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erreicht er nichts weiter, als dass er sich an entscheidender Stelle lästig machte
und bei der nach dem Staatsstreiche Napoleons im Jahre 1800 stattfindenden
Reorganisation der Verwaltung übergangen wurde. Weitzel kommt in seinen
Schriften9) häufig und nicht ohne eine gewisse Selbstgefälligkeit auf diese
Episode seines Lebens zu sprechen. In seiner Selbstbiographie10) sagt er: „In
dem thätigen handelnden Leben konnte ich nur einen mir angemessenen
Wirkungskreis finden. Hatte mir die mütterliche Natur einige Talente gegeben,
dann konnte ich sie nur in ihm bilden und anwenden und sie bestimmten mich zu
einer ganz anderen Laufbahn, als die ist, welche mir mein Verhängnis anwies. Dieser
Selbstbeurteilung gegenüber muss jedoch betont werden, dass Weitzel sich
weder seiner Naturanlage noch seiner ganzen Entwickelung nach zum Staats-
mann und zu einer öffentlichen Wirksamkeit eignete. Es ist bereits hervor-
gehoben, dass gerade seine Gefühlsschwärmerei ihn in diese Laufbahn hinein-
gedrängt hatte. Die allzugrosse Erregbarkeit des Gemüts brachte ihn unter
dem Einfluss ungünstiger äusserer Verhältnisse von früher Jugend an gar zu
leicht in einen Zwiespalt mit der ihn umgebenden Welt. Wie sich seiner
schon als Knabe die Überzeugung bemächtigt, „dass es kein Recht gäbe,“ und
dieser Gedanke „wie ein wildes Tier seine Krallen und Zähne in sein Herz
schlägt“, wie den Jüngling „überall die Gemeinheit und Erbärmlichkeit anekelt,
welche die Welt regiert“, so sieht auch der gereifte Mann immer wieder den
Stein des Anstosses im Wege liegen. Die Widersprüche, die das Leben bietet,
rauben ihm allzu schnell den ruhigen Genuss der Gegenwart und lassen ihn
aus der rauhen Wirklichkeit gern in das phantastische Reich seiner eignen
Gedanken flüchten. Eine solche Tassonatur passt nicht für eine öffentliche
Thätigkeit, und so werden, wenn Weitzel vielleicht auch persönlich Grund haben
mochte, über seine Dienstentlassung ungehalten zu sein, doch auch andere als
rachsüchtige Motive massgebend gewesen sein, die sich seinem Verbleiben im
Amte entgegenstellten.
Weitzel, der sich in Germersheim mit Margarethe Dietrich, der Tochter
eines begüterten Holzhändlers, verheiratet hatte11), gedachte sich jetzt mit
seiner jungen Frau nach Johannisberg zurückzuziehen. Doch wies ihn die ehe-
malige Mainzer Regierung, die ihren Sitz zu Aschaffenburg hatte, wegen seiner
die revolutionären Ideen nährenden Schriften aus. Er hatte soeben in Mainz
ein Buch „Über die Bestimmung des Menschen und des Bürgers“ erscheinen
lassen, das ebenfalls Gedanken des Gesellschaftsvertrags und der politischen
Ökonomie Rousseaus verallgemeinert. Einzelne Stellen sind direkte Über-
tragungen aus jenen Werken, und wenn es darin mit Emphase heisst, „Rousseaus
Donner stürmen erzitternd gegen die Thronen der Völkerwürger durch alle
Zonen“, so erscheint das Verfahren der kurfürstlichen Regierung gegen ihn

9) Siehe besonders Briefe vom Rhein, S. 498—511.
10) Teil I, S. 189.
1X) Die Ehe war eine sehr glückliche, wie es Briefe aus "Weitzels Nachlass bezeugen,
und er es auch in seiner Selbstbiographie (I, S. 189) bekennt. Das einzige Kind aus dieser
Ehe, "Weitzels Tochter Auguste, war mit dem nassauischen General Alefeld verheiratet.
 
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