I. V c. 22 (P. G.
LXVIII, 626 B).
 
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