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Apfelstedt, Heinrich Friedrich Theodor [Hrsg.]; Fürstlich-Schwarzburgischer Alterthumsverein [Hrsg.]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen (Band 1): Die Unterherrschaft — Sondershausen, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.19416#0120

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Sondershnusen.

schöne Banketsaal aus. Derselbe ist 14,5 m lang, 10,90 m breit und bis zum
Schlusstein seines Sterngewölbes 5,25 m hoch; letzteres wird von zwölf Säulen in
drei Reihen, von zwei -Vollsäulen und zehn Halbsäulen, getragen. — Dieser Saal ist
durch Einziehung von zwei Wänden in drei Räume verwandelt worden, in welchen
sich gegenwärtig das fürstliche Landesarchiv befindet.

Den grössten Theil der zweiten und dritten Etage nimmt die Schlosscapelle ein,
und im östlichen Theile der letzteren befindet sich das fürstliche Kunst- und Na-
tur alien-Cabinet.

Unter den Merkwürdigkeiten des letzteren verdient besonders die Bildsäule des
Püstrich (s. Fig. 31") hervorgehoben zu werden.

Ueber die wunderliche Figur, welche die nebenstehende Abbildung darstellt,
sind seit ihrer Auffindung im Jahr 1576 bis in unser Jahrhundert von Gelehrten und
Ungelehrten die verschiedenartigsten Vermuthungen ausgesprochen worden. Einige
hielten dieselbe für das Bild einer heidnischen Gottheit oder für eine solche Gottheit
selbst, andere für ein Schreckbild, dessen sich die christliche Geistlichkeit bedient hätte,
um; das abergläubische Volk durch dasselbe zu Opfergaben zu veranlassen, wieder
andere für ein physikalisches Werkzeug, bis man endlich in demselben einen von
den vier ehernen Ständern vermuthete, auf welchen ein gleichfalls ehernes Taufbecken
ruhte. Letzterer Ansicht ist besonders M. F. Rabe, Prof. und Mitglied der königl.
Academie der Künste etc., und spricht sie in seinem Werkchen aus: „Der Püstrich in
Sondershausen, kein Götzenbild." Berlin, 1852. Der Verfasser macht seine in dieser
interessanten und lehrreichen Schrift ausgesprochene Ansicht besonders noch dadurch
so einleuchtend, dass er auf ähnliche Gegenstände, wie der Püstrich, hinweist und
deren ursprüngliche Bestimmung zu gleichen oder ähnlichen Zwecken so anschaulich
macht,.dass man derselben beistimmen muss. — Wie Prof. Rabe sich einen solchen
Tauftisch gedacht hat, veranschaulicht Fig 31 t>.

Geschichtlich möge über den Püstrich aus Rabe's Schrift noch beigefügt
werden: Der Püstrich war ursprünglich wahrscheinlich einer der vier Ständer des
Taufgefässes oder Taufbeckens, welches sich vermuthlich zuerst in der kaiserlichen
Capelle zu Tilleda befand, kam von da in die Cap.elle der Burg Rothenburg
und aus dieser nach dem Aussterben der Herren von Tütgerode, der Besitzer der
Rothenburg, an deren Lehnsherrn, den Grafen Hans Günther von Schwarzburg
nach Sondershausen.

Die Figur ist 0,57 m hoch, wiegt 37 kg, und das Material besteht aus 916 Theilen
Kupfer, 75 Theilen Zinn und 9 Theilen Blei nach M. H. Klaproth's „Notizen über
die auf dem Schlosse zu Sondershausen aufbewahrte Bildsäule des Püsterich nebst
deren chemische Untersuchung" im Journal für Chemie und Physik Bd. I.

Die Figur dürfte in der Grafschaft Mansfeld gegossen worden sein.

Die vierte Etage des* betr. nördlichen Flügels enthält Wohnzimmer und Zu-
behör für Glieder der fürstlichen Familie und deren Dienerschaft.

Unter diesem Flügel, besonders dem östlichen Theile desselben, befinden sich
sehr umfangreiche Keller, die einerseits so tief— an der Sohle des ehemaligen Burg-
grabens — ihren Anfang nehmen, dass Keller über Keller liegen und andererseits sich
nach S. hin bis unter den südlichen Schlossflügel erstrecken.

Der südliche Flügel, welcher sich unmittelbar an den östlichen Flügel an-
schliesst, wurde zu Ende des siebzehnten oder zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts
 
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