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deren Schicksal sie ausgezeichnet hat. Um die Kniee aber schlingt sich ein Wolkenschleier, denn, so lange ihr Ach
hinweg eilt über einen Theil der Erde, birgt das Antlitz der Göttin, dis da das Weltgericht hecht, für die Zeitgenossen
noch der Nebel. Die beiden Zierleisten sind nach Federzeichnungen von Hf. Stuck in München hergestellt. — Wieder
anders hat auf Tafel 55 a letztgenannter Künstler das Thema Geschichte in seiner Stiftzeichnung aufgefaßt, welche
in zinkographischem Doppeldruck wiedergegeben wurde. Historia wandelt mit Griffel und Schreibtafel spähenden Ant-
litzes einher. Was sich ihrem Auge und ihren: Griffel immer und immer wieder, in ewig neuem Wechsel darbietet,
das sind zwei Gewalten einander feindlicher Art. Sie schaut den jugendholden Genius des schaffens, des Fortschrittes
und der Livilisation, der die Saline der Weisheit und den Lorbeer des Ruhmes trägt. Sein hehres Werk ist die
stolze Säulenhalle des antiken Baues, in dessen Räumen die Göttin sich selber heimisch fühlt. Aber an der Marmor-
schwelle sitzt auch der finstere Dämon der Zerstörung mit den Fledermausfittichen, mit dem Mordschwert, der Brand-
fackel und dem Todtenschädel. — Die Mythologie hat M. Pirner in Wien in der autotypisch rsproduzirten Tusch-
zeichnung der 56. Tafel allegorisch geschildert, indem sich der Künstler dabei auf die Basis der wissenschaftlichen
Erklärung stützt, welche den Schlüssel zur Frage nach der Entstehung des polytheistischen Glaubens giebt. Die über-
große Mehrheit von göttlichen Wesen bei allen Völkern nahm ihren Ursprung theils aus dem Gestirndienste, daher
der Thierkreis als Hintergrund des Bildes, theils aus der tellurischen Welt, den Elementen, welche dis vier Gestalten
um die stehende Mittelfigur andeuten. Diese selbst ist die Seherin, die weihevoll begeisterte Menschenseele, welche
Himmel und Erde, Gestirn- und Elementenkreis belebt sieht von überirdischen Kräften, die ihre dichterische Phantasie
endlich zu Göttern gestaltet. Der von oben kommende Luftgeist mit dem Bündel der Sonnenpfeile Apollos raunt der
Pythia solche Kunde zu, zu ihren Füßen ruhen der Feusrgeist der Unterwelt, die königliche Erde und das fischschwänzige
Weib des feuchten Elementes. — In reichdecorativer Umrahmung zeigen zwei folgende Rundbilder die Kriegs- und
Handelswissenschaft. Die Originale dieser Holzschnitte der Tafel 56a sind Tuschzeichnungen von T. OehrtF in
Düsseldorf. Der Zeichner hat die schlanke Schlachtenjungfrau und die behäbige, wohlgenährte Tochter Mercurs
gut charakterisirt und mit leichtverständlichen Sinnbildern ihrer Erfindungen, Geräthe und Apparate, sowie ihrer so
verschiedenartigen Erfolge ausgestattet. — Die drei Hilfswissenschaften der Geschichtsforschung, Heraldik, Genealogie
und Sphragistik, vereinigt als ein liebliches Kleeblatt die 57. Tafel in einer zinkographirten Federzeichnung von
E. Daepler d. M. in Berlin. Töchter des Mittelalters kleidet sie das schmucke altdeutsche Gewand, das bei der
Wappenjungfrau noch mit königlicher Krone und Hermelin ausgezeichnet ist. So hält sie den gekrönten Spangenhelm
mit stolzem Kleinod-Zimier und den deutschen Tartschenschild auf den Knieen, während Genealogie einen Stammbaum
zeigt und Schwester Siegelkunde eifrig das Wachs auf Urkunden drückt. Den richtigen Hintergrund zu der lieblichen
Gruppe bildet Nürnberg, die Stätte alter deutscher Herrlichkeit, wo Dürer wirkte, in dessen Stil die Tompofition
gehalten ist, und Hans Sibmacher, der fleißige Wappenzeichner. Die Basis des Ganzen bildet der aufgesprungene
Granatapfel, das alte Symbol der Fruchtbarkeit, des Reichthums und Ueberfiusses, an seinen Stämmen hängen die
Schilde der Künstlerschaft und das ihres großen Heroen, Albrecht Dürers.
So leitet uns das schöne Blatt von den Wissensgebieten auf diejenigen der Künste glücklich über. Ehe sie
einzeln an unserm Blicke vorüberschreiten, soll zunächst (Tafel 58) das ornamental gehaltene Tableau A. SchiltF in
Düsseldorf, die allgemeinen Factoren, welche das Gedeihen und Werden des Kunstwerks bedingen, betrachtet werden.
(Zinkographie nach getuschter Federzeichnung.) Die reine edle Form soll in unverhüllter Schöne wie die schaum-
geborene Anadyomene ans Licht treten. Das göttliche Ahnen des Künstlers, Viviv^rio, auf dem beschwingten Fabel-
wesen aufsteigend, ausgerüstet mit dem Saitenspiel der Poesie, bemächtigt sich der zündenden Fackel reiner Erkenntniß,
welche die schöne Form darbietet. Aber einseitig wäre die bloße Begeisterung, das Ideenhafte allein. Echte Kunst
muß mit der Wirklichkeit auf gutem Fuße stehen, mit dem edlen Idealismus soll gesunde Sinnlichkeit Hand in Hand
gehen, darum schleppe der derbe bacchantische Kentaur nur immer sein strotzendes Amaltheahorn mit allem Köstlichen,
was die schöne Erde bietet, es ist willkommenes Material dem bildenden Meister. Auf solcher Grundlage erblühen
sie dann freudig, die Künste, deren Genien wir unten an der Arbeit sehen, und ihre schönste Aufgabe, der Mittelpunkt,
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deren Schicksal sie ausgezeichnet hat. Um die Kniee aber schlingt sich ein Wolkenschleier, denn, so lange ihr Ach
hinweg eilt über einen Theil der Erde, birgt das Antlitz der Göttin, dis da das Weltgericht hecht, für die Zeitgenossen
noch der Nebel. Die beiden Zierleisten sind nach Federzeichnungen von Hf. Stuck in München hergestellt. — Wieder
anders hat auf Tafel 55 a letztgenannter Künstler das Thema Geschichte in seiner Stiftzeichnung aufgefaßt, welche
in zinkographischem Doppeldruck wiedergegeben wurde. Historia wandelt mit Griffel und Schreibtafel spähenden Ant-
litzes einher. Was sich ihrem Auge und ihren: Griffel immer und immer wieder, in ewig neuem Wechsel darbietet,
das sind zwei Gewalten einander feindlicher Art. Sie schaut den jugendholden Genius des schaffens, des Fortschrittes
und der Livilisation, der die Saline der Weisheit und den Lorbeer des Ruhmes trägt. Sein hehres Werk ist die
stolze Säulenhalle des antiken Baues, in dessen Räumen die Göttin sich selber heimisch fühlt. Aber an der Marmor-
schwelle sitzt auch der finstere Dämon der Zerstörung mit den Fledermausfittichen, mit dem Mordschwert, der Brand-
fackel und dem Todtenschädel. — Die Mythologie hat M. Pirner in Wien in der autotypisch rsproduzirten Tusch-
zeichnung der 56. Tafel allegorisch geschildert, indem sich der Künstler dabei auf die Basis der wissenschaftlichen
Erklärung stützt, welche den Schlüssel zur Frage nach der Entstehung des polytheistischen Glaubens giebt. Die über-
große Mehrheit von göttlichen Wesen bei allen Völkern nahm ihren Ursprung theils aus dem Gestirndienste, daher
der Thierkreis als Hintergrund des Bildes, theils aus der tellurischen Welt, den Elementen, welche dis vier Gestalten
um die stehende Mittelfigur andeuten. Diese selbst ist die Seherin, die weihevoll begeisterte Menschenseele, welche
Himmel und Erde, Gestirn- und Elementenkreis belebt sieht von überirdischen Kräften, die ihre dichterische Phantasie
endlich zu Göttern gestaltet. Der von oben kommende Luftgeist mit dem Bündel der Sonnenpfeile Apollos raunt der
Pythia solche Kunde zu, zu ihren Füßen ruhen der Feusrgeist der Unterwelt, die königliche Erde und das fischschwänzige
Weib des feuchten Elementes. — In reichdecorativer Umrahmung zeigen zwei folgende Rundbilder die Kriegs- und
Handelswissenschaft. Die Originale dieser Holzschnitte der Tafel 56a sind Tuschzeichnungen von T. OehrtF in
Düsseldorf. Der Zeichner hat die schlanke Schlachtenjungfrau und die behäbige, wohlgenährte Tochter Mercurs
gut charakterisirt und mit leichtverständlichen Sinnbildern ihrer Erfindungen, Geräthe und Apparate, sowie ihrer so
verschiedenartigen Erfolge ausgestattet. — Die drei Hilfswissenschaften der Geschichtsforschung, Heraldik, Genealogie
und Sphragistik, vereinigt als ein liebliches Kleeblatt die 57. Tafel in einer zinkographirten Federzeichnung von
E. Daepler d. M. in Berlin. Töchter des Mittelalters kleidet sie das schmucke altdeutsche Gewand, das bei der
Wappenjungfrau noch mit königlicher Krone und Hermelin ausgezeichnet ist. So hält sie den gekrönten Spangenhelm
mit stolzem Kleinod-Zimier und den deutschen Tartschenschild auf den Knieen, während Genealogie einen Stammbaum
zeigt und Schwester Siegelkunde eifrig das Wachs auf Urkunden drückt. Den richtigen Hintergrund zu der lieblichen
Gruppe bildet Nürnberg, die Stätte alter deutscher Herrlichkeit, wo Dürer wirkte, in dessen Stil die Tompofition
gehalten ist, und Hans Sibmacher, der fleißige Wappenzeichner. Die Basis des Ganzen bildet der aufgesprungene
Granatapfel, das alte Symbol der Fruchtbarkeit, des Reichthums und Ueberfiusses, an seinen Stämmen hängen die
Schilde der Künstlerschaft und das ihres großen Heroen, Albrecht Dürers.
So leitet uns das schöne Blatt von den Wissensgebieten auf diejenigen der Künste glücklich über. Ehe sie
einzeln an unserm Blicke vorüberschreiten, soll zunächst (Tafel 58) das ornamental gehaltene Tableau A. SchiltF in
Düsseldorf, die allgemeinen Factoren, welche das Gedeihen und Werden des Kunstwerks bedingen, betrachtet werden.
(Zinkographie nach getuschter Federzeichnung.) Die reine edle Form soll in unverhüllter Schöne wie die schaum-
geborene Anadyomene ans Licht treten. Das göttliche Ahnen des Künstlers, Viviv^rio, auf dem beschwingten Fabel-
wesen aufsteigend, ausgerüstet mit dem Saitenspiel der Poesie, bemächtigt sich der zündenden Fackel reiner Erkenntniß,
welche die schöne Form darbietet. Aber einseitig wäre die bloße Begeisterung, das Ideenhafte allein. Echte Kunst
muß mit der Wirklichkeit auf gutem Fuße stehen, mit dem edlen Idealismus soll gesunde Sinnlichkeit Hand in Hand
gehen, darum schleppe der derbe bacchantische Kentaur nur immer sein strotzendes Amaltheahorn mit allem Köstlichen,
was die schöne Erde bietet, es ist willkommenes Material dem bildenden Meister. Auf solcher Grundlage erblühen
sie dann freudig, die Künste, deren Genien wir unten an der Arbeit sehen, und ihre schönste Aufgabe, der Mittelpunkt,
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