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Heidelberg College [Hrsg.]
Alt-Heidelberg: Heidelberg College magazine — 1888

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Nr. 45 (4. November)
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178

in einen Lehnstuhl und rieb sich im Vorgefühl der Rache die
Hände. Was er so lange ersehnt hatte, wofür er Tag und
Nacht keine Mühe und Arbeit gescheut, dessen Erfüllung sah
er jetzt dicht vor Augen. Jahrelang hatte er seinen Rachedurst
mit sich herumgetragen in der verschlossenen Brust, keine
Freude hatte ihm gelächelt, er war ein Feind des fröhlichen
Lagerlebens gewesen, nur für das Kriegshandwerk hatte er
gearbeitet. Das hatte ihm auch die Achtung und das Vertrauen
des ernsten Tilly eingetragen, der ihn am höchsten schätzte von
allen seinen Generalen.
Ein Gedanke war es, der ihn beherrschte die verflossenen
sieben Jahre hindurch, der ihn aufgestachelt und vorwärts
getrieben hatte, der Gedanke, an demjenigen Rache zu nehmen,
der ihm sein Liebstes geraubt und dadurch sein Lebens-
glück vernichtet.
Auf dem Corridor draußen hallte es von schweren Tritten.
Zwei bewaffnete Kriegsknechte traten salutierend hinein. In
ihrer Mitte führten sie eine hagere Gestalt in schwarzem Gewände.
Es war der Pfarrer. Seine Kniee schlotterten, sein
Haar hing wirr und ungeordnet auf seine Schultern herab
und sein Gesicht war erdfahl. Die Soldaten schulterten das
Gewehr und standen in strammer Haltung neben ihrem Ge-
fangenen, auf dem das Auge des Generals lange und durch-
dringend ruhte.
„Ihr seid der Pfarrer von St. Petri und heißt Konrad
Weller," redete er ihn an, „ist es nicht also?"
Der Pfarrer nickte und senkte seine Blicke zu Boden.
„Mich werdet Ihr wohl nicht mehr kennen, ehrwürdiger
Herr; es sind schon viele Jahre her, daß wir uns zuletzt
gesehen, und das rauhe Kriegshandwerk verwettert und verändert
die Larve des Jünglings."
„Ich kenne Euch, Walter Scharf, und weiß, was Euer
Vorhaben ist; ich hätte fliehen können, habe es aber verschmäht;
handelt mit mir nach Eurem Belieben, ich bin in Euren
Händen und hoffe keine Gnade. Nur das eine bitte ich Euch,
schont meine Tochter, laßt es die Schuldlose nicht entgelten,
daß Ihr dem Vater grollt."
„Mit Weibern führen wir keinen Krieg," entgegnete jener
rauh, während eine Blutwelle in seine Wangen schoß. „Führt
ihn ab, Ihr tapfer« Landsknechte, in das Rathsgefängniß . ..
Gehabt Euch wohl, Konrad Weller, heute Nachmittag wird
man Euer Urtheil sprechen."
Er war wieder allein in dem hohen Gemache.
VI.
Zur festgesetzten Stunde versammelten sich die Hauptleute
und Obriften in dem Rathhaussaale. Als sie um den langen
dunkelgrünen Tisch herum Platz genommen hatten, wurde der
Gefangene hineingeführt.
„Ich habe Euch rufen lassen, meine Wasfengefährten,"
begann der General, „um nach Kriegsbrauch und Kriegsrecht
ein Urtheil zu fällen. Dort steht ein Mann, Konrad Weller,
mit Namen, Pfarrer der hiesigen St. Petri-Kirche, den ich
einer schwarzen Thal beschuldige. Es war vor sieben Jahren,
als ich in den Ferien heimkehrte von der Hochschule, um
meine Mutter zu besuchen, die in dieser meiner Geburtsstadt
als Wittwe lebte. Gerade am Tage meiner Rückkehr hatte
man sie als Hexe verbrennen lassen; ich sah noch den erloschenen
Scheiterhaufen, meine Mutter habe ich nicht wiedergesehen."
Er hielt einen Augenblick inne und beobachtete Len Ein-
druck seiner Worte.
„Meine Mutter hatte keinem Menschen etwas zu Leide
gethan und nur eine übermenschliche Bosheit konnte nach ihrem
Leben die Hände ausstrecken. Dort steht ihr Mörder, er hat
sie angeklagt, er hat sie auf die Folter gebracht, er hat sie
hinausbegleitct zur Feuerstätte."
Er wies mit der Hand auf den Gefangenen, dessen Körper
in ein leises Zucken gerieth. Verlegen schlug er die Augen
nieder, als die Blicke der Anwesenden ihn suchten.

„Als ich an jenem Abend, der niemals aus meiner Er-
innerung weichen wird, heimkehrte, fand ich den ehrwürdigen
Herrn am Scheiterhaufen und schlug ihn zu Boden, wofür
er mir den Proceß machen ließ. Hier in diesem Saale war
es, wo er mir als Ankläger gegenüberstand. Damals habe
ich ihm zugeschworen, daß ich an ihm Rache nehmen würde;
heute ist dieser Tag angebrochen. Das Blatt hat sich gedreht,
Konrad Weller, heute bin ich Kläger und Ihr seid Angeklagter."
Er ließ sich nieder und am grünen Tisch entstand ein
leises Gemurmel. Die Herren beredeten sich über die Schänd-
lichkeit der That, über eine exemplarische Strafe und dergleichen.
„Habt Ihr etwas zu Eurer Vertheidigung vorzubringen?"
fragte Walter den Pfarrer, „habe ich etwa die Unwahr-
heit gesprochen?"
Der Angeklagte erhob sich mühsam und stützte sich auf
die Lehne des Stuhles.
„Die Thatsache ist richtig, tapfere Kriegsleute," sprach
er mit hohler Grabesstimme, „die Mutter Eures Generals
wurde auf meine Veranlassung hin dem Feuer übergeben, aber
was mich dazu trieb, war nicht Bosheit oder Haß, sondern
der Eifer für die Religion, die sie durch das Bündniß mit
dem Teufel verletzt hatte."
„Zügelt Eure Zunge, Mensch," rief der General auf-
springend, „oder ich haue Euch auf der Stelle in Stücke..."
„Ihr regt Euch unnütz auf, General," unterbrach ihn
ein graubärtiger Obrist, „das Leben des Pfaffen ist verfallen
und keinen Pfifferling mehr werth, laß mich einmal mit
ihm reden. . .. Alter Heuchler," wandte er sich an den
Pfarrer, „wir kennen Eure Schliche und Kniffe. Ihr hüllt
Eure Bosheit und Verfolgungssucht in den Mantel der Re-
ligion, damit mögt Ihr Kinder und Narren überlisten, aber
keine ehrlichen Kriegsleute ..."
„Das muß eine nette Religion sein," fiel ihm ein
anderer in die Rede, „die Euch antreibt, Eure Nebenmcnschen
zu verbrennen. Ist das vielleicht die vielgepriesene Religion
der Liebe?"
Er lachte hellauf und sein Lachen theilte sich den Ge-
nossen mit.
„Ihr mögt lachen," murrte der Angeklagte dagegen, „Ihr
habt die Gewalt und ich bitte nicht um mein Leben . . . wer
fände auch bei der rohen Soldateska Gnade und Schonung?"
Ein Stoß in die Seite unterbrach seine Rede.
„Ich will dich lehren, ein ehrliches Regiment zu schmähen,"
sprach einer von seinen Wächtern.
„Was ist Euer Urtheil, Waffengefährten?" fragte der
Anführer, „laßt uns den Redereien ein Ende machen. Sprecht,
was verdient der Mörder meiner Mutter?"
„Den Tod durch Pulver und Blei," erscholl es von
allen Seiten, während auf dem Gesichte des Generals ein
Lächeln der Befriedigung lag.
„Wie wäre es, General," rief der graubärtige Obrist
von vorhin, „wenn wir ihm die Spießruthen zu schmecken
gäben? Ein einfacher Soldatentod ist ohne Zweifel zu gelinde
Strafe und den Soldaten würde die Exekution viel Ver-
gnügen machen."
Diesem Vorschläge stimmten seine Gefährten lachend zu.
„Führt den Gefangenen ab," befahl der General, „das
Urtheil des Kriegsgerichts ist gesprochen. Er mag im Ge-
fängniß die Vollstreckung desselben erwarten .... Ich danke
Euch! meine Freunde, die Sitzung ist geschlossen." —
In einem Zimmer des Rathhausgefängnisses, durch dessen
vergittertes Fenster nur spärliches Licht fiel, schritt der Pfarrer
von St. Petri auf und ab. Er hatte die Hände auf den
Rücken gelegt und war in tiefes Nachdenken versunken. Er
überschaute sein vergangenes Leben, das wie eine dunkle Nacht
hinter ihm lag. Nur zwei Helle Punkte leuchteten daraus empor,
auf denen die Erinnerung gern und freudig verweilte, sein Weib
und seine Tochter. (Forts, folgt.)

179

Gemeinnütziges.
Ueber die Deckung der Rosen für de« Winter. Als
das beste Dcckungsmaterial gilt Fichtenreifig. Auf die Frage:
„Wie macht man es, wenn man kein „Fichtenreifig hat? ant-
wortet der sürstl. Gartenmeister Obrecht in Möllers deutscher
Gältner-Ztg. hierauf: Ich habe Jahre lang und mit gutem
Erfolge selbst Theerofen durch Kästen oder Rinnen aus dünnen
Brettern gedeckt, die dann noch mit Laub beschüttet wurden.
Meine Rosen hielten sich jederzeit gut, wenn nicht etwa die
Mäuse Schaden anrichteten, welchem Falle ich durch Auslegen
von Arsenikpillen vorzubeugen suchte. Zwei bis drei Bretter,
je nach Stärke der Kronen, werden einfach in Form eines
Daches zusammengenagelt, auf die niedergehakten Rosenstämme
gesetzt und, wenn Frost eintritt, mit Laub bedeckt. Im Früh-
jahr nimmt man zuerst das Laub wieder ab, allenfalls an
schönen Tagen auch die Kasten und hat dann noch den Vor-
theil, die Rosen Nachts jederzeit vor Frost schützen zu können.
Bei Theerofen beschütte ich die ganze Krone mit Kohlenstaub,
weil sie empfindlicher gegen Nässe sind. Große Gruppen
von strauchartigen Remantantrosen, bis zu 2—2'/^ Meter
Durchmesser, versehe ich ringsum mit kurzen, 45 Centimeter
hohen Pfählen in in der Entfernung von 75—100 Centimeter,
durchflechte dieselben locker mit irgend welchem Strauchwerk,
lege obenauf alte Latten, Brettstückchen und dergleichen und
decke dasselbe 20 bis 60 Centimeter hoch mit Laub. Ich
kann versichern, daß dieses Verfahren das allerbeste ist. Als
gutes Schutzmittel gegen die Mäuse soll sich das Einbinden
der Rosen mit dem Reisig des gemeinen Wachholders be-
währt haben.

Allerlei.
Einen künstlichen Kehlkopf ganz eigenthümlicher
Art hat sich, von der Altmeisterin Natur unterwiesen, der
Fabrikarbeiter Throm aus Scholwin bei Pölitz in
Pommern angeschafft und damit den Aerzten und Professoren
ein Räthsel vorgesetzt, dessen Lösung in der chirurgischen Be-
handlung des Kehlkopfes vielleicht eine bedeutende Umwälzung
Hervorrufen wird. Der Fall, dessen genaue Beschreibung dem-
nächst im Langende ck'schen Archiv veröffentlicht werden soll,
wurde kürzlich von Dr. Hans Schmidt-Stettin dem
Greifswalder medicinischen Verein vorgeführt, und
die erstaunten Doctoren riethen hin und her, ohne vorläufig
zu einem bestimmten Resultate kommen zu können. Dem
Patienten ist genau vor zwei Jahren wegen Krebsverdacht
der Kehlkopf nebst Kehldeckel ausges chnitten worden.
Aus bestimmten, hier nicht näher zu erörternden Gründen
war es seiner Zeit nicht möglich, dem Patienten einen künst-
lichen Kehlkopf einzusetzen, und so mußte der Patient, stumm
wie ein Fisch, mit einer einfachen Kanüle zum Athmen ent-
lassen werden. Wie erstaunt war nun Dr. Schmidt, seinen
ehemaligen, zum ewigen Stummsein verdammten Klienten nach
zwei Jahren mit voller, lauter Stimme sprechen
zu hören. Die Aerzte überzeugten sich, daß dem Manne
der Kehlkopf vollständig fehlt und an dessen Stelle eine tiefe
Grube sich befindet, daß die obere Oeffnung der Luftröhre
völlig zugewachsen ist, und daß die Lunge mit der äußeren
Luft ausschließlich durch die Kanüle kommunicirt. Sie über-
zeugten sich aber gleichzeitig, daß er, ohne eine Spur von
Kehlkopf zu besitzen, dennoch alle denkbaren Laute hervor-
bringen kann. Es fehlt ihm kein Buchstabe aus dem ABC,
er liest laut und verständlich, lacht, singt, pfeift und spricht
ohne jede Athemnoth und ohne die geringste Anstrengung be-
liebig lange mit keineswegs unangenehmer, wenn auch etwas
rauher Stimme, die für sämmtliche Berufsklossen, welche
keine besonderen Ansprüche an die menschliche Stimme stellen
(Lehrer, Schauspieler und Prediger) vollkommen ausreicht.
Die nähere Untersuchung ergab ferner, daß Throm, der ohne

Kanüle nicht athmen kann, gleichwohl sie beim Sprechen zu
entbehren im Stande ist, so daß er die zum Erzeugen von
Tönen erforderliche Luft keineswegs aus der Lunge bezieht;
es wurde auch konstatirt, daß er beim Esten nicht sprechen
kann. Da er endlich seine Wangcnmuskulatur, seine Gaumen-
bögen und Mandeln, ja den Zungenrücken in der letzten Zeit
außerordentlich entwickelt hat, so find die Professoren Rosen-
thal in Erlangen und Londors in Greifswald darauf gekommen,
daß der Mann durch Uebung obige Gebilde soweit gebracht
hat, mittels Erweiterung und Verengerung einen Raum zu
schaffen, der den natürlichen Kehlkopf mit seiner schmalen
Stimmritze fast vollständig ersetzt und in welchem sich die
Fistelstimme in hohem Grade ausbildet. Herr Professor
Londors meint zwar, daß das eine „falsche" Stimme sei.
Da aber diese falsche Stimme der wahren zum Verwechseln
ähnlich ist, so wird der über diese Fälschung höchst vergnügte
Fabrikarbeiter Throm vielleicht der Vater einer neuen
Operationsmethode werden, die wegen nachfolgender „Fremd-
körperpneumonie" so gefürchtete Kehlkopf-Exstirpation wird jetzt,
da die Nothwendigkeit, behufs späterer Einsetzung eines künst-
lichen Kehlkopfes, die obere Oeffnung der Luftröhre mit allen
zu Gebote stehenden Mitteln offen zu erhalten, ganz wegfällt,
nunmehr zu einer gewöhnlichen chirurgischen Operation werden.
Die Operirten werden durch Uebung ihren Kehlkopf zu ersetzen
und an die so täuschend der echten ähnlichen, falsche
Stimme gewöhnen lernen!

KochzeitsaSend.
Der weißen Rose gleich, die kaum erschlossen
Dem Frühlinasmorgenroth entgegenlacht,
So prangtest du, vom Brautkleid licht umflossen.
Schön wie ein Traumbild, das der Lenz entfacht.
Ein Engelsantlitz strahlte herzentzückend
Aus deinem blonden Lockenhaar hervor,
O, du warst schön, im Anschau'n sinnberückend.
Und ich, ich war's, den sich dein Herz erkor.
Doch all mein Stolz zerschmolz in bangen Schmerzen,
Als dich die Mutter in die Arme schloß.
Du weinend lagst am treuen Mutterherzen,
Und als so heiß mir's in die Augen schoß.
O Mutterherz, was alles du empfunden,
Als sich dein Kmd der höhern Pflicht geweiht.
Das trat vor mich in jenen Trennungsstunden
Als Mahnung hin für alle Lebenszeit!

Humoristisches.
Ein höflicher Sachse überläßt einer Dame seinen Platz
in der Pferdebahn. Die Dame: „Danke, mein Herr, Sie
sind zu gütig!" — „O bitte — war mer een Vcrgniechen!
Die Heeflichkeit geechen Damen is Sie die Pflicht eenes
Schendlmäns! Manche dhun's freilich mehrschtendheels nur,
wenn's eene hibsche Dame is, ich aber, mei lutestes Freilein,
sähe Sie nich uf des Jndifidibum, sondern nur uff's Geschlecht.
Ja! Nu üben!"
Komisches Zusammentreffen. Unter den in der Woche
vom 30. Sept, bis 6. Oct. vor dem Standesamt Minden
aufgebotenen Paaren befinden sich auch der Kolon Schweine-
fuß und seine Braut Louise Hasenohr.
Auch eine Leibspeise. Onkel: „Was ist denn Deine
Leibspeise, Karlchen?" — Karlchen: „Dicke Erbsen: da werde
ich immer so unwohl, daß ich den nächsten Tag aus der
Schule fortbleibcn kann."
Ans der Pferdebahn. Fahrgast (einer sehr beleibten
Dame Platz machend): „Dars ich bitten, meine Gnädige?"
— Die Dame: „O, bemühen's Ihnen net, Sie allein nutzen
mir nix, wann net no Aaner aufsteht!"
Zolas neuester Roman. Gegner Zolas: Er schreibt
doch höchst unsittlich. Verehrer Zolas: Aber das fällt ihm
im „Traum" nicht ein.
 
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