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Gottfried v. Lücken
der Generation der Perserkriege sehen wir überall in der Bildhauerkunst
früher nur in der Malerei bekannte Motive, auftauchen und die Einheit-
lichkeit der alten leblosen Schemata durch Bewegungsdarstellungen
trüben. Aber zu ganz neuen plastischen Schöpfungen kommt die Kunst
dieser Zeit bei manchen Typen noch nicht. Sie nimmt einzelne Motive
auf, die Leben in die bis dahin starren Schemata bringen, obwohl viele
Statuen die Fesseln des alten tektonischen Typus nicht ganz abgeworfen
haben. Erst dem Geschlecht nach den Perserkriegen verdanken wir
überall die Schöpfung der vollbewegten menschlichen Gestalt. Deshalb
werden wir in diesem Abschnitt über die der Arbeit sonst gesetzten
zeitlichen Grenzen hinausgehen müssen.
Uni zu sehen, wie die Bildhauerkunst Generationen hindurch in der
alten, der orientalischen Kunst gewohnten Starrheit verharrt und dann
zu der Zeit, in der sich die Malerei zu plastischer Gesinnung durchringt,
bewegt wird wie diese, werden wir die einzelnen Typen durchgehen. Es
kann hier nicht die ganze Fülle der Beispiele gezeigt werden, das würde
gleichbedeutend sein mit einer Geschichte der griechischen Plastik.
Einige typische Fälle zeigen das, worauf es ankommt, klarer als eine
langatmige Aufzählung.
Nirgends tritt das Blockmäßige und Unbewegliche der frühen griechi-
schen Plastik stärker auf als bei den Sitzfiguren, diesen Erben der orien-
talischen und ägyptischen Kunst mit ihrer Vorliebe für ruhende Ge-
stalten. Es ist das gleiche bei den ältesten ionischen wie bei den ältesten
Werken aus dem Mutterland. Das ungegliederte Gewand macht eine
gleichförmige Masse aus dem Ganzen. Ohne jede Bewegung thronen
die Gestalten steif auf ihrem Sitz. Die Arme liegen ruhig auf den Schen-
keln, die Beine stehen gleichgerichtet nebeneinander. Der Oberkörper
sitzt rechtwinklig auf dein Massiv der Beine. Es ist nur das Beharrende,
Bleibende ausgedrückt. Jede momentane Belebung fehlt. Solchen Dar-
stellungen gegenüber wird es recht klar, wieviel beweglicher die Malerei
ist. Schon auf der Frangoisvase weiß man hier die verschiedensten Motive
wiederzugeben und dem Sitzen das Lastende zu nehmen. Ares und
Priamos stellen einen Fuß zurück, und der Gott beugt den Ober-
körper vor, sodaß frisches Leben die ganze Gestalt durchflutet. Bis
die Plastik dazu kommt, solche Gestalten zu schaffen, dauert es noch
eine geraume Weile. Erst in der Zeit, in der sich die Malerei zu körper-
Gottfried v. Lücken
der Generation der Perserkriege sehen wir überall in der Bildhauerkunst
früher nur in der Malerei bekannte Motive, auftauchen und die Einheit-
lichkeit der alten leblosen Schemata durch Bewegungsdarstellungen
trüben. Aber zu ganz neuen plastischen Schöpfungen kommt die Kunst
dieser Zeit bei manchen Typen noch nicht. Sie nimmt einzelne Motive
auf, die Leben in die bis dahin starren Schemata bringen, obwohl viele
Statuen die Fesseln des alten tektonischen Typus nicht ganz abgeworfen
haben. Erst dem Geschlecht nach den Perserkriegen verdanken wir
überall die Schöpfung der vollbewegten menschlichen Gestalt. Deshalb
werden wir in diesem Abschnitt über die der Arbeit sonst gesetzten
zeitlichen Grenzen hinausgehen müssen.
Uni zu sehen, wie die Bildhauerkunst Generationen hindurch in der
alten, der orientalischen Kunst gewohnten Starrheit verharrt und dann
zu der Zeit, in der sich die Malerei zu plastischer Gesinnung durchringt,
bewegt wird wie diese, werden wir die einzelnen Typen durchgehen. Es
kann hier nicht die ganze Fülle der Beispiele gezeigt werden, das würde
gleichbedeutend sein mit einer Geschichte der griechischen Plastik.
Einige typische Fälle zeigen das, worauf es ankommt, klarer als eine
langatmige Aufzählung.
Nirgends tritt das Blockmäßige und Unbewegliche der frühen griechi-
schen Plastik stärker auf als bei den Sitzfiguren, diesen Erben der orien-
talischen und ägyptischen Kunst mit ihrer Vorliebe für ruhende Ge-
stalten. Es ist das gleiche bei den ältesten ionischen wie bei den ältesten
Werken aus dem Mutterland. Das ungegliederte Gewand macht eine
gleichförmige Masse aus dem Ganzen. Ohne jede Bewegung thronen
die Gestalten steif auf ihrem Sitz. Die Arme liegen ruhig auf den Schen-
keln, die Beine stehen gleichgerichtet nebeneinander. Der Oberkörper
sitzt rechtwinklig auf dein Massiv der Beine. Es ist nur das Beharrende,
Bleibende ausgedrückt. Jede momentane Belebung fehlt. Solchen Dar-
stellungen gegenüber wird es recht klar, wieviel beweglicher die Malerei
ist. Schon auf der Frangoisvase weiß man hier die verschiedensten Motive
wiederzugeben und dem Sitzen das Lastende zu nehmen. Ares und
Priamos stellen einen Fuß zurück, und der Gott beugt den Ober-
körper vor, sodaß frisches Leben die ganze Gestalt durchflutet. Bis
die Plastik dazu kommt, solche Gestalten zu schaffen, dauert es noch
eine geraume Weile. Erst in der Zeit, in der sich die Malerei zu körper-