Seite 2. „Der Affcnspiegcl". Heft 2.
Lin Vorschlag
zur Güte.
atssekretär Freiherr von Thiele-
mann hat der Reichstags-
kommissivn erklärt, daß sich
im nächsten Etatsjahr in der
Reichskasse ein Defizit von
mindestens 70 bis 80 Millionen Mark ergeben werde — —
Warnm angesichts dieser Kleinigkeit die Sozialdemokraten
so wettern, ist doch wirklich unbegreiflich. 70 Millionen -
du lieber Gott, was ist den« das für Deutschland! Ein
Land, das so reich ist an Stenergesetzen, Gerichtsvollziehern.
Rentämtern und dummen Bauern, die sich mit Vergnügen
ausrauben lasse», ein Land, das so opferungsfähige Jnnker
und eine so hilfsbereite Klerjsei besitzt, die beide mit
bewunderungswürdigem Heroismus immer wieder Stenern
für den dritten Stand bewilligen, kann doch wirklich mit
Leichtigkeit 70 Millionen aufbringen! Deutschland erklärt
einfach Krieg, vielleicht dem Emir von Hinderistavan, marschiert,
schlägt, siegt und annektiert 'einige tausend Milliarden
und das Defizit ist gedeckt! Allerdings lässt sich Deutschland
nicht gerne dazu herbei, da Äekäuntlich der innere und äußere
Friede der Hauptzweck der deutschen Politik ist; deshalb geht
es auch immer zick-zack-zick-zack! weil die armen Politiker sich
durch das ganze Labyrint friedendienlicher Strömungen
hindurcharbeilM müssen, wobe^ sie zwar reichlich mit Steuern,
aber leider immer ohne Steller arbeiten. Daß der Frieden
Geld kostet, ist fine alte Geschichte; aber es ist doch etwas
Schönes um dei? lieben Frieden, den die bösen Vaterlands-
losen fortgesetzt 'stören. So wollten sie damals — 's ist
knapp ein Jahr — absolut keine Schiffe bewilligen! Es ist
aber doch klar, daß, wenn wir keine Schiffe haben, wir .auch
keine Matrosen halten können. Und Matrosen muß ein
anständiges Land doch zum Mindesten haben. Außerdem
müssen wir doch mich unsere Kolonien schützen! — Was?
Wir brauchen keine Kolonien? -- Zum Teufel, was fangen
wir denn dann mit unserer Kolonialarmee an? Und um den
Tropenkoller würden wir auch ärmer werden! Und tvir
müssen doch auch schwarze Uuterthaneu haben! D. h. ich
meine, um Mißverständnissen vorzubengen, ungeschorene
Schwarze, die keine Weiberröcke tragen, wenngleich die deutsche
Soldateska die schwarzen Bestien nicht lange ungeschoren
läßt, von wegen der Civilisation! Es ist eine schöne Sache
um die Civilisation! Nein, wirklich! Man denke nur mal
jetzt an die Kulturarbeit in Ostasien. Herrgott ! Was leistet
Deutschland in China Alles! Wer hätte die Erfolge erwartet!
Wie viele da wohl mit Zöpfen zurückkommen werden! Unsere
deutsche Zopfsammlung wird eine eminente Bereicherung
erfahren! Und die Sozis sagen, wir brauchen keine Soldaten?
Und wer hält denn dann die Wacht am — 1. Mai? He?
Und was sangen wir denn mit all den prächtigen Bajonetten
an, wenn niemand mehr da ist, der die Bratspieße zu führen
versteht?
Sicherlich ist das große Defizit nur durch unsere
friedlichen Rüstungen zu Wasser und zu Lande entstanden.
Ich will das keineswegs bestreiten; aber als guter Patriot
bin ich auch mit ebenso guten Vorschlägen bei der Hand.
Ich habe ein Mittel ansgedacht, wie man das 70 Millionen-
defizit am Vortheilhaftcsten wieder deckt. Selbstverständlich
kann das nur in Form von Steuern geschehen — formell
gesagt, natürlich. Deutschland muß neue Steuern ausschreibeu.
Für's Volk? Nein, diesmal eben nicht. Ich meine, man
soll gewisse Luxnsgegenstände versteuern! Aha, ihr seid
begierig! Also erst mal, meine ich, sollen gewisse Prozesse —
du verstehst mich, deutsches Publikum? — mit Steuern
belegt werden. Praktisch natürlich die, welche die Prozesse
theoretisch herbeiführen. Wenn man z. B. pro Monat sechs
so Prozesse rechnet, was sicherlich nicht zu hoch gegriffen ist,
so ergeben sich, pro Prozeß cklWO Mark Abgaben gerechnet,
6000 Mark monatlich! Reingewinn natürlich.
Ferner schlage ich vor, alle Weiber zu versteuern —
d. h., Pardon! — alle exotischen. Vielleicht mit zehn Prozent.
Zn tief gegriffen? Also greifen wir höher — fünfzehn Prozent.
Es kommt e^en ans die Qualität und Rare an. Ich gebe
gerne zu, daßl die Edelsten aller Edlen lange Gesichter machen
werden; aber wir lassen ihnen ja das Vergnügen; nur das
l§eld wollen wir haben für edle Zwecke. Aachen, Köln und
München werden vielleicht im Handel brach gelegt und werden
ihr Renomee als Großstädte verlieren; allein im Interesse
des Vaterlandes darf man Partienlarbestrebungen nicht
berücksichtigen.
Dann meine ich, sollen die Kinder versteuert werden,
und zwar iu Form vou —.ich lehne mich hier an alt-
hergebrachte Sitten au — in Form von Staatsbürgerexistenz-
beglaubigungs- und -berechtignngsuachweispapieren. Fein,
was? Pro Kopf zehn Mark. Das allein deckt das Defizit.
Sie meinen, es gäbe keine Kinder mehr? I wo! Elementar-
gewalt! Sie verstehen! — —
Dann denke ich, versteuert man den Preußischen Kohl;
obgleich in allen deutschen Landen viel Kohl gemacht wird,
repräsentirt sich doch Preußen als die Hauptstätte für spezifisch
preußischen sowohl als auch internationalen Kohl. Der
Einfuhr preußischen Kohls soll stark gesteuert werden —
das wird die Einnahmen der Bundesstaaten vermehren und
ihre politische Gesundheit heben. Denn Preußen kohlt in
letzter Zeit wirklich schon zu viel!
Zuletzt bin ich der Meinung, daß wir eine Haupt-
einnahme erzielen können, wenn wir öffentliche Reden ver-
Lin Vorschlag
zur Güte.
atssekretär Freiherr von Thiele-
mann hat der Reichstags-
kommissivn erklärt, daß sich
im nächsten Etatsjahr in der
Reichskasse ein Defizit von
mindestens 70 bis 80 Millionen Mark ergeben werde — —
Warnm angesichts dieser Kleinigkeit die Sozialdemokraten
so wettern, ist doch wirklich unbegreiflich. 70 Millionen -
du lieber Gott, was ist den« das für Deutschland! Ein
Land, das so reich ist an Stenergesetzen, Gerichtsvollziehern.
Rentämtern und dummen Bauern, die sich mit Vergnügen
ausrauben lasse», ein Land, das so opferungsfähige Jnnker
und eine so hilfsbereite Klerjsei besitzt, die beide mit
bewunderungswürdigem Heroismus immer wieder Stenern
für den dritten Stand bewilligen, kann doch wirklich mit
Leichtigkeit 70 Millionen aufbringen! Deutschland erklärt
einfach Krieg, vielleicht dem Emir von Hinderistavan, marschiert,
schlägt, siegt und annektiert 'einige tausend Milliarden
und das Defizit ist gedeckt! Allerdings lässt sich Deutschland
nicht gerne dazu herbei, da Äekäuntlich der innere und äußere
Friede der Hauptzweck der deutschen Politik ist; deshalb geht
es auch immer zick-zack-zick-zack! weil die armen Politiker sich
durch das ganze Labyrint friedendienlicher Strömungen
hindurcharbeilM müssen, wobe^ sie zwar reichlich mit Steuern,
aber leider immer ohne Steller arbeiten. Daß der Frieden
Geld kostet, ist fine alte Geschichte; aber es ist doch etwas
Schönes um dei? lieben Frieden, den die bösen Vaterlands-
losen fortgesetzt 'stören. So wollten sie damals — 's ist
knapp ein Jahr — absolut keine Schiffe bewilligen! Es ist
aber doch klar, daß, wenn wir keine Schiffe haben, wir .auch
keine Matrosen halten können. Und Matrosen muß ein
anständiges Land doch zum Mindesten haben. Außerdem
müssen wir doch mich unsere Kolonien schützen! — Was?
Wir brauchen keine Kolonien? -- Zum Teufel, was fangen
wir denn dann mit unserer Kolonialarmee an? Und um den
Tropenkoller würden wir auch ärmer werden! Und tvir
müssen doch auch schwarze Uuterthaneu haben! D. h. ich
meine, um Mißverständnissen vorzubengen, ungeschorene
Schwarze, die keine Weiberröcke tragen, wenngleich die deutsche
Soldateska die schwarzen Bestien nicht lange ungeschoren
läßt, von wegen der Civilisation! Es ist eine schöne Sache
um die Civilisation! Nein, wirklich! Man denke nur mal
jetzt an die Kulturarbeit in Ostasien. Herrgott ! Was leistet
Deutschland in China Alles! Wer hätte die Erfolge erwartet!
Wie viele da wohl mit Zöpfen zurückkommen werden! Unsere
deutsche Zopfsammlung wird eine eminente Bereicherung
erfahren! Und die Sozis sagen, wir brauchen keine Soldaten?
Und wer hält denn dann die Wacht am — 1. Mai? He?
Und was sangen wir denn mit all den prächtigen Bajonetten
an, wenn niemand mehr da ist, der die Bratspieße zu führen
versteht?
Sicherlich ist das große Defizit nur durch unsere
friedlichen Rüstungen zu Wasser und zu Lande entstanden.
Ich will das keineswegs bestreiten; aber als guter Patriot
bin ich auch mit ebenso guten Vorschlägen bei der Hand.
Ich habe ein Mittel ansgedacht, wie man das 70 Millionen-
defizit am Vortheilhaftcsten wieder deckt. Selbstverständlich
kann das nur in Form von Steuern geschehen — formell
gesagt, natürlich. Deutschland muß neue Steuern ausschreibeu.
Für's Volk? Nein, diesmal eben nicht. Ich meine, man
soll gewisse Luxnsgegenstände versteuern! Aha, ihr seid
begierig! Also erst mal, meine ich, sollen gewisse Prozesse —
du verstehst mich, deutsches Publikum? — mit Steuern
belegt werden. Praktisch natürlich die, welche die Prozesse
theoretisch herbeiführen. Wenn man z. B. pro Monat sechs
so Prozesse rechnet, was sicherlich nicht zu hoch gegriffen ist,
so ergeben sich, pro Prozeß cklWO Mark Abgaben gerechnet,
6000 Mark monatlich! Reingewinn natürlich.
Ferner schlage ich vor, alle Weiber zu versteuern —
d. h., Pardon! — alle exotischen. Vielleicht mit zehn Prozent.
Zn tief gegriffen? Also greifen wir höher — fünfzehn Prozent.
Es kommt e^en ans die Qualität und Rare an. Ich gebe
gerne zu, daßl die Edelsten aller Edlen lange Gesichter machen
werden; aber wir lassen ihnen ja das Vergnügen; nur das
l§eld wollen wir haben für edle Zwecke. Aachen, Köln und
München werden vielleicht im Handel brach gelegt und werden
ihr Renomee als Großstädte verlieren; allein im Interesse
des Vaterlandes darf man Partienlarbestrebungen nicht
berücksichtigen.
Dann meine ich, sollen die Kinder versteuert werden,
und zwar iu Form vou —.ich lehne mich hier an alt-
hergebrachte Sitten au — in Form von Staatsbürgerexistenz-
beglaubigungs- und -berechtignngsuachweispapieren. Fein,
was? Pro Kopf zehn Mark. Das allein deckt das Defizit.
Sie meinen, es gäbe keine Kinder mehr? I wo! Elementar-
gewalt! Sie verstehen! — —
Dann denke ich, versteuert man den Preußischen Kohl;
obgleich in allen deutschen Landen viel Kohl gemacht wird,
repräsentirt sich doch Preußen als die Hauptstätte für spezifisch
preußischen sowohl als auch internationalen Kohl. Der
Einfuhr preußischen Kohls soll stark gesteuert werden —
das wird die Einnahmen der Bundesstaaten vermehren und
ihre politische Gesundheit heben. Denn Preußen kohlt in
letzter Zeit wirklich schon zu viel!
Zuletzt bin ich der Meinung, daß wir eine Haupt-
einnahme erzielen können, wenn wir öffentliche Reden ver-