Scheitel krönt. Auf das Geheimniß sich stützend, im Buche der Überlieferungen forschend, trachtet sie rastlos nach
vorwärts. Tiber ihre dienstbaren Geister und Geisterchen, wir nennens die Vertreter der einzelnen Spezialfächer, sie
treiben's zuweilen weniger ruhig, friedlich und gelassen. Große Rinder mit mächtigen Brillengläsern, Luftschlösser-
architekten mit bunten Schmetterlingsflügeln, sitzen sie über dem mannigfachsten Apparat, brütend, streitend, beweisend,
widerlegend und behaglich lächelnd; froh, wenn sie Regenwürmer finden, wie der Dichter sagt, am allerfrohsten jedoch,
wenn es ihnen, wie dem einen Fachmann da, gelingt, mit dem Brennspisgel des eigenen Scharfsinnes dem geschätzten
Eollegen den brennenden Strahl auf eine Blöße zu senden, daß es ihn juckt und sticht. Die alte ägyptische Sphinx
sieht das von der Seite an und schmunzelt dazu. Der Vogel Minerva's, die Hieroglxphenrolls und der Lorbeerkranz
erklären sich von selbst. Ob der Künstler den Hrisdensbogen in Bezug auf dis segensreiche Kraft der hehren Göttin
— also ernsthaft, oder auf die beliebten Zänkereien ihrer Auguren humoristisch gemeint Habs, lassen wir seinem Be-
kenntniß anheimgestellt. — In denselben Techniken stellt auf Tafel 49 O- Koeüer in Düsseldorf drei der wissen-
schaftlichen Fakultäten, — Medizin, Philosophie und Theologie, — vor. Erstere mit dem Aeseulapftabe bringt in
der Schale des Heilstranks zugleich den Lebensfunken, Philosophie betrachtet das Ende der Dinge, Theologie wendet
den Blick vom todten geschriebenen Wort zum Strahle überirdischer Erleuchtung. — Die Juristerei, Tafel 50, auto-
txpirte Tuschzeichnung von A. Langijannner in München, will nur zum Theile Allegorie fein. Anderseits ist das
Blatt Porträt, Eharakterstudie und auch ein bischen Satxre. An der Wand des Gerichtssaales prangt freilich in
allegorischer Fracht Hrau Themis auf die von einem Engel gehaltene Gesetzestafel zeigend, die schwankende wage
emporhaltend, und ertheilt dein Rachsengel Befehl zur Exekution. Das nimmt sich in der Allegorie groß und poetisch
aus, in praxi aber erscheint das Orakel der Göttin in Gestalt eines Erlasses vom so und sovielten, Zahl so und
soviel, hinweisend auf Paragraph so und so. Und Paragraph so und so ist dem Männlein mit dem Nackenzopf der
Höchsts Begriff, vor dem er demüthig den Gerückenscheitel entblößt. Die Ausfertigung des Befehles wird durch diesen
h. Michael auch in seiner Art ausfallen. Der zopfige Bilderrahmen, der Haarbeutel und das mittelalterliche Erucifix
sind auch nicht üble Accente zur Gesammtidee. — Noch eine Reihe Blätter beschäftigt sich mit der Repräsentation
der einzelnen Wissens- und Forschungsgebiete. Medizin, Philosophie und Theologie nochmals, jedoch diesmal die beiden
letzteren nicht in figuraler Darstellung, sondern bloß durch charakteristische Embleme in decorativem Arrangement, hat
auf dem 5tz Blatt Otta Seitz in München in autotxpirter, resp. zinkographischer Tuschzeichnung entworfen. —
von NudolpA Seitz daselbst finden wir Geologie und Zoologie (Tafel 52) nach getuschter Federzeichnung in Zinko-
graphie. Die Manier ahmt den kräftigen Eontourholzschnitt mit wenigen Kreuzlagen und Schraffirungen im Geiste
deutscher Schule des ch. Jahrhunderts gelungen nach, wie ihn Jost Amman etwa oder Jost Dannecksr übten.
Ganz im Gegensatz solcher j)ersonifizirung der Wissensfächer in Gestalt deutscher Humanisten der Renaissance, die
da wie ein Eonrad Geßner oder Hieronxmus Bock in ihren Armstühlen thronen, führt uns Mineralogie und
Botanik derselbe vielseitig gewandte Zeichner als cokette Mägdlein der Rococcozeit, leichtgeschürzt, mit Stumps-
näschen und in förmlichen Ballettstellungen vor (Tasel 53, getuschte Federzeichnungen, Klicotxpisch reproduzirt). Die
Umrahmung ist entsprechend im charakteristischen Roccaille- und Muschelwerkstxle gehalten, was bei der Mineralogie
zu sehr sinniger Anwendung von Tropfsteinen, Ammonshörnern u. dergl. Gelegenheit bot. — Einem Gelgemälde von
E. Ulimt in Wien, welches hier in Lichtdruck nachgebildet erscheint, entstammen die auf der 54. Tafel folgenden
edlen Hrauengestalten von Astronomie und Geographie, wie Himmel und Erde — ihre Domänen — zeigen sich
die Göttinnen als Gegensätze. Schwarzhaarig gleich der Nacht, stolz vom dunkeln Schleier umwallt, der ihre Schön-
heit nur halb enthüllt, späht Astronomie nach den funkelnden Lichtern der Höhe; milde, blumengeschmückt das blonde
Haar, freundliche wie dis gabenreiche, nährende Erde zeichnet Geographie auf ihrem Globus. Geistreich ist auch der
Zug, daß jene die Blicke empor-, diese niederschlägt. — Ebenfalls im Lichtdruck nach einem Gelgemälde, — und zwar
von der Hand Germann Mulüach'F in München, — ist Tafel 55 die Weltgeschichte dargestellt. Der Künstler
dachte sie als ernstes, gedankenvolles Weib, das in königlichem Brocatkleide, lorbeergekrönt mit ihrem Buche über die
Erdkugel hinschreitet. Ihren Mantelsaum bilden in endloser Reihe die Wappen all der zahllosen Reiche und Länder,