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Der Affenspiegel: satyrische Wochenschrift — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.48272#0020
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Seite.6.

„Der Slffenspiegel".

Heft 2.

Sehnsucht.
Ich Mächte wohl Flügel haben,
Zu fliegen zum weißen Akonö.
Ich möchte die Sterne durchwandern,
N)o meine Sehnsucht wohnt.
Und wenn auf dem schönsten Gestirne
Ich sie gefunden hält',
Dann würd' ich galant sie begrüßen
Und ginge mit ihr zu Bett.
Wäschermädel.
Meine Mutter war ein Wäfchermüdel,
Mein Vater ein Vagabund,
Sie gingen an der Not des Lebens
Und an der Liebe zu Grund.
Und ich bin auch ein Wäfchermüdel
Und eine Verschwenderin,
Versuche Vaters und Mutters Erbe
Mit Lachen und leichtem Sinn.

Da ist ein großer Sack voll Liebe,
Ein Herz voll Frohsinn und Freud',
Und viel, viel Leichtsinn und Schelmenstreiche
Und zwei Augen voll Schlechtigkeit.
Das teil' ich aus mit vollen Händen,
Greif' immer nur in den Sack,
Nehm' eine Handvoll und schenke dem Nächsten
Liebe einen ganzen Pack.
Und ist in dem Sacke nichts mehr zu sinden,
So färb' ich die Haare mir grau,
Fülle die Taschen mit Reue und Thränen
Und werde Klosterfrau.
Doch jetzt bin ich ein Wäfchermüdel,
Wer Schneid' hat, küß' mir den Mund!
Ich glaube, ich fürchte, au all meiner Liebe
Geht all mein Leben zu gründ-


^>tädtestudien.
München.
Ich will die Schilderung der Münchener Sehenswürdigkeiten
fortsetzen und mich in einigen Zeilen mit dem Ballet der Münchener
Oper beschäftigen. Das Ballet ist eine Altertumssammlung, die
von Lndwig I. angelegt und von den nachfolgenden Königen fort-
gesetzt ergänzt wurde. Es befinden sich in der Sammlung einige
wunderbare Exemplare, von denen man kein Alter mehr weiß;
doch wird angenommen, daß sie unter dem Könige Rhamses I.
von Ägypten Haremsdamen waren, weil inan an alten Basen
und Grabdenkmälern Figuren mit kurzen Röcken und dünnen
Beinen gefunden, die den Genannten ausfallend gleichen. Das
Münchener Ballet hat die Aufgabe, die hiesigen Gummigeschäfte
zu erhalten und die Kavaliere der Hauptstadt durch graziöse Neger-
tänze zu unterhalten und ihre Bauchnerven angenehm zu reizen;
letzteres geschieht durch kreiselmäßiges Drehen der Busen und schling-
pflanzenähnliche Verrenkungen der Beine, deren etliche merkwürdiger-
weise gar nicht wattiert find. Die Herrschaften (das sind in dem
Falle die, welche zusehen) sitzen in den Logen. Die Ehemänner
halten die Operngläser vor die Augen und zittern mit den Händen,
die Frauen bedecken, von holdem Schamgefühl übermannt, die
Augen und lassen sich von dem hinter ihnen stehenden Galan in
das Mieder sehen. Es haben also alle Opcrnbesncher schöne Aus-

sichten, nicht minder die Balletdamen, die nach vollendeter Vor-
stellung an Stelle der Ehefrauen treten. Die Ehedamen (natürlich
mit Ausnahmen) gehen mit dein Hausfreund zu Bette, die Ballet-
damen mit dem Ehemann zum Souper. —
Der Häuptling des Ballets sowie der Oper ist ein Intendant,
den man sofort am Namen Possart erkennt. Derselbe hat mehrere
Orden bekommen — leider Lin ich nicht in der Lage mitzuteilen,
wofür —, vielleicht weiß es der Intendant selbst nicht. Es ist
wenig über ihn zu sagen, was für die Öffentlichkeit paßt, höchstens,
daß er ein sehr charmanter Herr und, wenn ich nicht irre, eine
Exzellenz ist, was in München viel besagen will - —
Eine weitere Sehenswürdigkeit in München ist das Gemeinde-
kollegium. Die Mitglieder dieser originellen Vereinigung sind durch-
schnittlich alle ebenso interessant wie der Name, ihre Reden nicht
minder lang als die Bezeichnung Genieindebevollinächtigtcnkollegium.
Sie sorgen, wie so viele Collegia, für das Wohl der Gemeinde,
und essen gut und trinken gut, aus daß sie ihren „Schafen"
(bildlich gemeint), recht lange erhalten bleiben.
Nicht fehlen darf in der Reihe der Münchener sehenswerten
Buden der Justizpalast. Er ist mit dem Gelbe des Volkes er-
baut, und selbstverständlich auch mit dem Gelde des Volkes verpfuscht —
wenigstens sagen Nörgler so, an die sich die guten Patrioten und
schbegierigen Ausländer nicht zu kehren brauchen. Der Jnstizpalast
dient zur Rechtssprechung und ist, um den armen Sündern noch
schnell vor ihrer Verurteilung eine Gnade angedeiheu zu lassen,
mit allem Comfort der Neuzeit ansgestattet worden. Uniformirte
 
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