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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 6
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Ecke, Gustav: Zur Architektur der Landhäuser in den kaiserlichen Gärten von Jehol
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0251

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im Landhaus-Stil zwei Arten von Firsten vor; bei
Mauern der feste Firststreifen, welcher „Ch'ing-shui-chi",
„Klarwasser-First", heißt (Abb. 2, V, Typ 4), bei Stadt-
hausanlagen typisch durch das uralte, schon in der Han-
Zeit vorkommende Motiv der in gerader Schräge nach
oben auslaufenden, den „in die Höhe gehenden First-
enden", „Ch'i-chi" (BO, Bd. I, Tf. 20); der eigentlich typi-
sche First des Landhaus-Stils jedoch ist der runde First,
dessen Name „Chüan-p'eng" soviel wie „aufgerollte
Matte" bedeutet, Matte feilich im Sinne von „Matten-
dach" (Abb. 2, III). Seinen Charakter bekommt dieser
runde First der kaiserlichen Landhäuser durch die pom-
pöse Dachdeckung (siehe infra), welche durch ihre
Rinnen und Wulste auf weitere Entfernung etwas von
der Eigenart einer Kannelierung annimmt (Abb. 2, III);
das durch die Rippen entstehende typische Firstprofil
wird „Yüan-pao-chi" (Abb. 2, Ille) genannt, nach der
Form der alten ungemünzten Silberschuhe, „Yüan-pao".
Ein anderes charakteristisches Merkmal des Stils ist der
überhöhte Giebel, der „Band-Kopf", der sich wie ein
Band oder Ring quer über den Längsfirst legt, „Ku-t'ou-
chi" genannt (Abb. 2, Illf).

Für die Dacharten des Landhaus-Stils ergeben sich so-
mit folgende Benennungen:

Tf.48, Typ 1, gerade abfallender, überhöhter Giebel:
„Ying-shan Ku-t'ou-chi".

Tf.48, Typ 2, Zwerggiebel mit Pultdach, runder First
und überhöhter Giebel:

„(Hsieh-shan) Szu-chiao Chüan-p'eng Ku-t'ou-chi", szu
chiao = vier Ecken, usw. usw.

Tf.48, Typ 3, das fortlaufende Dach des Wandelganges,
ohne selbständige Giebel:

„Chüan-p'eng Yüan-pao-chi".

Zur Konstruktion des Daches mit rundem First und
zweisäuligem Bindergerüst (Abb. 2, III) wären noch fol-
gende Benennungen zu erwähnen:

Abb. 2, IIa, doppelte First-Pfetten:

„Shuang Chi-lin".

Abb. 2, Illb, gebogene Firstsparren, „Buckel-Sparren"

genannt:

„Lo-kuo-ch'üan".

Abb. 2, lllc, die längsweise verlegten Verschal-Bretter
(pan), welche durch die Sparren (ch'üan) hindurch von
unten zu sehen (wang) sind:

„Wang-pan".

Abb. 2, Illd, eine aus Kalk, Erde und Häcksel gemischte
Schicht zum Betten der Dachdeckung, die man nur
euphemistisch mit „Zement" bezeichnen kann; bei ver-
wahrlosten Gebäuden ist sie der Mutterboden für ganze
Anpflanzungen der freundlichen Natur; der Name dieser
Bettungsschicht ist bemerkenswert, da er auf eine
frühere Eindeckung mit Stroh (shan, chan) verweist:
„Shan-pei" = Strohmatten-Rücken.

Abb. 2, Illh, Rippenziegel, „Röhren-Ziegel" genannt:
„T'ung-wa".

Abb. 2, Illg, „Platten-Ziegel".

„Pan-wa".

Die runden Stirnziegel werden in der heutigen Zimmer-
manns-Sprache „Katzenköpfe", „Mao-t'ou" genannt, die
Traufziegel „Ti-shui", zum „Abführen des Wassers."
Abb. 2, Vb, das bereits erwähnte Gesims der Grenz-
mauer wird wegen seines Hervorkragens der „herausge-
zogene Dachvorsprung" genannt:

„Pa-yen".

Die hiermit gebotenen Beiträge zur Terminologie sind
natürlich sehr lückenhaft und mehr von kulturhistori-
schem als praktischem Interesse. Freilich sollte man
überlegen, ob es nicht ratsam wäre, bei näherer Be-
fassung mit den Problemen der chinesischen Architek
tur chinesische Fachausdrücke einzuführen, wie ja Ent-
sprechendes in der klassischen Archäologie von jeher
geschehen ist.

III. Bemerkungen zur Entwurfs-
lehre

Wir erinnern an den Ausspruch Goethes zu Sulpiz Bois-
seree, es müsse in der Architektur „das Gesetz der . . .
Ordnung auf das Ganze angewandt werden, denn es käme
wesentlicher darauf an, daß das Ganze harmonisch, als
daß das Einzelne immer streng nach der hergebrachten
Schnur und Regel sei". Aber gerade die Stil-Strenge im
einzelnen und damit in der Gebäude-Einheit gehört zum
Wesen der jeweils klassischen Architekturperiode einer
Dynastie; so sehr z. B., daß die Maße eines Konsolen-
Kapitells aus der ersten Hälfte der Ch'ing-Dynastie ge-
nügen, um daraus, an Hand der Regeln des „Kung
Ch'eng Tso Fa" die Maße sämtlicher dazu passender
Konstruktionselemente zu ermitteln. Die Aufrisse der zu
verwendenden einzelnen stereometrischeu Baukörper
sind nicht das Ergebnis der schöpferischen Gestaltung
des entwerfenden Baukünstlers, sondern nur und ganz
allein der „hergebrachten Schnur und Regel"; sie reprä-
sentieren die Verwirklichung von Regeln, welche eine
ununterbrochene Tradition der seelischen Lage der je-
weiligen Kulturepoche gemäß zum Ausdruck bringen.
Es kann nicht genug betont werden, bis zu welch hohem
Grade die ständig weiterwachsende Tradition an der
Durchformung der einzelnen jeweils stereotypen Hallen-
arten gearbeitet hat, welche sich aus bäurischen Pfosten-
bauten der Urzeit zum beinahe hieratisch gegliederten
Ornament entwickelt haben und in einer begrenzten An-
zahl auszuwählender streng kanonischer Unterarten dem
entwerfenden Baukünstler zur Verfügung stehen.

Aber gebunden wie der Aufriß scheint auch der Grund-
riß: die Aufreihung der rechtwinkeligen Höfe an der
kanonischen Nord-Süd-Achse ist unvermeidlich wie ein
Naturgesetz; die Vermählung der Hallen und der Wandel-
gänge vollzieht sich mit geradezu mathematischer Präzi-
sion. Und doch zeigt sich erst bei der Gestaltung des Ge-
samtentwurfs das Schöpferische des individuellen Bau-
meisters, der doch an die Aufriß-Vorschriften so skla-
visch gebunden ist. Es ist die „rhythmische Folge der
einzelnen Hallen hintereinander in ihren Abmessungen
nach Grundriß und Höhe" (BO, Bd. I, p. 21), deren Be-

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