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Heidelberg College [Editor]
Alt-Heidelberg: Heidelberg College magazine — 1888

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Nr. 41 (7. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.70377#0094
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Dörflein war frei von ihnen, kein Stand, der nicht in seinen
Reihen Hexen zählte. Zarte Kinder und betagte Matronen,
schöne Jungfrauen und triefäugige Weiber, gelehrte Doktoren
und unwissende Geister — alle lieferten sie dem Scheiter-
haufen Opfer. Und so viele auch verbrannt wurden, immer
wieder gab es andere Rekruten.
Eigenthümlich! Heutzutage giebt es keine Hexen mehr,
man würde sie nicht mehr verbrennen, dafür hätten sie es
gut bei uns, und doch giebt es heute keine Hexen mehr.
Aber früher in jenen dunklen Zeiten, wuchsen die Ver-
blendeten wie die Pilze aus der Erde, welche einen Bund mit
dem Gottseibeiuns schlossen, der ihnen doch eigentlich wenig
Vorthcil brachte. Oder wer von uns fände Vergnügen daran,
auf einem Besenstiele durch den Schornstein zu reiten und
auf dem Blocksberg wilde, groteske Feste zu feiern zur Zeit,
der Frühlings-Sonnenwende?
Wir Spätgeborenen finden keinen Geschmack, an solchen
Sachen, aber damals gab es Thoren genug, die dieser Ver-
gnügen wegen Leib und Leben wagten. Sollte es vielleicht
ein Jrrthum gewesen, sollte vielleicht Bosheit mit im Spiel
gewesen sein? Wer möchte das behaupten? Es waren ja
Zeugen da, die den Luftritt mit eigenen Augen gesehen hatten;
und daß sie gerade ihre Feinde bei diesem Treiben beobachteten,
war der reine Zufall. Es gab ja kein besseres Mittel, einem
Feinde etwas am Zeuge zu flicken, als den Schornstein seines
Hauses zu beobachten und dann das Weitere zu veranlassen.
Der Pfarrer von St. Petri in S., der ehrwürdige Herr
Konrad Weller, kannte dieses Mittel und er hatte ebenfalls
eine Feindin, die er bitter haßte. Das war die Frau seines
Vorgängers, Werner Scharf, den er auch gehaßt hatte bei
Lebzeiten desselben. Diese Frau suchte er zu vernichten, in-
dem er sie als Hexe angab und den Proceß gegen sie ein-
leiten ließ. Der Sohn, ihr lieber Walter, stand gerade jetzt
in der Abenddämmerung auf den Bergen, die seine Vaterstadt
umkc änzten und war im Begriffe, in die Arme seiner Mutter zu eilen.
Am nördlichen Himmel zogen schwarze Wolken zusammen
ein Gewitter schien im Anzuge. Kreischend flogen schwarze
Vögel über die Berge und verbargen sich in den Baumwipfeln.
Dann war es ruhig.
Vor der Stadt versammelten sich schwarze Gestalten auf
dem freien Platze, der oftmals Zeuge gewesen der munteren
Spiele der Jugend. Jetzt diente er einem anderen Zwecke.
Und wieder sollte er seinem Zwecke dienen. Schwarze
Gestalten, Geier in Menschengestalt, führten eine weinende
Frau zum Thore hinan, andere bauen emsig an einem Scheiter-
haufen. Jetzt kommt die Gestalt näher, edle verweinte Züge
erblicken wir, ihr Gang ist schlaff und schleppend, eine lange
Haft hat die Füße gelähmt, die Folter hat auch das Ihrige
gethsn, kraftlos wankt sie einher, — kein Zweifel, wir haben
eine Hexe vor uns.
Jetzt ist der Scheiterhaufen fertig, man stellt die Frau
hinauf und bindet sie an den Pfahl, flammende Blitze durch-
zucken die Luft, der Urtheilsspruch wird beim Scheine einer
Pechfackel verlesen, dazwischen vernehmen wir das Schluchzen
des armen Opfers, die Flammen schlagen prasselnd empor,
ein Aufschrei, ein kurzer, verhallender Wehruf, ein heftiger
Donnerschlag vom zürnenden Himmel — Walter Scharf hat
keine Mutter mehr.
Das Schauspiel war zu Ende, der Wahn hatte sein
Opfer verschlungen. Es hatte angefangen zu regnen, die
Zuschauer gingen allgemach nach Hause und erzählten sich,
daß die Verbrannte früher doch besser gewesen sei; aber in der
heutigen bösen Zeit habe der Teufel viel Gewalt über die
Menschen und verführe oft die Besten. Keiner sei vor ihm sicher.
„In dieser schlimmen Zeit,
Vor Satans List und Neid,
Vor Seel- und Leibsgefahren
Wall' gnädig uns bewahren!"
(Fortsetzung folgt.)

Die künstlichen Hörperverunstaltungen.
Aus einem Bortrage des Professors Rudolf Birchow auf dem Natur-
forschertage in Köln.
Für die Beurtheilung jener Verunstaltungen und ihrer
Verwerflichkeit ist cs gleichgültig, daß sie nicht immer bewußt
angestrebter, ausdrücklich gewollter Selbstzweck sind. Sie ge-
schehen eben meist nicht um der Verunstaltung selber willen,
sondern sie erwachsen als Nebenwirkungen durch Maßregeln,
die einen ganz andern Zweck haben, Redner verwies zum
Belege auf die Verunstaltung der Schädel, wie sie in manchen
Gegenden, bei manchen Völkern üblich ist. Wenn z. B. ge-
wisse Reitervölker Südamerikas bei ihren Wanderungen die
kleinen Kinder auf ein Brett binden, damit sie bei der raschen
Fortbewegung der Eltern eine sichere Lage haben, so wird
daraus, falls nicht ungewöhnlich feste Schädelknochen vor-
handen sind, eine Abplattung des Hinterkopfes entstehen. An
sich ist dieselbe unbeabsichtigt; mit der Zeit aber kann es
üblich werden, diese Abplattung geflissentlich bei solchen her-
vorzurufen, bei denen sie sich nicht ohne weiteres einstellte,
weil man gewöhnt an den Anblick mißbildeter Schädel, den
normalen für unschön hält. Ja es kann sich dieses Bestreben
noch steigern, weil man aus irgend einer Veranlassung hinter
der Formänderung etwas Mehreres wittert. So zeigten die
allen Schädel in den Gräbern Perus eine so starke Verun-
staltung, daß von vornherein die Absichtlichkeit derselben außer
Zweifel steht. Man glaubte damals, ganz mit Gall, daß
die Schädelform auf gewisse Eigenschaften schließen lasse, und
bemühte sich bei hervorragenden Persönlichkeiten, z. B. den
Jncas, die Eigenschaften der Herrscherwürde, Tapferkeit
u. s. w. durch Herausdrücken der entsprechenden Schädelparthieen
zu vergrößern. Es war hier also die Verunstaltung zur
Staatsraison geworden. Uebrigcns finde man auch in Deutsch-
land recht oft eine mäßige Abplattung des Hinterkopfes, eben-
falls erzeugt durch das Liegen auf dem Hinterkopfe im jugend-
lichen Alter. Das sei nicht bedenklich, da solcher Abplattung
stets stärkere Ausbauchung in der Nachbarschaft entspreche und
somit die Entwicklung des Gehirns nicht weiter leide.
Nicht so glücklich im Punkte der Compensation gestellt
sind aber andere Körpertheile, z. B. die Füße. Was diesen
durch Verunstaltung an Entwicklung verloren gehe, sei ent-
gültig verloren. Zwar habe man cs in Europa betreffs der
Fußverkrüppelung nicht soweit gebracht wie in China; aber
der neueste Angriff der vereinbarten Schuhmacher Europas gehe
doch hart an die Grenze des Möglichen, indem er den Fuß
in eine Art von spitzem Instrument zu verwandeln suche.
Es sei eine wahre Beruhigung, daß der neuliche Erlaß von
höchster Stelle diesem Unwesen wenigstens für die Armee ein
Ende gemacht und dieser Institution bezw. ihrem Officierscorps,
eine genügend breite Basis gesichert habe. Die Beseitigung
der durch solche unsinnigen Angriffe hervorgerufenen Schäden
könne nur durch ein langes orthopädisches Verfahren erfolgen.
Die Schuhmacher jedoch würden bei einem Modenwechsel ver-
langen daß der Fuß sich mit einem Male verändere und in
die Breite gehe. Dieser Unfug sei schon früher genugsam
geübt. In Mainz wurde einmal eine Schusterwerkstatt aus
der Römerzeit aufgesunden, in welcher sowohl breite als spitze
Sandalen vorhanden waren. Allerdings seien die Füße von
Natur aus nicht alle gleich; aber solche beträchtlichen Ver-
schiedenheiten, wie in jenen Fällen könne man nur auf künstliche
Verunstaltungen zurückführen. Heutzutage gerade sei die
Schusterzunft zu einem Grade der Gewaltthätigkeit vorgerückt,
daß die Gehfähigkeit ernstlich in Zweifel gestellt werde, und
die Bevölkerung sollte sich wirklich empören gegen eine der-
artige Zumuthung. Der Umstand, daß die verunstalteten
Füße sich in der „überwältigenden Mehrheit" befinden, ändere
nichts daran, daß die Verunstaltung eben nicht in der Ordnung
sei. Kein Kind werde mit einem solchen Fuße geboren,
kein Erwachsener aus einem Naturvolke, das stets mit bloßen

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Füßen gehe, weise einen solchen Fuß auf, wie wir nach An-
sicht unserer Schuhmacher haben sollen. Und was wir an-
zustreben haben, das sei eben die Fußform des Kindes, bezw.
die jener Naturvölker.
Es ist nun ein Jrrthum, zu glauben, daß es nur der
Belehrung der Schuhmacher über die natürlichen Ansprüche
des Fußes bedürfe, um dem Uebel abzuhelfcn; denn der
Schuhmacher glaubt gerade, das Publikum wünsche die Miß-
form. Deßhalb muß der Antrieb zur Besserung vom Publikum
aus erfolgen. Aber nicht allein derSchu h, auch derStrumpf
bedürfe der Reform. So lange die jetzt üblichen spitzen, sym-
metrisch geformten Strümpfe getragen würden, werde auch
beim besten Schuhwerke der Fuß nicht in seiner natürlichen
Form verharren können. In alter Zeit seien richtigere Muster
von Strümpfen dagewesen, und diese alte Form möge man
wieder zu Ehren bringen. Es sei nöthig Strümpfe von
naturgemäßer Form in den Geschäften zu verlangen, damit
dieselben wieder in den Handel eingeführt würden. Nicht
nur Hühneraugen und heraustretende Ballen folgten aus der
Einwirkung der jetzigen Strümpfe und Schuhe, sondern wahr-
scheinlich auch die Neigung der Gicht, sich in den verunstalteten
und dadurch geschwächten Fußtheilen anzufiedeln (Podagra.)
Er wolle nun nicht, so fuhr Redner fort, auch noch die
Verunstaltung des Brustkastens durch die „Taillenbil dung"
ausführlich besprechen; es müßte das zu sehr herben Er-
örterungen führen. Nur so viel wolle er bemerken, daß in
dem Thorax (Brustkörbe) des Ideales Schönheit der medicäischen
Venus, und dem einer modernen Dame genau entgegengesetzte
Verhälntisse bestehen. Derjenige der Venus laufen nach oben,
derjenige unserer Modedame nach unten spitz aus. Das Ideal
Corsettmode sei die Erzielung der Jnsektenform. Wenn man
im Oriente wo weder Corsett noch Gürtel die natürliche
Körperform beeinflussen, oder wenn man auf alten Heiligen-
Darstellungen weibliche Gestalten betrachte, so sollte man
meinen, daß es möglich sein müsse, auch bei uns wieder zur
Natürlichen Form zurück zu gelangen. Und es handle sich ja
auch keineswegs nur um die wahrhaft schöne Form, sondern
mehr noch um die Unordnung, welche durch die Einschnürung
in der Lage wichtiger innerer Organe hervorgebracht werde.
Der auf Leber, Magen, Darm u. s. w. ausgeübte Druck,
wenn er auch nicht unmittelbar das Leben gefährde, habe
doch beträchtliche Störungen der Funktionen dieser Theile zur
Folge, und wenn auch an den Erwachsenen jetzt wenig mehr
zu ändern sei, solle wenigstens die Jugend geschützt werden
vor der bezeichneten Gefahr.

O glücklich, wer ein Herz gefunden, Wo liebend sich zwei Herzen einen,
Das nur in Liebe denkt und sinnt Nur eins zu sein in Freud'und Leid,
Und, mit der Liebe treu verbunden, Da muß des Himmels Sonne scheinen
Sein schön'res Leben erst beginnt! Und heiter lächeln jede Zeit.
Die Liebe, nur die Lieb' ist Leben;
So hat dir Gott genug gegeben,
Kannst du dein Herz der Liebe weth'n,
Heil dir! die ganze Welt ist dein!

Gemeinnütziges.
Kartoffeln in Kellern nnd Gruben vor Fiiuluiß zu
schützen. Das folgende Mittel hat sich nach achtjähriger Er-
fahrung in dieser Beziehung sehr gut bewährt. Auf den
Boden, wo die Knollen zu liegen kommen, wird eine dünne
Lage von ungelöschtem feingepulvertem Kalk gestreut, dann
kommt eine 5 Zoll hohe Lage Kartoffeln, dann wieder Kalk
u. s. f. Die so behandelten Knollen sind stets von der Krank-
heit verschont geblieben und da, wo die Fäule bereits schon
vorhanden war, wurde ihr Einhalt gethan. Außerdem wurde
die Qualität von wässerigen und seifigen Kartoffeln be-
deutend verbessert.

Ueber das Aufbewahren des Muses. Das Aufbe-
wahren des Pflaumen- oder Zwetschen-, Birnen- und Möhren-
muses soll mehr an kühlen, trockenen und luftigen Orten und
daher weniger oder nur vorübergehend, d. h. nur bei strenger
Kälte im Keller stattfinden, denn Feuchtigkeit macht das Mus
schimmelig und verdirbt es. Mus darf, wenn es sich gut
halten soll, nicht dünnflüssig sein, sondern ist dick einzukochen;
dünnflüssiges ist darum vor Winter nochmals einzudicken, am
besten in einem Backofen, welcher im Abkühlen begriffen ist,
also nur mäßige Hitze enthält. Rindertalg über dem Feuer
erwärmt und über das Mus gegossen, daß es auf dem Topfe
eine Fettscheibe gibt, welche die Luft abschließt, trägt noch
sehr viel zu einer guten Aufbewahrung mit bei. — Am längsten
hält sich Zwetschgen- oder Pflaumenmus, auch der Möhren-
mus, wenn gut in Möhrensaft eingekocht, hält sich lange, da-
gegen ist Birnenmus weniger lange haltbar.
Eier frisch zu erhalten. Man bringe Wasser in einem
größeren Topfe zum brausenden Kochen, sowie dann, nachdem
man ungefähr zwölf Eier in ein Netz gelegt, dieselben langsam
in dieses Wasser und ziehe das Netz ebenso wieder heraus,
ohne es mit den Eiern im Wasser ruhen zu lassen. Die
Poren der Eierschalen haben sich nach dieser Procedur luftdicht
geschlossen. Man verwahre die Eier in Körben oder an einem
luftigen Orte.
A lUVl e i.
Jerusalem. Es ist merkwürdig, zu sehen, wie die Stadt
Jerusalem jetzt wächst, eine Thatsache, die um so mehr auf-
fällt, da sie meist in einem unfruchtbaren Gebirge liegt und
keinen Handel, keine Industrie besitzt. Beständig steigen Neu-
bauten empor, Gärten, Anstalten, Kirchen erfüllen die einst
so öde Umgegend bis auf Stunde hinaus. Dabei steigt
die Wohnungsmiethe beständig. Die große Bauten der Juden
steigen wie Pilze aus der Erde, lauter einförmige, fenster-
reiche, einstöckige Häuser, die aber nicht zur Verschönerung
dienen. Rothschild baut ein neues Hospital auf der Gottfrieds-
Höhe. , Dicht dabei baut man eine abessinische Kirche, auch
die Russen bauen viel, z. B. eine Kirche mit Consulat, Pilger-
wohnungen und Hospital. Dicht dabei erhebt sich soeben ein
„Deutsches Haus", auf dem neben der deutschen Flagge die
päpstliche weht, ein Pilgerhaus stattlichen Aussehens. Auf
dem Oelberg haben die Russen einen Thurm gebaut, um von
da aus das Mittelländische Meer und das Todte Meer zu
schauen. Die Griechen bauen Kaffeehäuser und Bazare, die
Armenier Kaufläden.
Humoristisches.
In der Oper. Herr: „Passen Sie auf, mein Fräulein,
jetzt kommt ein Adagio." Dame: „Wo denn? Ich sehe
ja nichts."
I« Speyer gibt es eine Stöckerstraße; in ihr steht ein
einziges Haus und das ist die Synagoge!
Kindliche Bestellung. ,,N' guten Tag, Tante! Eine
Empfehlung von der Tante und die Tante möchte die Tante
besuchen, und wenn die Tante die Tante nicht besuchen wollte,
so wollte die Tante die Tante besuchen. Adieu Tante!"
Weibliche Diplomatie. „Ach Mama, der Doktor hat
mich so sehr beim Walzer an sich gedrückt." — Mutter (be-
lehrend): „Laß ihn, laß ihn, so ist Dein Vater auch
hineingefallen.
Heiteres. Ein Schwerenöther. Fräulein: „Hier ist es
aber wirklich so finster, daß man den eigenen Mund nicht
finden kann!" Herr: „Gestatten Sie mir, gnädiges Fräulein,
Ihnen beim Suchen behilflich zu sein.
Gast: „Sehen Sie einmal, wie unrein die Serviette ist.
So etwas sollten Sie als Wirth doch nicht dulden." Wirth:
„Dem Reinen ist alles rein!"
 
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