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tritt in ihnen vor dem nächsten, dem belehrenden Zweck zurück. Wohl
zeichnen Leichtigkeit und Glätte des Stils seine belletristischen wie publi-
zistischen Schriften aus, und gewiss soll nicht geleugnet werden, dass
manche des Auflesens werte Goldkörner interessanter Beobachtungen und Lebens-
erfahrungen sich in ihnen finden, aber der Kern ihres Inhalts zieht uns nicht
mehr an. Dennoch ist nicht zu verkennen, dass sich Weitzel seiner Zeit be-
sonders als Herausgeber des „Rheinischen Archivs“ um das geistige Leben am
Mittelrhein entschiedene Verdienste erworben hat.
In erster Linie ist Weitzel ein politischer Tagesschriftsteller. Fast zwei
Jahrzehnte hindurch ist er als Redakteur zweier, ihrer Zeit angesehenen Blätter
hintereinander thätig gewesen. Als solcher ist er in seinem eigensten Element.
Die öffentliche Meinung, diese mit der französischen Revolution ins Leben
gerufene neue Macht, zu vertreten, nach oben wie nach unten, darin erkennt
er seinen eigentlichen Beruf. Hatte ihm die Napoleonische Zensur schliesslich
den Mund geschlossen, so stellt er nach dem Sturz des Imperators seine ganze
Kraft alsbald wieder in den Dienst dieser Macht, durch deren Nichtbeachtung
seiner üeberzeugung nach auch der gewaltige Machthaber zu Fall gekommen
war. Sein ganzes Sein und Wirken bezeichnet er geradezu als ein Geschenk
der öffentlichen Meinung. Als Herausgeber der „Rheinischen Blätter“ hat
Weitzel in den Jahren 1816—1819 für Nassau eine wichtige Rolle gespielt.
Die Bedeutung seines Blattes greift auch nach Preussen über, so dass der
preussische Staatskanzler sich schon des gewandten Publizisten zu vergewissern
sucht. Die Karlsbader Beschlüsse aber bereiten dieser bedeutungsvollen Wirk-
samkeit ein vorzeitiges Ende.
Der Grundzug von Weitzels politischen Anschauungen, der politische
Rationalismus, ist, seitdem Niebuhr und Savigny die Einsicht in die geschicht-
lichen Grundbedingungen des Staatslebens und des Rechts geöffnet haben, und
seitdem das Jahr 1848 mit seinen herben Erfahrungen „die Einen die Geschichte
als ein ewiges Werden begreifen liess und die Anderen erkennen lehrte, dass
im Staatsleben nur das historisch Begründete vernünftig ist“ 62), einer richtigeren
Erkenntnis gewichen. Es ist nicht unsere Aufgabe zu untersuchen, welcher Wert
jenem in der französischen Revolution und ihren litterarischen Vorboten wurzelnden
Rationalismus in der Geschichte des Staatslebens zukommt. Das aber ist sicher,
dass jene Lehre, die sich nicht mit den Geheimnissen des geschichtlichen
Werdens beschwerte, sondern in der Vernunft und der Idee des Rechtes die
einzig massgebenden Faktoren für die Beurteilung staatlicher Verhältnisse sah,
jedenfalls dazu beigetragen hat, das in der Kleinstaaterei und dem Kabinets-
regiment begrabene politische Bewusstsein unseres Volkes wieder zu wecken
und erstarken zu lassen. Sie diente der in Fatalismus auszuarten drohenden
neuen historischen Auffassung des Staats- und Rechtslebens gegenüber zugleich
als heilsamer Gegensatz. Nur im Kampf der Gegensätze konnte auf der lang-
sam fortschreitenden Bahn der Entwicklung eine tiefere politische Bildung
Platz greifen, und darum darf das Verdienst der Männer, die befangen in den
62) Treitschke, Deutsche Geschichte. Bd. 2. 3. Aufl., S. 63.
tritt in ihnen vor dem nächsten, dem belehrenden Zweck zurück. Wohl
zeichnen Leichtigkeit und Glätte des Stils seine belletristischen wie publi-
zistischen Schriften aus, und gewiss soll nicht geleugnet werden, dass
manche des Auflesens werte Goldkörner interessanter Beobachtungen und Lebens-
erfahrungen sich in ihnen finden, aber der Kern ihres Inhalts zieht uns nicht
mehr an. Dennoch ist nicht zu verkennen, dass sich Weitzel seiner Zeit be-
sonders als Herausgeber des „Rheinischen Archivs“ um das geistige Leben am
Mittelrhein entschiedene Verdienste erworben hat.
In erster Linie ist Weitzel ein politischer Tagesschriftsteller. Fast zwei
Jahrzehnte hindurch ist er als Redakteur zweier, ihrer Zeit angesehenen Blätter
hintereinander thätig gewesen. Als solcher ist er in seinem eigensten Element.
Die öffentliche Meinung, diese mit der französischen Revolution ins Leben
gerufene neue Macht, zu vertreten, nach oben wie nach unten, darin erkennt
er seinen eigentlichen Beruf. Hatte ihm die Napoleonische Zensur schliesslich
den Mund geschlossen, so stellt er nach dem Sturz des Imperators seine ganze
Kraft alsbald wieder in den Dienst dieser Macht, durch deren Nichtbeachtung
seiner üeberzeugung nach auch der gewaltige Machthaber zu Fall gekommen
war. Sein ganzes Sein und Wirken bezeichnet er geradezu als ein Geschenk
der öffentlichen Meinung. Als Herausgeber der „Rheinischen Blätter“ hat
Weitzel in den Jahren 1816—1819 für Nassau eine wichtige Rolle gespielt.
Die Bedeutung seines Blattes greift auch nach Preussen über, so dass der
preussische Staatskanzler sich schon des gewandten Publizisten zu vergewissern
sucht. Die Karlsbader Beschlüsse aber bereiten dieser bedeutungsvollen Wirk-
samkeit ein vorzeitiges Ende.
Der Grundzug von Weitzels politischen Anschauungen, der politische
Rationalismus, ist, seitdem Niebuhr und Savigny die Einsicht in die geschicht-
lichen Grundbedingungen des Staatslebens und des Rechts geöffnet haben, und
seitdem das Jahr 1848 mit seinen herben Erfahrungen „die Einen die Geschichte
als ein ewiges Werden begreifen liess und die Anderen erkennen lehrte, dass
im Staatsleben nur das historisch Begründete vernünftig ist“ 62), einer richtigeren
Erkenntnis gewichen. Es ist nicht unsere Aufgabe zu untersuchen, welcher Wert
jenem in der französischen Revolution und ihren litterarischen Vorboten wurzelnden
Rationalismus in der Geschichte des Staatslebens zukommt. Das aber ist sicher,
dass jene Lehre, die sich nicht mit den Geheimnissen des geschichtlichen
Werdens beschwerte, sondern in der Vernunft und der Idee des Rechtes die
einzig massgebenden Faktoren für die Beurteilung staatlicher Verhältnisse sah,
jedenfalls dazu beigetragen hat, das in der Kleinstaaterei und dem Kabinets-
regiment begrabene politische Bewusstsein unseres Volkes wieder zu wecken
und erstarken zu lassen. Sie diente der in Fatalismus auszuarten drohenden
neuen historischen Auffassung des Staats- und Rechtslebens gegenüber zugleich
als heilsamer Gegensatz. Nur im Kampf der Gegensätze konnte auf der lang-
sam fortschreitenden Bahn der Entwicklung eine tiefere politische Bildung
Platz greifen, und darum darf das Verdienst der Männer, die befangen in den
62) Treitschke, Deutsche Geschichte. Bd. 2. 3. Aufl., S. 63.