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S. Widmann
Züge kehren in anderen Legenden wieder, das Wandeln auf dem Wasser, die
Zutraulichkeit der Tiere, die Reue des Räubers Wolf. Auf den Befehl des
hl. Maximin übernimmt ein Bär gehorsam die Last des von ihm gefressenen
Esels.26 27) Dasselbe wird vom hl. Corbinian erzählt.
Vermutlich kam durch Orientpilger die Legende früh nach dem Abend-
lande. Sie brachten wohl auch Reliquien mit. Vom Vorhandensein solcher
auf dem Blasiusberge aber ist nichts bekannt, obgleich eine dort beobachtete
Sitte die Vermutung erweckt, dass Reliquien da waren. Die wallfahrenden
Frauen rühren das Taschentuch an ein neben dem Altar in der Wand ein-
gemauertes Steinherz und führen es dann nach den Augen. Dient das Taschen-
tuch als sogenanntes brandeum (Reliquienhülle)? Bezeichnet das Herz vielleicht
die Stelle, wo einst die Reliquien sieh befanden, die in der Zeit der Refor-
mation beseitigt wurden? Oder ist es symbolische Handlung für die Erflehung
der Fürsprache zur Erhaltung des Augenlichts und des Lichtes der Seele?
Erinnerung an die Lichtspende des Weibes der Legende?
Der Blasiuslegende eigentümlich, rein christlich erscheint die Heilung
des Kindes und der Halssegen, das sog. Bl äs ein oder Einbläseln. Seltsamer-
weise herrscht diese Sitte nicht in Ralien2’), dagegen in Spanien. Am 3., auch
schon am 2. Febr. erteilt der Geistliche den Segen, indem er zwei Kerzen in
der Form des Andreaskreuzes übereinander und unter das Kinn des zu Segnenden
hält und die Worte (lat.) spricht: „Durch die Fürsprache des hl. Bischofs und
Märtyrers Blasius behüte dich vor Übel der Kehle und sonstigem Übel Gott
Vater, Sohn und hl. Geist, Amen.“ Und doch verdient es Erwähnung, dass
man z. B. in Schweden den Kindern zum Schutz gegen die von Elfen gesandte
Luftkrankheit (ein Geschwulst) Elfenkreuze um den Hals bindet, die am Donners-
tag Abend verfertigt sind (E. H. Meyer, Mythologie, S. 163 f.).
Auch in den übrigen Einzelheiten der Legende lassen sich nicht sofort
unchristliche Bestandteile entdecken; und doch sind sie da, versteckt unter
der christlichen Einkleidung. Der Schweinskopf war lange Festgericht in
Deutschland, Schweden, England besonders an Weihnachten (Meyer, S. 327).
Um die Zutraulichkeit der Tiere zu verstehen, bedarf es freilich keiner Her-
leitung aus der Orpheussage oder der Bezugnahme auf Erzählungen, wie vom
Löwen des Sklaven Androklos. Daniel in der Löwengrube, die Speisung des
Elias durch Raben, an die schon der eine Legendenschreiber erinnert, waren
stärkere Vorbilder für das Anachoretentum, dem auch Blasius und eine Menge
von Einsiedlern angehören. Gottesfreunden wird auch die Natur dienstbar,
fügt sich die Tierwelt. Denken wir nur an die holdselige Gestalt des
seraphischen Franz von Assisi, an den hl. Meinrad oder an den auch in Hada-
mar verehrten Ägidius. Diese Vorstellung gehört also einerseits dem Glauben
an den wahren Gott an, anderseits ist sie auch dem Heidentum nicht fremd.
Ferner ist es natürlich, dass Blasius, der Gottesfreund, sich ausdrücklich die
26) AA. SS. Mai, Bd. VII, S. 21.
27) Weihe einer Kirche in Neapel wegen einer Hälsepidemie (1632). (AA. SS. a. a. O.)
S. Widmann
Züge kehren in anderen Legenden wieder, das Wandeln auf dem Wasser, die
Zutraulichkeit der Tiere, die Reue des Räubers Wolf. Auf den Befehl des
hl. Maximin übernimmt ein Bär gehorsam die Last des von ihm gefressenen
Esels.26 27) Dasselbe wird vom hl. Corbinian erzählt.
Vermutlich kam durch Orientpilger die Legende früh nach dem Abend-
lande. Sie brachten wohl auch Reliquien mit. Vom Vorhandensein solcher
auf dem Blasiusberge aber ist nichts bekannt, obgleich eine dort beobachtete
Sitte die Vermutung erweckt, dass Reliquien da waren. Die wallfahrenden
Frauen rühren das Taschentuch an ein neben dem Altar in der Wand ein-
gemauertes Steinherz und führen es dann nach den Augen. Dient das Taschen-
tuch als sogenanntes brandeum (Reliquienhülle)? Bezeichnet das Herz vielleicht
die Stelle, wo einst die Reliquien sieh befanden, die in der Zeit der Refor-
mation beseitigt wurden? Oder ist es symbolische Handlung für die Erflehung
der Fürsprache zur Erhaltung des Augenlichts und des Lichtes der Seele?
Erinnerung an die Lichtspende des Weibes der Legende?
Der Blasiuslegende eigentümlich, rein christlich erscheint die Heilung
des Kindes und der Halssegen, das sog. Bl äs ein oder Einbläseln. Seltsamer-
weise herrscht diese Sitte nicht in Ralien2’), dagegen in Spanien. Am 3., auch
schon am 2. Febr. erteilt der Geistliche den Segen, indem er zwei Kerzen in
der Form des Andreaskreuzes übereinander und unter das Kinn des zu Segnenden
hält und die Worte (lat.) spricht: „Durch die Fürsprache des hl. Bischofs und
Märtyrers Blasius behüte dich vor Übel der Kehle und sonstigem Übel Gott
Vater, Sohn und hl. Geist, Amen.“ Und doch verdient es Erwähnung, dass
man z. B. in Schweden den Kindern zum Schutz gegen die von Elfen gesandte
Luftkrankheit (ein Geschwulst) Elfenkreuze um den Hals bindet, die am Donners-
tag Abend verfertigt sind (E. H. Meyer, Mythologie, S. 163 f.).
Auch in den übrigen Einzelheiten der Legende lassen sich nicht sofort
unchristliche Bestandteile entdecken; und doch sind sie da, versteckt unter
der christlichen Einkleidung. Der Schweinskopf war lange Festgericht in
Deutschland, Schweden, England besonders an Weihnachten (Meyer, S. 327).
Um die Zutraulichkeit der Tiere zu verstehen, bedarf es freilich keiner Her-
leitung aus der Orpheussage oder der Bezugnahme auf Erzählungen, wie vom
Löwen des Sklaven Androklos. Daniel in der Löwengrube, die Speisung des
Elias durch Raben, an die schon der eine Legendenschreiber erinnert, waren
stärkere Vorbilder für das Anachoretentum, dem auch Blasius und eine Menge
von Einsiedlern angehören. Gottesfreunden wird auch die Natur dienstbar,
fügt sich die Tierwelt. Denken wir nur an die holdselige Gestalt des
seraphischen Franz von Assisi, an den hl. Meinrad oder an den auch in Hada-
mar verehrten Ägidius. Diese Vorstellung gehört also einerseits dem Glauben
an den wahren Gott an, anderseits ist sie auch dem Heidentum nicht fremd.
Ferner ist es natürlich, dass Blasius, der Gottesfreund, sich ausdrücklich die
26) AA. SS. Mai, Bd. VII, S. 21.
27) Weihe einer Kirche in Neapel wegen einer Hälsepidemie (1632). (AA. SS. a. a. O.)