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Der Affenspiegel: satyrische Wochenschrift — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.48272#0011
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5

Das Opfer.
Deine Glieder umschlingen
Mich marmorschwer,
Da schweigt der Gedanken
Nachtirrendes Heer.
Du schürst in der Seele
Die heilige Glut
Gen Dummheit und Lüge
Scheinheilige Brut!
O, laß sie doch geifern
Und schmähen und schrei'n,
Die Dhmisäer —
Mir lachen darein!
Mir trinken und trinken,
Bis die Seele erlischt,
Aus stammendem Becher
Den tosenden Gischt.
Gs zucken die Glieder
Im roten Talar, —
Wir opfern der Sünde
Am Schönheitsaltar.
Lugen Stangen.


Moderne Eheschließung.
Drama aus dem Leben, geschr. v. Robert Heymann.
Personen: Er, Sie und der Standesbeamte.
Ort: Standesamt.
Zeit: Neuzeit.
I. Act.
(Er und Sic sitzen auf gepolsterten Sesseln vor dem Standesbeamten).
Standesbeamter (putzt seine Brille): Sie wollen sich
verheiraten?
Er und Sie (gleichzeitig): Ja!
Standesbeamter (feierlich): Wissen Sie das auch gewiß?
Er und Sie (verwundert): Jawohl — —
Standesbeamter (die Brauen runzelnd): Können Sie
diese Ihre Absicht beweisen?
E r und Sie: ? — ? —
Standesbeamter: Mir scheint, Sie haben von den
Grundbedingungen zn einer Eheschließung keine Ahnung! Haben

Sie Papiere, in denen Ihnen amtlich beglaubigt wird, daß Sie
die Absicht haben, sich zu verheiraten?
Er (gedehnt): Nein — —
Standesbeamter (ärgerlich): Dann können wir nicht
beginnen. Lassen Sic sich ihre Absicht erst polizeilich stempeln,
dann kommen Sie wieder.
Er und Sic (kopfschüttelnd ab.)
II. Act.
(8 Tage später.)
(Er und Sie sitzen auf gepolsterten Sesseln vor dem Standesbeamten).
Standesbeamter (strenge): Sie wollen heiraten?
Er und Sie (gleichzeitig): Jaaaa.
Standesbeamter (lauernd): Haben Sie jetzt die amtliche
Beglaubigung ihrer Absicht?
Er und Sie (eifrig): Jawohl!
Standesbeamter (schneuzt sich): Lassen Sie sehen —
(Liest) — Hm! Gnt! — Sie haben alsv thatsüchlich die
Absicht zu heiraten! — Hm! — Sind Sie mich gesund? '
E r und Sie:?— ?
Standesbeamter (ungeduldig): Ich meine, ob Sic ein
ärztliches Zeugnis erbringen können, daß Sic geistig normal sind!
Er und Sie (kopfschüttelnd): Jawoooohl — —
Standesbeamter (ausstehend): Gut. Dann bringen Sic
mir dieses Zeugnis, und lassen Sie sich amtlich bestätigen, daß
Ihre Urgroßeltern väterlicher- und mütterlicherseits bei Bewußtsein
gestorben sind!
Er und Sie (baff): Aber warum — —
Standesbeamter (wütend): Zum Teufel! Wenn Sie
die Absicht haben, zu heiraten, dann müssen Sie doch zum Mindesten
beweisen, daß Sic geistig normal sind! Adjcu!
Er und Sie (gebrochen ab.)
HI Act
(4 Wochen später.)
(Er und Sie stehen vor dem Standesbeamten.)
Standesbeamter (ein Ange znzwickend): Ah — Sic
wollen heiraten?
Er nud Sie (zögernd): Jaaaa — —
Standesbeamter (hochmütig): Haben Sie die Be-
glaubigung ihr geistigen Normalität?
Er und Sie (durcheinander): Ja! Hier ist der Urgroß-
vater, hier die Urgroßmutter. Sie haben noch im letzten Augen-
blicke gewußt, daß sie bald sterben müßten — -
Standesbeamter (höflich): So/ so! — Sind Sie
geboren?
Er (lachend): Selbstverständlich!
Standesbeamter (zornig): Das ist nicht selbstverständlich !
Haben Sie es amtlich beglaubigt?
E r (vertrauensvoll): Gewiß! (Übergiebt das Gcburtszeugnis.)
Standesbeamter (lesend): Hm! — Gut. — Wer hat
Sie geboren?
E r (zögernd): Meine Mutter!
Standesbeamter (mißtrauisch): Haben Sie das
beglaubigt?
E r (gedehnt): Nein — — —
Standesbeamter (stampft mit dem Fuße): Ja', wie
soll ich Sie denn da trauen?! (Zur Braut gewendet): Hatten
Sie schon Kinder?
Sie (Errötet, wird blaß und bricht in Schluchzen aus).
 
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