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Giulio Jacopi war an diesem Tag verständlicherweise nicht zu Diskus-
sionen aufgelegt. Er brach das Gespräch kurz ab, und ich merkte, daß ich
in dieser prekären Situation, in der Anordnungen zu treffen, Erregung
zu beschwichtigen und ein Konzept des weiteren Vorgehens zu entwik-
keln waren, störte. Ich zog mich, nicht ohne noch einmal einen staunen-
den Blick über das Ausgrabungsgebiet geworfen zu haben, langsam zu-
rück und beschloß, bei besserer Gelegenheit zurückzukehren.

Das sollte erst sieben Jahre später der Fall sein. Denn inzwischen
wurde das Ausgrabungsgebiet hermetisch abgeriegelt, und Anstalten
wurden getroffen, die Skulpturen an Ort und Stelle zu restaurieren und
in einem eigens dafür zu errichtenden Museum auszustellen. Dieses Mu-
seum wurde am 26. 11. 1963 eröffnet. Ich betrat es in Begleitung zweier
Kollegen, des Leiters der Fotoabteilung des Deutschen Archäologischen
Instituts in Rom, Hellmut Sichtermann119, und des christlichen Archäo-
logen Jürgen Christern, der jetzt an der Universität Nijmegen lehrt, an
jenem denkwürdigen 2. September des Jahres 1964. Denkwürdig war
dieser Tag, weil der schwedische Archäologe Gösta Säflund an diesem
Tag in Stockholm einen kurzen Bericht über seine Eindrücke im Mu-
seum von Sperlonga zum Druck gab, der am 3. 9. 1964 im Svenska Dag-
bladet veröffentlicht wurde und mit unseren Beobachtungen in Sper-
longa weitgehend übereinstimmte. Zu dieser Zeit konnten wir allerdings
von der in Stockholm erscheinenden Notiz nichts wissen. Es geschieht
oft im Leben der Wissenschaft, daß auf der Hand liegende Entdeckun-
gen an verschiedenen Orten und von mehreren Gelehrten unabhängig
voneinander gleichzeitig gemacht werden. Und die Entdeckung, die in
Sperlonga zu machen war, lag in der Tat auf der Hand.

Dort waren nämlich in dem Museum, das zu diesem Zweck unter ei-
ner überlegten Ausnutzung der Hanglage mit ganz verschieden hohen
Räumen erbaut worden war, die Skulpturenfragmente aus der Tibe-
rius-Grotte in so verwirrender Weise angeordnet, daß wir bald uns kopf-
schüttelnd anschauten, bald wieder auf diese theatralische Aufstellung
eines wahrhaft riesigen Skulpturenschatzes blickten. Wir kannten keine
einzige Ausgrabung neuerer Zeit, wo auf so engem Raum eine solche
Fülle von Marmorplastiken, die zudem noch von hervorragender Quali-
tät waren, zutage gekommen wäre.

Im ersten Saale waren zahlreiche dekorative Kleinplastiken aufge-
stellt, und in der Mitte stand zu unserer größten Überraschung eine
fragmentarisch erhaltene Gruppe, die wir sofort als eine Wiederholung
der bekannten Pasquino-Gruppe120 identifizierten, von der sich andere
Repliken am Palazzo Braschi in Rom, im Vatikan, in Florenz im Palazzo
Pitti befinden und ebendort die berühmteste als Zentrum der großarti-

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