ZUM SARKOPHAG VON TORRE NOVA
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(i8xt/ovu’ | /iö'ov vvfupt] jzaQsÖQsvoig. in der Unterwelt als
jtaQciösLyfia weiblichen Heldentums.
Dieser Charakter nun verbindet Alkestis mit den zwei an-
deren Frauen, die je als Gegenstück zu einer ymqi] figurieren.
Auch diese können nicht allgemeiner Typus, sondern müssen
Persönlichkeiten des Mythus sein. Wir hoffen gleich zu
beweisen, daß unsere sechs Figuren aus einer friesartigen Kom-
position stammen, aus welcher der Sarkophagbildhauer nur aus
Raumgriinden zwei auf die Nebenseite verwies. Gehören also
alle einer urspriinglichen Erfindung an, dann ist wohl zu be-
merken, wie die Frauen als Individualitäten unter sich ver-
schieden sind. Alkestis ist durch den Zusammenhang mit ihren
Schwestern charakterisiert, ihr Gegenstiick ist eine auf einem
Felsen sitzende Mutter des reifen Alters, während die mädchen-
hafte Erscheinung mit dem aufgesetzten Fuß auf der Schmal-
seite wieder eine Verheiratete ist, die ihr Ehegliick, auf das sie
mit dem Täfelchen in der Hand so eindringlich pocht, offenbar
nicht lange genossen hat. Diese Trägerinnen besonderer
Liebes- und Eheschicksale miissen als mythische Persön-
lichkeiten auch noch der Spätzeit, aus der der Sarkophag
stammt, repräsentativ gewesen sein.
Wir haben in einer reichen stoisch-rhetorischen Lite-
ratur, in der moralisierend iiber das Wesen von Liebe und Ehe
gehandelt wird (S. 44,1), drei oder vier immer wiederkehrende
Namen der großen Beispiele ehelicher Liebe und Treue, die als
Gegenstiickezu den großen Verbrecherinnen aus Liebesleidenschaft
und weiblicher Lasterhaftigkeit paradieren. Daß diese Auswahl
auf die große Dichtung des V. Jahrhunderts, vor allem auf die
euripideische Tragödie zuriickgeht, ist allgemein vermutet. Die
Kontrastierung in diesem Sinne gehört aber schon der großen
Zeit selbst an. Priift man die uns freilich nur undeutlich
vorstellbare Komposition Polygnots 1 in Delphi, so ergibt sich
1 Die Fragen aufzurollen, an die jeder gerät, der sich die Rekon-
struktion der Nekyia über Robert hinaus überlegt, ist hier nicht Raum.
Polygnot selbst als den Erfinder der inhaltlichen Komposition anzu-
nehmen, der dann schlecht und recht seinen Homer interpretiert und
allerlei aus anderen Quellen hinzugeflickt habe, das kommt mir so
vor, wie wenn das Programm des bildhauerischen Schmucks einer
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(i8xt/ovu’ | /iö'ov vvfupt] jzaQsÖQsvoig. in der Unterwelt als
jtaQciösLyfia weiblichen Heldentums.
Dieser Charakter nun verbindet Alkestis mit den zwei an-
deren Frauen, die je als Gegenstück zu einer ymqi] figurieren.
Auch diese können nicht allgemeiner Typus, sondern müssen
Persönlichkeiten des Mythus sein. Wir hoffen gleich zu
beweisen, daß unsere sechs Figuren aus einer friesartigen Kom-
position stammen, aus welcher der Sarkophagbildhauer nur aus
Raumgriinden zwei auf die Nebenseite verwies. Gehören also
alle einer urspriinglichen Erfindung an, dann ist wohl zu be-
merken, wie die Frauen als Individualitäten unter sich ver-
schieden sind. Alkestis ist durch den Zusammenhang mit ihren
Schwestern charakterisiert, ihr Gegenstiick ist eine auf einem
Felsen sitzende Mutter des reifen Alters, während die mädchen-
hafte Erscheinung mit dem aufgesetzten Fuß auf der Schmal-
seite wieder eine Verheiratete ist, die ihr Ehegliick, auf das sie
mit dem Täfelchen in der Hand so eindringlich pocht, offenbar
nicht lange genossen hat. Diese Trägerinnen besonderer
Liebes- und Eheschicksale miissen als mythische Persön-
lichkeiten auch noch der Spätzeit, aus der der Sarkophag
stammt, repräsentativ gewesen sein.
Wir haben in einer reichen stoisch-rhetorischen Lite-
ratur, in der moralisierend iiber das Wesen von Liebe und Ehe
gehandelt wird (S. 44,1), drei oder vier immer wiederkehrende
Namen der großen Beispiele ehelicher Liebe und Treue, die als
Gegenstiickezu den großen Verbrecherinnen aus Liebesleidenschaft
und weiblicher Lasterhaftigkeit paradieren. Daß diese Auswahl
auf die große Dichtung des V. Jahrhunderts, vor allem auf die
euripideische Tragödie zuriickgeht, ist allgemein vermutet. Die
Kontrastierung in diesem Sinne gehört aber schon der großen
Zeit selbst an. Priift man die uns freilich nur undeutlich
vorstellbare Komposition Polygnots 1 in Delphi, so ergibt sich
1 Die Fragen aufzurollen, an die jeder gerät, der sich die Rekon-
struktion der Nekyia über Robert hinaus überlegt, ist hier nicht Raum.
Polygnot selbst als den Erfinder der inhaltlichen Komposition anzu-
nehmen, der dann schlecht und recht seinen Homer interpretiert und
allerlei aus anderen Quellen hinzugeflickt habe, das kommt mir so
vor, wie wenn das Programm des bildhauerischen Schmucks einer