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den Unkeuschen Enthaltsamkeit, den Gei-
zigen Freigebigkeit, den Zornigen Sanft-
mut , den Stolzen Demut anbefahl."
Der hl. Gregor kennt also in seiner geist-
lichen Apotheke nur die allopathischen
Mittel, während St. Augustin auch die
homöopathische Heilniethobe Christus an-
wenden läßt.
Ans der Patristik wandert die Idee
non dem heilenden Erlöser und der Heil-
kraft seiner Tugenden und Gnadenmittel
in die Scholastik und wird dort, na-
mentlich im Anschluß an die Parabel
vom barmherzigen Samaritan und deren
Anwendung ans die durch die Erbsünde
verwundete Menschheit, spekulativ be-
gründet und noch weiter ausgesponnen. Z
Und nicht minder wird diese allegonsche
Auffassung von der Mystik angeeignet.
Bis in die entlegensten Winkel wirb das
Bilb vom Arzt und den Heilmitteln der
christlichen Religion verfolgt; die Exzesse
derartiger allegorischer Spielereien mögen
es gewesen sein, die zum Spottnamen
der „Apoth'ekertheologie" Veranlassung ge-
geben haben, die heute noch in homileti-
schen und aszetischen Extravaganzen ihren
Niederschlag finden.
Als einer aus Tausenden führe uns
der hl. Bernh ard in Theorie und
Praxis der Mystik ein, deren Son-
dergut so recht eigentlich die in Rede
stehende Allegorie geworden i]'ta): Christus,
der himmlische Arzt, die sittlichen Schä-
den und Schwächen der Menschheit und
der einzelnen Menschenseele, die Diag-
nose all dieser Gebrechen und deren
Heilung, Gesundheit der Seele und des
Leibes, Arznei für Wunden der Seele
und des Leibes und all die übrigen vom
profan - medizinischen Gebiet auf das reli-
giös - sittliche Leben übertragenen Begriffe
und Worte gehören sozusagen zur Do-
mäne der christlichen Aszese und
Mystik und der von ihr inspirierten un-
ermeßlichen Literatur älterer und neuerer
Zeit. (Schluß folgt.)
') Vgl. Schanz, Snkramentenlehre S. 201.
2) Vgl. das neueste große Werk von I. Nies,
Das geistlicheLeben in seinen Entwicklungs-
stufen nach der Lehre des hl. Bern h a r d.
Quellenmäßig dargestellt. Freibnrg 1007.
Die Kapelle (jetzige Pfarrkirche) zur
schönen Maria auf dem chotzeu-
rechberg.
Von Theodor Schon.
(Schluß.)
D e b l e r nieldet weiter in seiner Chronik:
1775. „Dieses Jahr ist der Kirchenthurm
auf dem Hohen - Rechberg zu Nacht durch
einen Welterstrahl ausgebrandt und nach-
geheuds um ein Stockwerk abgetragen
worden." Dieses geschah im Sommer.
Doch wurde der Kirchenturm wieder her-
gestellt und sogar noch höher gebaut und
für seine Zwecke besser ausgestatlet, wozu
Freiherr Maxiiniliau 4 Glocken stiftete?)
Das Gotteshaus wurde in den Jahren
1785—1799 mehrfach durch den Sturm
beschädigt?)
Aus dem Jahre 1791 besitzt man eine
Schilderung der Kirche °): „Die Kirche
und der Thurm, wie auch die Pfarr-
wohnnng sind ganz von Steinen erbaut.
Die erstere hat von innen an den Seilen
und der Decke viel Slukkador-Arbeit und
einige in dieser Alt dargestellle Figuren
sind auffallend charakteristisch. Schon seit
mehr als 600 Jahren ist hier eine be-
rühmte Wallfahrt und noch steigen jähr-
lich viel tausende, andächtige Pilgrimme
einzeln und in Prozession auf diese Höhe,
um aus ihr Gott anznbelen. Das Wall-
fahrts-Bild ist eine Mutter Gottes, die
schon über 1000 Jahre alt sein soll: sie
scheint mir aber für den kolossalischen
Geschmack des Mittel-Alters viel zu klein.
Eine Menge Krükkeu und Holzfignren von
geheilten Gebrechlichen hängen an den
Wänden der Kirche umher und noch iveit
mehr sollen hier ansgeschafft ivorden sein,
um den neuen Platz zu machen. Sehr
viel Ansehen hat daher dieses Wunder-
bild bei de»l katholischen Volke in der
Gegend, und noch in diesem Jahr (1791)
sind andächtige Büßer die steilsten Höhen
des Berges auf den bloßen Knieen hinaus,
herunter und wieder hinaus geklettert,
ohne die fürchterlich schmerzhaften Ver-
') Oberamtsbeschreibung Gmünd, S. 405,
411; Schwabenland 2. 68.
2) Gräfl. Rechberg. Archiv in Dvnzdorf, Kasten
XVI, Fach XV, Dir. 128.
j ch In der Schwab. Ehronik 17!N, Nr. 30,
Nr. 91.
den Unkeuschen Enthaltsamkeit, den Gei-
zigen Freigebigkeit, den Zornigen Sanft-
mut , den Stolzen Demut anbefahl."
Der hl. Gregor kennt also in seiner geist-
lichen Apotheke nur die allopathischen
Mittel, während St. Augustin auch die
homöopathische Heilniethobe Christus an-
wenden läßt.
Ans der Patristik wandert die Idee
non dem heilenden Erlöser und der Heil-
kraft seiner Tugenden und Gnadenmittel
in die Scholastik und wird dort, na-
mentlich im Anschluß an die Parabel
vom barmherzigen Samaritan und deren
Anwendung ans die durch die Erbsünde
verwundete Menschheit, spekulativ be-
gründet und noch weiter ausgesponnen. Z
Und nicht minder wird diese allegonsche
Auffassung von der Mystik angeeignet.
Bis in die entlegensten Winkel wirb das
Bilb vom Arzt und den Heilmitteln der
christlichen Religion verfolgt; die Exzesse
derartiger allegorischer Spielereien mögen
es gewesen sein, die zum Spottnamen
der „Apoth'ekertheologie" Veranlassung ge-
geben haben, die heute noch in homileti-
schen und aszetischen Extravaganzen ihren
Niederschlag finden.
Als einer aus Tausenden führe uns
der hl. Bernh ard in Theorie und
Praxis der Mystik ein, deren Son-
dergut so recht eigentlich die in Rede
stehende Allegorie geworden i]'ta): Christus,
der himmlische Arzt, die sittlichen Schä-
den und Schwächen der Menschheit und
der einzelnen Menschenseele, die Diag-
nose all dieser Gebrechen und deren
Heilung, Gesundheit der Seele und des
Leibes, Arznei für Wunden der Seele
und des Leibes und all die übrigen vom
profan - medizinischen Gebiet auf das reli-
giös - sittliche Leben übertragenen Begriffe
und Worte gehören sozusagen zur Do-
mäne der christlichen Aszese und
Mystik und der von ihr inspirierten un-
ermeßlichen Literatur älterer und neuerer
Zeit. (Schluß folgt.)
') Vgl. Schanz, Snkramentenlehre S. 201.
2) Vgl. das neueste große Werk von I. Nies,
Das geistlicheLeben in seinen Entwicklungs-
stufen nach der Lehre des hl. Bern h a r d.
Quellenmäßig dargestellt. Freibnrg 1007.
Die Kapelle (jetzige Pfarrkirche) zur
schönen Maria auf dem chotzeu-
rechberg.
Von Theodor Schon.
(Schluß.)
D e b l e r nieldet weiter in seiner Chronik:
1775. „Dieses Jahr ist der Kirchenthurm
auf dem Hohen - Rechberg zu Nacht durch
einen Welterstrahl ausgebrandt und nach-
geheuds um ein Stockwerk abgetragen
worden." Dieses geschah im Sommer.
Doch wurde der Kirchenturm wieder her-
gestellt und sogar noch höher gebaut und
für seine Zwecke besser ausgestatlet, wozu
Freiherr Maxiiniliau 4 Glocken stiftete?)
Das Gotteshaus wurde in den Jahren
1785—1799 mehrfach durch den Sturm
beschädigt?)
Aus dem Jahre 1791 besitzt man eine
Schilderung der Kirche °): „Die Kirche
und der Thurm, wie auch die Pfarr-
wohnnng sind ganz von Steinen erbaut.
Die erstere hat von innen an den Seilen
und der Decke viel Slukkador-Arbeit und
einige in dieser Alt dargestellle Figuren
sind auffallend charakteristisch. Schon seit
mehr als 600 Jahren ist hier eine be-
rühmte Wallfahrt und noch steigen jähr-
lich viel tausende, andächtige Pilgrimme
einzeln und in Prozession auf diese Höhe,
um aus ihr Gott anznbelen. Das Wall-
fahrts-Bild ist eine Mutter Gottes, die
schon über 1000 Jahre alt sein soll: sie
scheint mir aber für den kolossalischen
Geschmack des Mittel-Alters viel zu klein.
Eine Menge Krükkeu und Holzfignren von
geheilten Gebrechlichen hängen an den
Wänden der Kirche umher und noch iveit
mehr sollen hier ansgeschafft ivorden sein,
um den neuen Platz zu machen. Sehr
viel Ansehen hat daher dieses Wunder-
bild bei de»l katholischen Volke in der
Gegend, und noch in diesem Jahr (1791)
sind andächtige Büßer die steilsten Höhen
des Berges auf den bloßen Knieen hinaus,
herunter und wieder hinaus geklettert,
ohne die fürchterlich schmerzhaften Ver-
') Oberamtsbeschreibung Gmünd, S. 405,
411; Schwabenland 2. 68.
2) Gräfl. Rechberg. Archiv in Dvnzdorf, Kasten
XVI, Fach XV, Dir. 128.
j ch In der Schwab. Ehronik 17!N, Nr. 30,
Nr. 91.