164 Fünfter Abschnitt.
Linguet lebte in London ungestört; er hatte ein
schönes Haus gemicthet, und artig möblirt, da aber
der Krieg zwischen England und Frankreich ausbrach,
glaubte er, daß cs wider seinen so oft selbst gepriese-
nen Patriotismus stritte, unter den Feinden seines
Vaterlands zu wohnen. Seine Feinde streuten zwar
das Gerücht aus, als wenn das englische Ministerium
ihm die Abreist an. .sohlen hätte; dieses war aber
grundfalsch, und in England nicht einmal thunlich.
Der Verdacht, daß Linguet ein Spion wäre, oder
werden könnte, war niemals vorhanden. Vielleicht
war er auch bcy seinen grossen Fähigkeiten zu diesem
ehrlosen Geschäfte unbrauchbar; denn in der That
bestzt dieser Mann ungemein viel Verstand, eine
hinreißende Bercdsirmkcit, und ist ein Muster in der
eleganten Schreibart, darinn wohl keiner aller jezt
lebenden Franzosen ihn übertrifft; so seicht auch übri-
gens seine Kenntnisse sind. Was seine freye
Schreibart betrifft, so konnte fie nicht in einem Lande
auffallen, wo die frechsten Schmierer täglich ihren
Gift in öffentlichen Blättern ausspcyen. Gegen diese
war Linguet noch ein gemäßigter Schriftsteller.
Wenn er daher London, wo er ein ruhiges und ge-
mächliches Leben führte, verließ, seine Mobilien um
einen geringen Prciß verkaufte, und wie ein Verfolg-
ter floh, so glaubte er seine patriotische Denkungsart
in einem glänzenden Lichte zu zeigen, und auf den
König von Frankreich Eindruk zu machen, der, wie
man weiß, gern Linguets Schriften las. Dieses
Opfer wurde aber nicht erkannt, wie sein nachheri-
ges Unglük bewies. ?
Sechster
Linguet lebte in London ungestört; er hatte ein
schönes Haus gemicthet, und artig möblirt, da aber
der Krieg zwischen England und Frankreich ausbrach,
glaubte er, daß cs wider seinen so oft selbst gepriese-
nen Patriotismus stritte, unter den Feinden seines
Vaterlands zu wohnen. Seine Feinde streuten zwar
das Gerücht aus, als wenn das englische Ministerium
ihm die Abreist an. .sohlen hätte; dieses war aber
grundfalsch, und in England nicht einmal thunlich.
Der Verdacht, daß Linguet ein Spion wäre, oder
werden könnte, war niemals vorhanden. Vielleicht
war er auch bcy seinen grossen Fähigkeiten zu diesem
ehrlosen Geschäfte unbrauchbar; denn in der That
bestzt dieser Mann ungemein viel Verstand, eine
hinreißende Bercdsirmkcit, und ist ein Muster in der
eleganten Schreibart, darinn wohl keiner aller jezt
lebenden Franzosen ihn übertrifft; so seicht auch übri-
gens seine Kenntnisse sind. Was seine freye
Schreibart betrifft, so konnte fie nicht in einem Lande
auffallen, wo die frechsten Schmierer täglich ihren
Gift in öffentlichen Blättern ausspcyen. Gegen diese
war Linguet noch ein gemäßigter Schriftsteller.
Wenn er daher London, wo er ein ruhiges und ge-
mächliches Leben führte, verließ, seine Mobilien um
einen geringen Prciß verkaufte, und wie ein Verfolg-
ter floh, so glaubte er seine patriotische Denkungsart
in einem glänzenden Lichte zu zeigen, und auf den
König von Frankreich Eindruk zu machen, der, wie
man weiß, gern Linguets Schriften las. Dieses
Opfer wurde aber nicht erkannt, wie sein nachheri-
ges Unglük bewies. ?
Sechster