Die Steedener Höhle Wildscheuer.
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hole es, dass hinsichtlich des geologischen und paläontologischen Alters das
Rentierzeitalter, d. h. das obere Pleistozän21), eine unbedeutende Zeitspanne ist
[nota bene, verglichen mit den langen Zeiträumen vor diesem jungdiluvialen
kalten Diluvium]. Boule führt dann aus, wie der heutige Zustand der Erd-
oberssäche zur Zeit des Rentieralters schon fast völlig herausgebildet war und
fährt dann fort: „Die Fauna ist fast homogen von Anfang bis zu Ende und um
es nebenbei zu sagen: die paläontologischen Beweise, deren sich der Abbe Breuil
bedient, um das aurignacien über das solutreen zu stellen, scheinen mir keinen
grossen Wert zu haben . . . Und es ist wahrhaft unglaublich, dass man
noch an keinem Ort eine vollständige Überlagerung aller der durch
die Archäologen aufgestellten Schichten beobachtet haben sollte.
Alle Ablagerungen bieten Lücken dar, manchmal solche von ganzen Abteilungen . . .
In Belgien soll es z. B. kein wahres solutreen geben. In Solutre ist das aurig-
nacien, das doch älter sein soll als das solutreen, selbst nach Breuil nicht
dasselbe wie in der Dordogne, in den Pyrenäen, in Mentone. In Solutre fehlt,
wie an vielen anderen Orten, das Leitfossil des aurignacien, die platte Spitze,
aus Knochen mit Spaltbasis. In Brassempouy liegt das solutreen-Niveau über
der artistischen Elfenbeinepoche Piettes, deren Hinterlassenschaft ziemlich ab-
weicht von dem sonstigen aurignacien-Ensemble. In Pair-non-Pair sind die
eigentlichen solutreen-Objekte in den das sogenannte aurignacien überlagernden
Schichten sehr selten, so dass ihr Vorhandensein keinen grossen beweisenden
Wert hat. Und im übrigen würde uns Brassempouy auch anzeigen, dass wir
uns schon seit dem aurignacien ganz in einer künstlerischen Periode befinden
müssten, da diese Gravierungen älter sind als die solutreen genannte Schicht.
Wenn man ferner die Denkschrift des Abbe Parat über die Trilobitenhöhle
liest — nicht etwa die Interpretationen des Abbe Breuil dazu —- so hat man
den Eindruck, dass der Abbe Parat richtig gefühlt hat, dass das solutreen hier
als nichts anderes, denn als eine Episode des magdalenien erscheint. Zum
Schluss! Ich fürchte, dass die Ablagerungen des Rentierzeitalters sich durchaus
nicht zu so minutiösen Unterabteilungen eignen, wie die vom Abbe Breuil
angezeigten. Ich fürchte überhaupt, dass diese Unterabteilungen, die
innerhalb einer Abteilung aufzustellen so leicht ist, nicht den all-
gemeinen Charakter haben, den Breuil ihnen beilegen will. Alles
scheint mir im Gegenteil daraus hinzuweisen, dass die Ablagerungen jedes
einzelnen Landes, und selbst jeder Provinz darin, uns nebst einem allgemeinen
paläontologischen und archäologischen Grundstock diese und jene ethno-
graphischen Charakterzüge darbieten, die eher fazielle Unterschiede
als Beweise einer regelrechten und allgemeinen Entwicklung der
menschlichen Industrie sind.“ „Aber, fügt der Schalk in Boule hinzu,
ich kann mich täuschen und, so beschliesst der hössiche Franzose als Freund
21) Unter Rentieralter oder oberem Pleistozän versteht Boule unser Jungdiluvium, d. h.
die kalte Risseiszeit, die kalte Risswürmzwischeneiszeit (Lösszeit) und die kalte Würmeiszeit,
wenn er diese Zeitabschnitte auch nicht so nennt und kennt. Mit den Ansichten Boule’s
über die Einteilung des Diluviums kajin ich mich aber nicht einverstanden erklären. Jedoch
gehört das nicht hierher.
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hole es, dass hinsichtlich des geologischen und paläontologischen Alters das
Rentierzeitalter, d. h. das obere Pleistozän21), eine unbedeutende Zeitspanne ist
[nota bene, verglichen mit den langen Zeiträumen vor diesem jungdiluvialen
kalten Diluvium]. Boule führt dann aus, wie der heutige Zustand der Erd-
oberssäche zur Zeit des Rentieralters schon fast völlig herausgebildet war und
fährt dann fort: „Die Fauna ist fast homogen von Anfang bis zu Ende und um
es nebenbei zu sagen: die paläontologischen Beweise, deren sich der Abbe Breuil
bedient, um das aurignacien über das solutreen zu stellen, scheinen mir keinen
grossen Wert zu haben . . . Und es ist wahrhaft unglaublich, dass man
noch an keinem Ort eine vollständige Überlagerung aller der durch
die Archäologen aufgestellten Schichten beobachtet haben sollte.
Alle Ablagerungen bieten Lücken dar, manchmal solche von ganzen Abteilungen . . .
In Belgien soll es z. B. kein wahres solutreen geben. In Solutre ist das aurig-
nacien, das doch älter sein soll als das solutreen, selbst nach Breuil nicht
dasselbe wie in der Dordogne, in den Pyrenäen, in Mentone. In Solutre fehlt,
wie an vielen anderen Orten, das Leitfossil des aurignacien, die platte Spitze,
aus Knochen mit Spaltbasis. In Brassempouy liegt das solutreen-Niveau über
der artistischen Elfenbeinepoche Piettes, deren Hinterlassenschaft ziemlich ab-
weicht von dem sonstigen aurignacien-Ensemble. In Pair-non-Pair sind die
eigentlichen solutreen-Objekte in den das sogenannte aurignacien überlagernden
Schichten sehr selten, so dass ihr Vorhandensein keinen grossen beweisenden
Wert hat. Und im übrigen würde uns Brassempouy auch anzeigen, dass wir
uns schon seit dem aurignacien ganz in einer künstlerischen Periode befinden
müssten, da diese Gravierungen älter sind als die solutreen genannte Schicht.
Wenn man ferner die Denkschrift des Abbe Parat über die Trilobitenhöhle
liest — nicht etwa die Interpretationen des Abbe Breuil dazu —- so hat man
den Eindruck, dass der Abbe Parat richtig gefühlt hat, dass das solutreen hier
als nichts anderes, denn als eine Episode des magdalenien erscheint. Zum
Schluss! Ich fürchte, dass die Ablagerungen des Rentierzeitalters sich durchaus
nicht zu so minutiösen Unterabteilungen eignen, wie die vom Abbe Breuil
angezeigten. Ich fürchte überhaupt, dass diese Unterabteilungen, die
innerhalb einer Abteilung aufzustellen so leicht ist, nicht den all-
gemeinen Charakter haben, den Breuil ihnen beilegen will. Alles
scheint mir im Gegenteil daraus hinzuweisen, dass die Ablagerungen jedes
einzelnen Landes, und selbst jeder Provinz darin, uns nebst einem allgemeinen
paläontologischen und archäologischen Grundstock diese und jene ethno-
graphischen Charakterzüge darbieten, die eher fazielle Unterschiede
als Beweise einer regelrechten und allgemeinen Entwicklung der
menschlichen Industrie sind.“ „Aber, fügt der Schalk in Boule hinzu,
ich kann mich täuschen und, so beschliesst der hössiche Franzose als Freund
21) Unter Rentieralter oder oberem Pleistozän versteht Boule unser Jungdiluvium, d. h.
die kalte Risseiszeit, die kalte Risswürmzwischeneiszeit (Lösszeit) und die kalte Würmeiszeit,
wenn er diese Zeitabschnitte auch nicht so nennt und kennt. Mit den Ansichten Boule’s
über die Einteilung des Diluviums kajin ich mich aber nicht einverstanden erklären. Jedoch
gehört das nicht hierher.