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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 43.1918

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Schweitzer, Bernhard: Untersuchungen zur Chronologie und Geschichte der geometrischen Stile in Griechenland, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.29499#0138
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Bernhard Schweitzer

Cyperns, im Protogeometrischen angetroffen wird^), in der frühgeome-
trischen Ornamentik Attikas, der Argolis, der Kykladen und anscheinend
auch Kretas keinen Piatz findet. Ebenso rein offenbart sich der Charakter
dieser Kunst in der figürlichen Darstellung. Die menschliche Gestalt
wird in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt, von denen jeder, Kopf, Ober-
körper und Beine, isoliert in der für ihn sinnlich verständlichsten Ansicht
gezeigt wird. Die Brüste der Frauen ragen sogar im Profil aus dem
von vorne gezeichnetenOberkörper heraus^). Die Vervielfältigung der
Einzelerscheinung geschieht durch bloße Reihung. Wie wir oben bei der
Besprechung der Feldereinteilung fanden, daß die imaginäre Fläche sich
durch einen nie ruhenden Kristallisationsprozeß schließlich aus dem
konstruktiven Zusammenschluß ihrer Teile aufbaut, so entsteht hier der
Raum selbsttätig durch die räumliche Ausdehnung seiner Träger, der
Bildobjekte, ohne dabei künstlerische Realität zu besitzen. Ein Raum-
problem im Sinne der Malerei existiert nicht. Erst als sich in dem 'nach-
klassischen' Stil der reichen Kratere der Argolis und ihrer Einflußsphäre
so etwas wie ein Bildfeld entwickelt, da erscheint auch plötzlich, vielleicht
nicht unbeeinflußt vom Orient, die antithetische Gruppe: gewöhnlich ein
Mann zwischen zwei Pferden. Mit einer Reinheit, die höchstens noch von
der ägyptischen Kunst übertroffen wird, verwirklichen so der Dipylon-
und die verwandten Stile die Idee einer ausschließlich plastisch-linearen
Kunst 3), und niemandem braucht mehr ihre gleich nach ihrem Bekannt-

B Tepe Mussian: de Morgan, Deleg. en Perse VH1, passim; Susa: Pottier,
Ceramique peinte, passim; Seliin, Tei! Ta'annek 27 Abb. 21; Arch. Anzeiger
1907, 326 Abb. 7; Bh'ss-MacalisterTaf. XXXHI 71 und später passim. Neolithisch
aus Nord- und Mittelgriecheniand: AM. XXX 1905, 123 ff. Abb. 2 a, 3 und 7;
' 1912, 16 f. Abb. 7, 7 und 9, 7; Siziiien (neolithisch): BSA. X t H 1906/7,
410 Fig. 5 a; Mykenisch (Schachtgräberstufe): Myk. Vas. Taf. XXIV 183 a—b;
Kyprisch-mykenisch: BCH. XXXI, 1907, 230 Fig. 7; Phiiisterkeramik (drei-
farbig): Oezer 1 [ 1 Taf. CLVH 1 1; Protogeometrisch (Kreta): BSA. VI 1899/1900,
84 Fig. 26.
B Diese piastische Formauffassung hat sich auch im strengen rf. Stil (z. B.
Duris) noch nicht verändert. Nur daß dort die Möglichkeit der Innenzeichnung
doch eine größere Annäherung an die Natur erlaubt.
B Interessant ist, daß auf ethnologischem Gebiet beobachtete Tat-
sachen E. Wilson, a. a. 0. 130 f. (vergl. S. 80 Anm. 1) dazu führen, den
rein optisch wirkenden, d. h. gemalten primärgeometrischen Stil als zweite
Stufe über dem älteren 'haptisch-taktilen' Verfahren der Ritz- und Kcrb-
technik anzuordnen.
 
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