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Der Affenspiegel: satyrische Wochenschrift — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.48272#0036
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Der Mordversuch irn Königs Schloß
oder
Die Folgen einer königlichen Entbindung.

Wir haben in der vorigen Nnmmer des „Affenspiegel" einige
Auszüge aus einer alten Königschronik gebracht, die seit vielen Jahr-
hunderten von guten Mönchen geführt wird, weshalb man sie auch cdroni^us
8canc1u1eu86 nennt; der kgl. Zureiter, eine in dieser unserer Königs-
familie sehr wichtige und folgenreiche Persönlichkeit — er kommt im
Range gleich nach dem Minister für innere Geschäfte und hat für den kgl.
Familienzuwachs zu sorgen — sendet uns nun auf gründ gewisser preß-
gesetzlicher Paragraphen, die man selbst in so märchenhaften Königs-
häusern kennt, folgende Berichtigung:
„Es ist nicht wahr, daß die Königin aus dem alten Geschlechte der
Dragonermaschinen ein Wnnderknäblein geboren hat; das ist unmöglich,
weil — doch das geht Sie ja nichts an. Ich weiß es aber.
Es ist unwahr, daß das Wnnderknäblein „Mama" geschrien hätte.
Die Kinder meiner allergnüdigsten Frau Königin sagen nicht „Mama",
sondern „M3, mörs", was Ihre Lüge am besten an den Pranger zu
stellen geeignet ist. Nicht einer von allen 29 Prinzen hat je anders gesagt.
Es ist nicht wahr, daß das hohe Wnnderknäblein gesagt hätte, es
kenne seinen Papa nicht. Ich und die Frau Königin sowie alle 29
Prinzen haben alle die Papas gekannt, und Sie dürfen ja nicht glauben,
daß wir ein schlechtes Gedächtnis besitzen!
Es ist ferner nicht wahr, daß der berühmte Leibschneidearzt, der
allerdings mehrere Stunden incognito bei der Frau Königin weilte, weil
sie an Schlaflosigkeit litt, den blauen Kalbsorden erhalten Hütte. Das
ist unser erster Orden, und ein solches Kalb ist der Leibschueidearzt
denn doch nicht, daß er den Orden verdient hätte. Er hat lediglich
den blauen Recordorden erhalten, und zwar aus ausdrücklichen Wunsch
unserer Frau Königin, die noch stets mit ihm zufrieden gewesen ist.
Es ist fernerhin nicht wahr, daß wir noch immer auf die Nachge-
burt warten. Die Frau Königin kann keine Nachgeburt haben, weil
sie keine Vorgeburt hatte, und ich verwarne hiemit die Redaktion des
„Affenspiegel" nachdrücklichst, immer ihre Nase in die kgl. Geburten zu
stecken, da wir gegen eine solche Profanierung das Nächstemal klagbar
beim Gewerbegericht vorgehen werden!
Achtnngsvollst
Schufterle, Zureiter".
Soweit die Berichtigung, der wir hier selbstverständlich Raum
geben. Nachdem wir aber die alte Chronik weiterhin durchgesehen,
fanden wir, daß die nicht stattgefundene Entbindung doch nicht ohne
Folgen blieb, und wir wollen die Fortsetzung der hochtragischen Ge-
schichte unfern Lesern nicht vorenthalten:
Die märchenhafte Königin war über die Verwechslung ihrer Ge-
burtso.bjM derart erschütjert, daß sie in Weinkräinvie verfiel und eine
echter königlicher Thränen weinte, die in der königlichen Schatz-
kammer einbalsamiert aufbewahrt sind. Als sie zu sich kam, sandte der
König alle Hofleibürzte sowie Leibhebedamen aus dem Cabiuet, und
die beiden Gemahle blieben allein.
„Was soll ich nun thun?" frug die Königin beschämt ihren könig-
lichen Gatten.
Der König machte ein entsetzliches Gesicht. Er schlug auf den
Tisch und donnerte, daß die kgl. Leibschüssel entsetzt davonlief:
„Du hast mich belogen!"
„Aber, mein süßer Ehegemahl" schluchzte die Königin, „wieso
denn?"
„Du wolltest mir einen Erben schenken!"
„Aber ich kann doch nichts dafür" antwortete die Königin, „daß
die Geschichte nicht geklappt hat. Ich habe Alles gethan, was ich thun
konnte, um Dir einen Erben zu verschaffen!"
„Ich weiß" lächelte der König demüthig, „ich weiß, daß Du Dich
oft meinetwegen geopfert hast — allein — Du weißt, das Volk ist un-
ruhig — man spricht von Revolution — und — und — eine Revo-
lution wenn sie machen, werde ich krank. Du weißt, das kann ich
nicht vertragen."
„Gieb ihnen doch Kartäschen zu schlucken" meinte hoheitsvoll
die Königin.
„Aber die können sie ja nicht vertragen!" jammerte der König.
„Sie sollen sterben" antwortete dumpf die Königin. „Alle — nur
nicht meine Leiblakaien."

„Aber wenn sie Alle tot sind" schrie verzweifelt der König, „über
wen soll ich denn dann regieren ? Wer wird meine Heldenthaten ' Witz-
blättern verewigen? Wer wird mir die Pantoffeln anziehenst Wer
wird . . . ?" —„Ja, Du hast recht," meinte bedenklich die Königin! „Ein
Volk muß man schließlich haben, wenn man König ist. Weißt D? was,
halte das Volk hin und wir fangen von vorne an." (,
„Ich verstehe nicht" — f
„Ich meine" sagte die Königin, „vertröste die Massen nochnnmal
9 Monate. Ich bin ja bereit, Tag und Nacht für Dich zu arMten."
„Oh, Du bist ein Engel" sagte der König. Aber es geht absoln nicht.
Sie werden nicht abstehen".
„Und daun bin ich wohl gar nicht mehr Königin ?" schrie 'entsetzt
die kgl. Frau. „Und mein Himmelbett und die guten Dannen
„Bekommt Deine Nachfolgerin."
„Und meine Nachthemden?"
„Auch!"
„Nein! Du mußt König bleiben um jeden Preis" sagte resolut
die Königin. „Lieber sterben als nicht Königin fein."
„Halt" rief der König. „Ich habe eine Idee. Stirb!"
Die Königin erbleichte. <
„Wie macht man das?"
Der König kratzte sich verlegen hinter den Ohren.
„Ja, das weiß ich eigentlich auch nicht. Aber ich werde meinen
Adjutanten fragen."
Der König klingelte. Gleich darauf erschien der Adjutant.
„Sagen Sie" meinte der König, „wie macht man das, wem man
sterben will?"
„Man schießt sich tot" lautete die Antwort.
„Hm. Gut, sehr gut. Womit?"
„Mit einer Pistole, mein König."
,,Hm," meinte der König, seinen Gürtel musternd. „Ich habe
keine bei mir. Kannst Du mir eine geben?"
„Nein, o König. Meine ist beim Putzen!"
„So suche eine."
Der Adjutant verschwand.
Nach langer Zeit kam er wieder.
„Thut es weh?" frug die Königin. 4
„Oh nein" antwortete der Adjutant. „Sie können sich rul'g tot-
schießen, o Königin, denn das Ding geht nicht los."
„Also" sprach der König, während der Adjutant davoneilZ, um
aller Welt zu verkünden, daß die Königin einen SelbstmordverE ver-
sViHv" „k'Lsv, mcitt Tvcl'ü, lcv tuuiht. Laß L-"-- '/ zum''-ccD-.r^v
küssen, edle Märtyrerin, in einer andern Welt sehen wir uns w . >er!"
Lange weinte der König am Busen der Königin und wäre last
eingeschlafen, hätte ihn nicht der Lärm des Volkes aufgeschreckt, das
überall die Telegramme las, die besagten, daß die Königin sich morden
wolle, und daß man doch gar nicht wisse, ob nicht doch ein Thronerbe
in ihr stecke, der dann auch draufginge.
„Nein, das dulden wir nicht" schrie das brave Volk und stürmte
den Palast.
Der König fiel in Ohnmacht, die Adjutanten schrieen nach Wasser,
die Diener liefen um Eis, die Hofleibärzte rannten um Salmiakgeist,
uud das Volk schrie: „Heil dein Köni g."
Endlich erwachte dieser, und, die Situation erfassend, lief er seinem
Volke voraus in das Leibkabinet.
Eben drückte die Königin die Pistole ab, als der König, mutig,
wie er immer war, hinzuspraug, ihr den Revolver entriß uud fie dem
Volke zeigte.
Dieses war gerührt. Unter den ewigen Versicherungen seiner
Treue entfernten sich die braven Unterthaneu und ließen das königliche
Paar allein.
„Das war ein Schrecken" nickten sie sich beide zu.
„Aber nun gehen wir nach Franzensbad zur Erholung" sagte der
König und küßte die Königin.
Mehr weiß die Chronik noch nicht, weshalb wir hier den Vor-
hang fallen lassen. O. U..



Sagen Sie mal, mein Herr, weshalb sind hier
überall Polizisten ausgestellt?
Sa, wissen Sie, da wird eben wahrscheinlick der
Aaiser oder ein Anarchist erwartet.

M IVIeerfafii-t. W

(Mn Volkslied.)

Ls 8vgclt ein 8cbitf üurcb üa8 weite IVIeer
lick-rack—rick—rack-rick rack.
Am 8teuer eteiit ein kleiner IVIsnn,
llcr Allee, nur niclit eteuern kann —
lick—rack—rick rack—rick rack.
Vie Wogen 8cblag«n wotil über ä»8 lleck
lick rack rick rack rick—rack,
vülowcbcn 8kgelt bslkl bin, bslä der
Unst läekolt unci epuokt gnsriiw in ll»8 IVIeer
rick rack rick rack rick rack.
^8 wankt äer ^Ia8t unll beugt 8icb tief
lick rack -rick rack rick rack.
llurcb'8 8pracbrobr brüllt cler 81euerjung:
„All rigbt, iok trag' üie Verantwortung" —
rick rack —rick -rack—rick —rack.

Alf Agir bält 8iob vor t.seken üen vaucb —
lick rack—rick rack—rick—rack.
voll sie ü»8 8cbiffebon fubr ane I_ancl,
va bst K8 eieb riebtig feetgerannt.
rick—rack-rick—rack—rick rack.
va batte ck»8 8cbitf ein t.ocb gekriegt —
lick—rack rick rack—rick —rack.
ver 8teuermann mscbte ein ciummee veeicbt:
,Min, gr»886 lUecbe mag icb nicbt!"
rick rack rick—rack—rick—rack.
Vie ssiecbe freuten 8iek auf clen 8cbmsu8 —
rick rack—rick—rack—rick—rack.
8ie fr»88on clen kleinen 8teuermsnn auf,
Unll 8pieen 8icb grünülicb gleicb cksrsuf —
rick rack-rick rack—rick- rack.

Kin Attentat.

P r i v n t t e l e g r a m m des „AffeusPiegel".
König Dickchen von Englund ist wieder einmal in Lebensgefahr geschwebte Ein revolutionärer
Mustbaum hatte es ans das Leben des edlen Potentaten abgesehen und hätte unfehlbar seinen schänd-
lichen Zweck erreicht, wenn der König nicht in bekannter Geistesgegenwart davvngelauseu wäre. Wie
man hört, sind sofort nach dem Vorfall alle Waschanstalten Englands von dem traurigen Ereignis in
Kenntnis gesetzt worden. Sio konnten jedoch die „That" — nämlich des Königs nicht ungeschehen
machen.
Der Attentäter Mastbaum ist zum Tode durchs Feuer verurteilt.
 
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