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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 15.1890

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Heberdey, Rudolf: Reliefs aus Thessalien
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https://doi.org/10.11588/diglit.29171#0223

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RELIEFS AUS THESSALIEN

213'

Dieser letzte Punkt scheint mir aber in engem Zusam-
menhänge mit einer für die ganze Gattung ganz besonders
bezeichnenden Eigentümlichkeit zu stehen, mit dem Bestreben
nämlich, von der menschlichen Gestalt möglichst alle Teile
zu zeigen, und denselben möglichst auf einer Ebene sozusagen
auszubreiten. Unter diesem Gesichtspunkte versteht man die
eigentümlich stereotype Haltung der Figuren, daraus erklären
sich auch fast alle die anatomischen Schwierigkeiten und Un-
möglichkeiten, welche Brunn bereits am Belief von Pharsalos
hervorgehoben hat, und welche sich in verstärktem Masse in
den weniger sorgfältig gearbeiteten Reliefs wiederholen. So
möchte ich es auffassen, dass die Gestalten stets eine leise Wen-
dung des Oberkörpers nach vorn zeigen, da es nur auf diese
Weise möglich wird, den vom Beschauer entfernteren Arm
auch in seinem oberen Teile sichtbar werden zu lassen: da-
durch entsteht auch die gezwungene Haltung der Arme, welche
bei fast allen Reliefs auffällt, und in der Unmöglichkeit zwi-
schen der fast in Dreiviertelansicht gegebenen Brust und dem
völlig in Profil gezeichneten Ivopfe zu vermitteln, liegt der
Hauptgrund für die fehlerhafte Bildung des Halses, von wel-
cher ein besonders auffälliges Beispiel Taf. VH bietet. Über-
haupt zeigt gerade dieses Relief recht deutlich, wie sehr
dieses Streben die ganze Composition beherrscht: nicht bloss
die überaus gezwungene Haltung des Jünglings, noch viel mehr
die jedes Verständnisses spottende Art, in welcher der linke
Oberarm und die linke Hand der Frau mit dem darauf lie-
genden Händchen des Kindes zum Vorschein kommen, ist bloss
bei dieser Auffassung zu verstehen.

Alle diese Eigentümlichkeiten, der Mangel an plastischer Mo-
dellirung und der Ersatz derselben durch zeichnerische Mittel,
die abgemessene Linienführung, das Streben, den menschlichen
Körper möglichst ganz in einer Ebene darzustellen , zeigen ein
ausgebildetes Bewusstsein der Stilgesetze der Flachreliefs im
eigentlichsten Sinne und führen mit Notwendigkeit darauf, wie
schon Brunn getlian, für diese Kunst einen besonders starken
Einfluss der Malerei, eine besonders starke Abhängigkeit von
 
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