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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

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Nr. 3
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Baur, Ludwig: Katholische Kirchenkunst und moderne Kunst, [3]
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Groner, Anton: Der Plan von Michel Angelos Medicigräbern, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0040
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und Zopfstils verfehlt, weil hier alles in
Schwingung und hastige Bewegung gerät,
weil häufig ein hohles Pathos zur Schau
getragen wird, dem der Fluch der inneren
Unwahrhaftigkeit anhaftet. — Damit ist
natürlich über den rein künstlerischen und
ästhetischen Wert oder über die kunst-
historische Bedeutung der einzelnen Werke
dieser Zeit kein Urteil gesprochen.

Ein damit verwandter Charakterzug
liegt in dem V e r z i ch t auf alles
Nebensächli ch e und Kleinliche im
Aufbau der Liturgie; die Betonung des
Wesentlichen, die Heraushebung eines all-
gemein Giltigen, einer religiösen Idee
aus einem Einzelfall der heiligen Geschichte:
es sei nur au die Redaktion der Oralio-
nen erinnert. — Aesthetisch gesprochen ist
es nicht das Lieblich-Zierliche, sondern
das Erhaben-Schöne, das Majestätisch-
Große, was in der Liturgie die Form
bestimmt. Es ist sachlich allein das in-
nerlich Wertvolle, das hier berücksichtigt
wird. Das muß auch die Sl i r ch e u k n n st
jeglicher Gattung anstreben. Darin liegt
— gewiß nicht in Form eines kleinlichen
Normallehrplans, sondern in Form eines
dehnbaren Regulativs, auch ein Wegweiser
für dieselbe.

Endlich hängt damit ein weiteres Er-
fordernis zusammen, das besonders in
der Architekturaulage wirksam ist: die
Symmetrie. Karl Scheffler sagt dar-
über zutreffend: „Die Bedürfnisse gottes-
dienstlicher Handlungen sind von vorn-
herein ganz geistiger Art. Und darum
schaffen sie stets den symmetrischen Grund-
riß. . . . Ist die llnregelmäßigkeit das
charakteristische Abzeichen der Profau-
bauten, so ist Regelmäßigkeit das der
Sakralbauleui Die feierlichen Handlungen
bedürfen zur eindrucksvollen Bildwirkung
der Symmetrie uuv Harmonie in sich
selbst und in ihrem Architekturrahmeu.
So wird schon in diesem Punkte der
Ritus zum Künstler." Z

3. Ritt dem bisher Gesagten verbindet
sich leicht noch ein dritter Punkt, der be-

') Moderne Baukunst, Berlin 1907, S. 86.
— Die weiteren Ausführungen, welche diesen
Einfluß nun auch geschichtlich aufweisen sollen,
sind bei Scheffler freilich gänzlich verunglückt. Sie
verraten eine durchaus ungenügende Kenntnis der
Geschichte der Liturgie.

sagt: „Es ist ein Huterschied anzn-
erkennen zwischen kirchlicher und
religiöser Kunst." Selbstverständlich
muß die kirchliche Kunst stets religiös sein.
Aber liicht jede religiöse Kunst ist Kirchen-
kunst. Es gibt auch eine religiöse Kunst
für die Familie, in der Schule, zu privater
Erbauung, in Hauskapellen u. s. f. Wir
haben allen Grund, auch diese mit Ernst
und Nachdruck zu pflegen. Es ist nun aber
auch ohne weiteres klar, daß in dieser
letzteren der Stimmung, der persönlichen
individuellen Auffassung, der psychologi-
schen Seite der religiösen Kunst ein weit
größerer Spielraum gewährt werden muß,
als im erstereu Fall. — Hier ist die
religiöse Kunst durchaus befugt, auch das
Moment der religiösen Lyiik, des religiösen
Empfindens, der Stimmung, ja selbst des
religiösen Genre zu betonen und in ge-
eigneter Weise zur Darstellung jit bringen. *)

Der plan von Michel Angeles
Medicigräbern.

Von Dr. Anton Grone r.
(Fortsetzung.)

Figur 2 zeigt über einem mächtigen
Sarkophag in der Mitle eine einfach um-
rahmle Nische. Figur 1 enthält zwischen
zwei Liseneu und einem attikaartigen Auf-
satz eine Nische und darin konturiert
die Sitzstatue eines segnenden Papstes;
darunter ist nicht auf einem hohen
Sockel ein s ch in u ck l o s e r Sarko-
phag will eigentü m l i ch h erbe n
architektonischen Formen, son-
dern eine A r t Konsole n w a u d -
tisch, ein La v am an i, gezeichnet.
Der Statneunische entsprechend, ist rechts
eine durch einen Segmeutbogeu abgedeckte
Nische in den Konturen skizziert, >o daß
das Ganze aussieht wie ein aufgeklappter
Diplychoualtar.

Wo haben wir dieses eigeulümliche
Kunstwerk unterzubringen? Die Mediei-
kapelle ist quadratisch angelegt. Die beiden
mittleren Viertel der beiveu Seitenwäude
und der Rückwand waren für die Grab-
mäler bestimm!; die äußeren (also an beit

>) Weitere Ausführungen über das Thema
„Katholische Kirchenkuust und moderne Kunü"
werden erst in späteren Nummern erscheinen
I können. L. B.
 
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