Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 44.1919

DOI Artikel:
Lücken, Gottfried von: Archaische griechische Vasenmalerei und Plastik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29500#0054
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
48

Gottfried v. Lücken

hauerei würde, indem sie sich der in der Maierei feststehenden Entwick-
lung einfügt, an Halt und historischer Wahrscheinlichkeit gewinnen.
Die Bilder der Vasenmalerei dagegen werden, wenn wir sie mit den Ge-
stalten der Plastik vergleichen, erhöhte Bedeutung gewinnen. Sie werden
in unseren Augen aus dem Rahmen der Kleinkunst heraustreten und uns
zu einer Ahnung dessen führen, was die große griechische Malerei war.
Werke der Malerei mit Werken der Plastik zu vergleichen, hat ja
sicher oft etwas Bedenkliches. Denn wenn auch beide Künste an den
Wandlungen des Geschmacks und der Sehgewohnheiten in gleicher Weise
teilhaben, so drängt doch die Vorstellungskraft den Bildhauer oft in ganz
andere Bahnen als den Maler, und zu manchen Zeiten hat die Malerei mit
der gleichzeitigen Skulptur sehr wenig Berührungspunkte.
Während die Plastik ihr Hauptinteresse stets der menschlichen Gestalt
zuwendet, steht in der neueren Kunst lange Zeit hindurch für die Malerei
die Landschaft im Mittelpunkt, und auch wo sie Menschen darstellt, gibt
sie diese meist mit einem großen Ausschnitt der umgebenden Natur, ln
der Malerei wird die Härte der Umrißlinien bald durch die hinzutretenden
Schatten gemildert, bei den Figuren der Plastik aber, die sich meist gegen
einen andersartigen Hintergrund abheben müssen, und bei denen es weit
schwerer ist, die Wirkung der Schatten zu bestimmen, spricht noch lange
Zeit vor allem der KontuH).
Diese Gegensätze bestehen in der archaischen griechischen Kunst
nicht. Hier interessieren sich beide Künste in gleicher Weise für figürliche
Darstellungen, und da die Malerei den Schatten noch nicht kennt, ist sie
gleich der Plastik vor allem auf den Kontur angewiesen. So können
wir beide Schwesterkünste zu dieser Zeit besser miteinander vergleichen
als zu irgend einer späteren Epoche.
Die Ausdrucksmittel sind in beiden Künsten so verwandt, daß es
ohne weiteres möglich ist, Werke der einen Kunst auf Grund analoger
Formen mit Werken der anderen in Verbindung zu bringen. Daher kann
man genauer als überall anders sehen, wie trotz der verschiedenen Her-

i) Wie stark die Renaissance diesen Gegensatz empfand, geht aus einem
Wort Leonardo da Vincis hervor: 'Der Biidhauer sucht nur die Linienzüge auf,
die den plastischen Stoff umgeben, der Maier bestimmt die gieichen Linien
und außerdem sucht er auch Licht und Schatten neben Farbe und Verkürzung
auf' (Traktat von der Maierei, übersetzt von Ludwig, I 39).
 
Annotationen