Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 7.1883

DOI Artikel:
Klein, Wilhelm: Studien zur griechischen Künstlergeschichte, [3]: die Dädaliden
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9397#0088
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

Künstlergeneration an ihn anknüpft, die Sage entstehen, Lysippos
wäre Niemandes Schüler gewesen?

Es ist eine rührend schöne Geschichte, die Plinius dem Duris
von Samos nacherzählt, wie der aufgeweckte Kupferschmiedjunge
den weisen Maler Eupompos um den richtigen Weg zur Kunst
frägt, und der sofort eine Menschenmenge bei der Hand hat, auf
die er hinweisend sein grosses Wort gelassen ausspricht. Es ist
gleichfalls eine sehr schöne Geschichte, die Cicero erzählt, wie der
fertige Meister bescheiden erklärt, der Doryphoros des Polyklet sei
sein Lehrherr gewesen. Dass die eine dieser Geschichten eine
chronologische, die andere eine stilgeschichtliche Unmöglichkeit vor-
aussetzt, thut nicht viel, und dass sie sich auch gegenseitig aus-
schliessen, macht noch weniger, sie vereinigt doch wieder die Ten-
denz, das Wunder zu erklären, dass ein so grosser Künstler ganz
aus sich selbst ward. Indess, da ein solches Wunder überhaupt
nicht erklärt werden kann, so mag vielleicht die Frage lohnender
sein, wie sich die Erklärungsversuche erklären. Ich denke, die
Sage vom Autodidaktenthume ist nicht erfunden worden, weil die
Tradition keinen Namen bot, an den man ihn anschliessen konnte.
Die sikyonischen Stammlisten mussten ihn enthalten, wenn nicht
alles haltlos sein soll, was wir von ihnen zu wissen glauben. Wenn
dieser Name nun den kritischen Köpfen die ihn weiter der Nach-
welt übergeben sollten, nicht in ihr System passte, dann konnte
freilich eine hübsch erfundene Anekdote den leeren Platz einnehmen.
Aber, frägt man da, warum in aller Welt soll er denn nicht in das
System gepasst haben? Da weiss ich denn nur eine Vermuthung,
die aber doch vielleicht einen höheren Werth als den eines gut
gewählten Exempels beanspruchen darf.

Nehmen wir an, der jüngere Polyklet wäre dieser gesuchte
Lehrer gewesen. Die Altersdifferenz passt, ebenso die gemeinsame
Arbeit in Theben und das Zusammenlaufen der Schülerlisten. In
so weit ist also gegen das Exempel nichts einzuwenden. Nun
kommt der antike Kunsthistoriker. Er liest: Lysippos, Schüler des
Polyklet. Der Beisatz ou xoö 1% "Hpccg tö ccfcAua 7T0ir)0"avT0t;
fehlt, denn der ist ja auf dem Weg bis zu Plinius verloren gegangen,
und unser Kunsthistoriker staunt. Den Grund dieses Staunens er-
fahren wir lateinisch: cum is centum annis ante fuerit:'5). Aber viel-

3S) Plinius 34, G4.
 
Annotationen