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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 44.1919

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Lücken, Gottfried von: Archaische griechische Vasenmalerei und Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.29500#0129
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Archaische griechische Vasenmaierei und Piastik

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hältnis der einzelnen Künste zueinander, gewährt uns einen tiefen Ein-
blick in das Wesen der ältesten griechischen Malerei: 'Die Malerei ist
eine schweigende Poesie/ Nichts ist bezeichnender für die Aufgabe, die
das VI. Jahrhundert der Malerei stellte, als dieser Satz. Gleich dem
Dichter hat der Maler damals zu erzählen und dem Auge die Welt des
Mythos vorzuführen, den das Wort des Dichters belebt. Auf den Friesen
und Bildern der Vasen finden wir die Geschichten der Sage breit erzählt.
Nicht auf die naturgetreue Wiedergabe des Geschauten kommt es den
Künstlern dabei an. Die Hauptsache ist, daß die Geschichte anschaulich
erzählt wird. Es handelt sich nicht darum, den Menschen an sich zu
erfassen, weit wichtiger ist es, ihn in seiner Beziehung zu anderen wieder-
zugeben. Die ruhende Gestalt in ihrer Körperlichkeit hat für die Maler
dieser Zeit kein Interesse; sie müssen, um erzählen zu können, vor allem
die verschiedensten Haltungen und Bewegungen wiedergeben. Daher
verfügt die Malerei von Anfang an über einen reichen Schatz von Motiven.
Ganz anders die Freiplastik. Ihre Aufgabe ist es, die Einzelgestalt
aus der Umwelt herauszuholen und ihr auf erhöhtem Sockel ein Monument
zu schaffen, das sie über die Einflüsse der Zeit und der Umgebung er-
haben macht. Darum stellt die Plastik dieser Epoche ihre Gestalten ohne
jede Beziehung zur Außenwelt dar. Es fehlt ihr der Anreiz, mit dem
Reichtum von Motiven, über die die Malerei verfügt, zu wetteifern. Ihre
Gestalten stehen starr und unbeweglich da, als hätte das, was um sie
vorgeht, keinen Einfluß auf sie. Es ist, als ob dem Bildhauer die Natur
unter der Hand erstarrte. Während die Malerei von Anfang an ein offenes
Auge für den Reichtum des Geschehens hat, verfügt die Plastik über
eine geringe Anzahl von Typen, die sie immer von neuem wiederholt.
Hier herrscht reiches bewegliches Leben, dort Starrheit und Ruhe.
Das kann man nirgends besser sehen, als bei der aufrechten männlichen
Gestalt, einem Thema, an dem Bildhauerkunst und Malerei in gleicher
Weise ihre Freude haben. Die Malerei gibt von Anfang an die mannig-
fachsten Bewegungen wieder. Die Vasenbiider aus dem griechischen
Osten schrecken schon um die Mitte des VI. Jahrhunderts vor den
kompliziertesten Haltungen nicht zurück, und unter den Schulen des
Festlandes zeichnen sich vor allem die attische und die protokorinthische
durch eine Fülle von Motiven aus. Aber selbst die Gestalten der Vasen-
bilder, bei denen die Freude am Reichtum der Haltungen nicht so groß
 
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