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Andreae, Bernard
Motivgeschichtliche Untersuchungen zu den römischen Schlachtsarkophagen — Berlin, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.14579#0068

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Seite gewandt hat. Er findet sich auf D. und L. am oberen rechten Rande der
Darstellung. Auf D. erscheint er hinter der Überwältigungsgruppe. An der ent-
sprechenden Stelle sieht man auch auf T. den unteren Teil eines Soldaten in der
gleichen Ausfallstellung wie auf D. Durch die Übereinstimmung von Anordnung
und Motiv wird eine Ergänzung der Überreste auf T. als Tubicen wahrscheinlich
gemacht. Auf A. fehlt dieser Typus. Wir sind also zu seiner Beurteilung auf die
Sarkophage D. und L. angewiesen.

Sie zeigen eine voneinander abweichende Armhaltung. Auf L. faßt der Trom-
peter sein Instrument mit beiden Händen. Der rechte Arm, der die Tuba in der
Mitte stütjt, ist gebeugt, die linke Hand liegt in der Nähe des Mundstücks.

Auf D. hält der Tubicen die Trompete mit dem gestreckten rechten Arm, die
Linke legt er in großartiger Gebärde an den Hinterkopf. Das muß die originale
Haltung sein, nicht nur, weil sie die ,lectio difficilior' und weit charakteristi-
scher ist als die andere, sondern auch deshalb, weil sie durch das zuverlässigere
Denkmal überliefert ist. Dieser Sarkophag pflegt sich streng an seine Vorlage zu
halten, der andere bringt immer Eigenes hinein243.

Nun mutet allerdings in dem Kampfgetümmel die theatralische Pose mit der
gleichsam vorschriftsmäßigen Armhaltung merkwürdig an. Der Mann konnte
nicht einmal einen Schild tragen. Man kommt auf den Gedanken, hier sei eine
Gebärde, die im gewöhnlichen Leben wohl sinnvoll sein mochte, in den Krieg
übertragen worden. Zugleich fällt auf, daß der Trompeter im Verhältnis zum
Raum anders gebaut ist als die übrigen Figuren. Er ist die einzige Figur, die
keine Tiefenanregung enthält, er entwickelt sich vielmehr ganz in einer Ebene
parallel zum Grunde. Er könnte nach seinem ganzen Aufbau ebensogut eine
Freiplastik abgeben.

In der Tat ist er auch bereits mit der berühmten Statue eines Trompeters von
Epigonos244 in Verbindung gebracht worden. A. Schober245 glaubte, es handele
sich dabei um einen Gallier des großen Schlachtendenkmals Attalos' I., dessen
Motiv auf den Sarkophagen bei einem Römer wiederkehre. Das ist aber wegen
der Gebärde des linken Armes ausgeschlossen. Diese Haltung nimmt ein Barbar
nicht ein. Sie ist zu sehr auf Wirkung berechnete, disziplinierte Pose.

Am nächstliegenden ist sie für einen Herold. Man könnte sich die Zusammen-
hänge dann so vorstellen: Epigonos hatte vielleicht einen Olympiasieger in dem
596 v. Chr. eingeführten Agon der Trompeter246 mit seiner Statue verherrlicht,
die als der „Tubicen des Epigonos" berühmt geworden war. Von ihm könnte
auch der Trompeter auf den Sarkophagen abstammen. Doch ist eine unmittel-
bare Verbindung wenig wahrscheinlich. Wir sahen nämlich, daß die übrigen
Schemata, die auf diesen Sarkophagen begegnen, aus der Malerei stammen. Es
ist nicht anzunehmen, daß die Sarkophagarbeiter beim Tubicen eine Ausnahme
machten und ihn nach einer Freiplastik kopierten. Vielmehr dürfte ein Maler den
Trompeter, falls dieser wirklich auf die Statue des Epigonos zurückgeht, bereits
wiederverwendet haben, indem er aus dem Olympioniken mit dem wirkungs-
vollen Motiv einen Soldaten gemacht hat. Dabei geriet die Geste in die Kampf-
darstellung, wo sie wenig sinnvoll erscheint. Auf dieses „Zitat" eines früheren
Werkes in einem Gemälde, das demnach später als hochhellenistisch sein muß,
dürften dann die Sarkophage zurückgehen. Auf D. ist die Kopie treu. Dem Ar-

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