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Allgemeine Literaturzeitung: Supplemente zur allgemeinen Literatur-Zeitung — 1785 (1787)

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Supplemente zur Allgemeinen Literatur-Zeitung vom Jahre 1785 - Dritte und letzte Lieferung
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Numero 61
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https://doi.org/10.11588/diglit.47940#0259
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243

ZUR A. L. Z. 1785·

wenn man sie so schlecht verficht; daher nennt auch
ein Mann von Verstand ein gewißes Buch, welches
die Wahrheit der christlichen Religion beweisen
soll: N. contra Chrißum. Z. B. einen von
den Beweisen des D. S. (S. 161.) „Der gesunde
Menschenverstand miifste, ohne Glaube an eine
göttliche Offenbarung, nur zu oft überfchrieen,
übertäubt und unbrauchbar gemacht werden. “
Wahrlich! man weiss nicht, wie man lieh bey ei-
nem solchen Ausspruch nehmen soll. Rec. hat
mit vielen Andern immer gedacht, der blinde
Glaube übertäubt etc. den Verband. Und doch
sagt der Ä'erf. an einem andern Ort: „Es gibt
Leute, die nur von Glauben reden. — Man muss
dieErkenntnissquellen nicht trennen.“ Sind solche
schöne Stellen, wie letztre, vielleicht nur da, um den
andern Eingang zu verschassen , und dem Verfasser
eine Zussucht in der Noth zu geben? Ferner:
(ibid.) „Die Speculation der Vernunft stösst auf
unergründliche 'Liefen: die Offenbarung führt uns
in dpr-Ferne vorbey. “ — Ein wichtiger Dienst,·
den sie uns da leillet! das kann derLeichtsinn und
dieUnwissenheit auch. — Die Art, wie der Vf. die
Ungläubigen, S. 173 ff. abweiset, ist musterhaft.
Dann folgen sechszehn Fragen, an einen Natura·
lißen, den Metaplujßk und überspannte Begriffe
von der Göttlichkeit der Schrist dazu gemacht ha-
ben·, zum Theil nicht allzugeschickt, besonsters
No. 4, 5, 9· ‘— c) Der allgemeine Menfchenfinn-,
die dritte Erkenntnissquelle. Darunter rechnet
der Verf. das moralische Gefühl, das Schönheits-
gefühl , die gesunde Vernunft und das phvsiogno-
mische Gefühl, welches bey gewißen Äußerlichkei-
ten gewiße Innerlichkeiten vermuihet und erwartet.
Dieser allgemeine Menschensinn, welcher ( i85.)
keine causas decidendi deutlich angibt, und doch
ein unresormirliches Tribunal ist, wird lehr geprie-
sen und empfohlen. Er ist (S. 189) „Hebßecke
(Hebel) des Menschengeschlechts; Bärmutter der
philosophischen Vernunft, Handleiterin zur hesten
Volkslehre, und (S. 192.) das Kennzeichen und
der Probierstein der Wahrheit.“ —· Die Repräsen-
tanten und Depositairs desselben sind (S. 190.)
diejenigen, „welche ihren Verstand weder durch
Grübeley noch durch Zweifelsucht verderbt ha-
ben.“ —· Lauter Sätze, die sich drehen laßen,
wie man will, weil sie einen halbwahren Sinn lei-
den. Man kann die Worte Grübeley etc. nach Be-
lieben bestimmen; und jeder wird Grübeley und
Zweifelsucht nennen, was über seine Absichten
hinausgeht. ■— d) Vierte Erkenntnissquelle, dze®
entwickelte Kerminst. Diese hat das Geschäft
„ 1. das Einerley und Widersprechende zu bemer-
ken, oder zu urtheilen; 2. die Begriffe allgemein
vollständig zu machen; — 3. den Vortrag so zu
ordnen, dass er für Andre eine reine Erkenntnissquel-
le wird- “ — Und doch ist der gemeine Menschensinn,
der von diesem allen nichts thut, ein unreformirli-
ches Tribunal etc. mit unbestimmtenBegriffen etc.!
heisst das nicht der Verworrenheit das Wort re¬

den, dem Irrthume einen breiten Weg bahnen,
und dem Ungeübten den Dünkel einssössen, als
wenn er über den Philosophen und Denker und.
Gelehrten zum Richter gesetzt wäre? Der Verf.
warnt auch (S. 210.) vor der Definitionssucht;
das thut srevlich der Verworrenheit Vorschub. —
Dennoch aber läuft ihm (S. 215.) ein kalter Schauder
durch Mark und Bein, wenn er das Urtheil eines Un-
ge übten über die Werke eines geübten Denkers
hört. — Ueber Vernunft, Syllogismus, Vortrag
sagt der Verfaßen wieder manches lesenswürdige.
■— Nach diesen Erkenntnissquellen der Wahr-
heit kommt der Verf. nun ferner zu den Quellen
des Wahrscheinlichen. Diese sind ihm 1. die leich-
te Anwendbarkeit eines Satzes auf besondre hal-
le. 2. Hypothefen. — Das wären ja wol nicht
Quellen, sondern selbst IKahrfcheinlichkeiten, 3· Die
Analogie. Der Verf. definirt sie— „Einerley in
dem Mannigfaltigen; — Eines in den Vielen; —
Aehnliches im Unähnlichen.“ — Diese Definition
hat die ganze Dunkelheit und das Sententialische
eines Orakels. Doch, der Vers. liebt die Defini-
tionen nicht. — Als Beyspiele von analogischen
Schlüssen leitet der Verf- aus der Analogie das
Daseyn Gottes, die Sittenlehre, die Unsterblich-
keit der Seele, und die Wirklichkeit einer Offenba-
rung her. — Die Mittelidee, die man wol sagen
muss, weil der Leser schwerlich begreifen würde,
wie die Ossenbarung aus der Analogie erwiesen
werden kann ·— ist, die Wahrscheinlichkeit des
Zeugnisses. Es fehlt auch hier an erbaulichen
Allegorien nicht. —- 4, Die Induktion. — Merk-
würdig ist hier die Definition der Tugend, welche
der Verf. durch den Weg der Induktion zum Bey-
spiel prüft. «— „ Die Tugend ist die Stärke eines
Wesens, das von Natur fchwach ist, und dur^h
Selbstanstrengung, durch Uebung stark zum
Rechtthun^ mächtig zur edeln Wirksamkeit und
Duldsamkeit geworden.“ — 5. Die Reduction. —
Unter die Erkenntnisskräfte rechnet der Verf.
in einem Nachtrage, der den ersten Band be-
schliesst, das Glaubensfensorium, (S. 359·) dessen er-
ster Bestandtheil ist: „Das Bedürsniss der Mensch-
heit, durch Glauben unterrichtet zu werden; denn
ohne Glauben, miissten die Menschen ewig
mündige Kinder bleiben, oder wilde Beßien
werden.“ Man Geht, wohin ein folcher Satz füh-
ren kann. (S. 361, 362.) Noch eine Erkenntniss-
kraft, die man in der Logik nicht sachen süll-
te. — Das Ahndungsvermögen. Dieses soll aus
den Geschichten aller Zeiten unläugbar erwiesen
seyn; und es wird eine Stelle aus dem Baco ange-
fuhrt, in welcher dieser berühmte Mann ein Ahn-
dungsvermögen anerkennt. Mit aller Ehrfurcht
vor diesen grossen Namen sey es gesagt; das
Ahndungsvermögen der Seele ist sehr zweifelhaft,
obgleich Moritz und Andre viel davon sagen.
Denn, j) sind die mehresten Ahndungen nur
dunkle Regungen, die nichts bestimmtes sagen,
und erst nach der Begebenheit erklärt werden und
P p p 2 eine
 
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