Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
114

Speiseverbote.

Speiseverbote.
Frei von Speiseverboten sind wohl nur die am höchsten ent-
wickelten Völker, die bei der Auswahl ihrer Nahrungsmittel allein
sich durch das widerlich erscheinende und ungesunde beschränken
lassen, während bei tiefer stehenden Völkern, welche selbst die ekelhaf-
testen Dinge oft verzehren, doch die eine oder andere Art der Be-
schränkung in Bezug auf die Speisen eintritt.
Die Furcht vor üblen Wirkungen auf die Gesundheit, welche
durch den Genuss gewisser Speisen hervorgebracht werden können,
gleichviel ob begründet oder unbegründet, gab wohl den Anlass zu
den ersten Speiseverboten. Daran schliessen sich die so häufigen
religiösen Verbote, die manchmal nur auf ein Geschlecht, eine Kaste
oder auf bestimmte Zeit beschränkt sind. Das verbotene Nahrungs-
mittel wird dann gewöhnlich auch als ungesund angesehen, wobei
wohl die Ansicht massgebend ist, dass denjenigen der Zorn der
Götter erreicht, welcher die geheiligten Speisesatzungen verletzt.
Anzunehmen ist also wohl, dass die ersten Speiseverbote nicht
aus religiösen, sondern aus gesundheitlichen Rücksichten entsprangen,
hervorgerufen durch die Wirkungen, welche gewisse Nahrungsmittel
auf den Körper ausübten. Schon die alten Inder wussten von den
üblen Wirkungen der Bohnen zu berichten, die verschiedene Krank-
heiten erzeugen sollten und für den Magen nachtheilig waren. Wer
zwischen Bohnenschoten eine Nacht zugebracht hatte, verlor vierzig
Tage lang den Verstand 1). Wenn die Pythagoräer, an asketische
Lebensweise gewöhnt, sich mannichfachen Entsagungen in Bezug auf
Speisen unterwarfen, so liegt dem einmal der Glaube an die Seelen-
wanderung zu Grunde, nach welchem sie keine Thiere tödteten und
verspeisten, dann aber auch wohl die Furcht vor nachtheiligen Folgen
gewisser Speisen, wie die blähenden Bohnen, deren Genuss Pytha-
goras verbot.
Speiseverbote durch Aberglauben bewirkt. Vielfach führt der
Aberglauben, dass durch den Genuss gewisser Fleischsorten eine
Missgestaltung des Körpers erfolgen könne, zu traditionellen Speise-
verboten. So hütet sich der Neger an der Loangoküste je nach der

Bastian, Mensch in der Geschichte. III. 87.
 
Annotationen