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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 41.1916

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Drittes Heft
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Möbius, Hans: Über Form und Bedeutung der sitzenden Gestalt in der Kunst des Orients und der Griechen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37286#0199
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FORM UND BEDEUTUNG DER SITZENDEN GESTALT

173

Mit diesem Relief kommen wir schon ins V. Jh. hinein,
und das Gleiche gilt von dem kleinen Grabstein einer Heroine
mit chthonischen Attributen aus dem Piraeus1, der keinen
attischen Eindruck macht. Den manierierten spätarchaischen
Stil Attikas vertritt ein Fragment mit einer sitzenden Frau und
einem stehenden Mädchen in Athen2, dessen sepulkrale Bedeu-
tung mir sicher zu sein scheint; auf keinem Weihrelief an eine
Göttin wäre eine so groß gebildete Adorantin verständlich.
Wichtig ist schließlich ein Grabrelief aus Aegina3, denn die
Tote auf prächtigem Thron und mit dem Apfel der Persephone
reicht dem vor ihr stehenden Manne die Hand. Damit ist der
Bann gebrochen und aus dem von fern stehenden Adoranten
das vertraute Familienglied geworden. So leitet dieses etwas
unbeholfene Werk die wunderbare Entwicklung ein, die dem
Grabrelief in Athen beschieden war.
Wird der Heros nicht mehr nach alter hofnerischer Sitte
sitzend, sondern nach der neueren4 liegend dargestellt, so ent-
steht der Typus des Totenmahls, dessen orientalische Herkunft
das bekannte Assurbanipal-Relief5 * * beweist. Freilich war in
Griechenland schon der Boden zur Ausbildung des Typus
bereitet. Im Leichenzug hatte nämlich, wie uns die Dipylon-

1 Conze, Att. Grabreliefs Nr. 36 Taf. XV. Gardner, Sculptured Tombs
pl. XVI. Buschor, Skulpturen des Zeustempels in Olympia S. 36.
2 Br.-Br. 17, 2. Conze, Att. Grabreliefs Nr. 20 Taf. XII. Svoronos,
Athener Nat.-Mus. Taf. 21 Nr. 36.
3 AM. VIII 1883, Taf. XVII. Sehr merkwürdig ist die Art, wie die
Füße des Mannes in einer Öffnung des Podiums, auf dem der Thron
steht, sichtbar werden. Da es so wunderlich konstruierte Podien kaum
gegeben haben wird, müssen wir es wohl der Ungeschicklichkeit des Bild-
hauers zuschreiben, der aus Raummangel hier diese Öffnung angebracht
hat, um die Person möglichst vollständig zu zeigen.
4 Vgl. Gelage auf sf. Vasen, z. B. Stamnos in Compiegne (Corpus
Vasorum, France pl. 108 Nr. 1.3), Herakles mit seinen göttlichen Freunden:
Hydria in Athen (C.-C. 764. Heydemann, Griech. Vasenbilder Taf. III1).
Ferner die Bemerkungen Jacobsthals, Theseus auf dem Meeres-
gründe 14ff.
5 Springer-Wolters12 72 Abb. 170. K. i. B. II 60, 1. Vgl. zum Toten-
mahl überhaupt die Verse Goethes in ‘Des Epimenides Erwachen’
v. 724ff. (Sophien-Ausgabe).
 
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