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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 23.1898

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Heft 2-3
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Amelung, Walter: Schiedsgericht zwischen Poseidon und Athene
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https://doi.org/10.11588/diglit.39188#0248

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236

W. AMELUNGr

richtung des Areopag, bei der Poseidon nichts zu thun hat.
Die Thatsache, dass es sich um eine Abstimmung handelt,
und die Anwesenheit eben der beiden genannten Gottheiten
lässt vielmehr nur eine Deutung zu: dargestellt ist das Schieds-
gericht zwischen Poseidon und Athene über den Besitz des
attischen Landes, das Schiedsgericht, das sich nach einigen
Quellen mittels regelrechter Abstimmung vollzog.
Soll ein derartiger Act dargestellt werden, so wird am be-
sten der Moment gewählt werden, in dem die entscheidende
Stimme abgegeben wird, denn dieser allein kann den Be-
schauer innerlich erregen und dem Künstler interessante Mo-
tive bieten. So ist es z. B. in einer Darstellung des Urteils
über Orestes geschehen, das uns weiterhin noch beschäfti-
gen wird (Michaelis, Das corsinische Silbergefäss): der Künst-
ler hat den Moment gewählt, in dem Athene ihren Stimm-
stein abgiebt. Diesen bedeutsamen Moment werden wir also
auch hier vermuten. Wer aber ist dann die weibliche Figur,
die den entscheidenden Stimmstein in die Urne thut und da-
bei ihr Gesicht der Göttin zuwendet?
Die Antwort darauf giebt uns eine Version unserer Sage,
die uns durch Varro überliefert ist. Dort heisst es von Ke-
krops: cives omnes utriusque sexus ad ferendum suffra-
gium convocavit. Consulta igitur multitudine mares pro
JYeptuno, feminae pro Minerva tulere sententias et, cjuia
una plus inventa est feminarum, Minerva vicit (Augustin,
De civitate deiXNXU, 9. Auch im Scholion zu Aristides Pan-
athen. S. 106,11 ist von der Ausschlag gebenden Beteiligung
der Frauen an der Abstimmung die Rede)1. Ohne Zweifel ist
die weibliche Figur auf unserem Medaillon eine Vertreterin
der weiblichen Bewohner Athens, die mit ihrer einen Stimme
Mehrheit die Entscheidung gebracht haben. Die Wendung
ihres Gesichtes aber sagt dem Beschauer, für wen sie im Be-
griff steht zu stimmen.

1 Siehe die Zusammenstellung sämtlicher Quellen bei Stephani, Compte-
rendu 1872 S. 64 ff.
 
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