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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 1
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Osterrieth, Albert: Der Urheberrechtsschutz der Werke der Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0013
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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 1

einem Grabmal. Auch ein wissenschaftliches Werk hat nicht
einen rein idealen oder literarisch-künstlerischen Zweck, sondern
es dient zur Offenbarung und Vermittlung der Ergebnisse einer
wirtschaftlichen Forschung. Auch hier kann ein praktischer
Zweck vorliegen, und trotzdem ist noch niemals bestritten worden,
daß auch wissenschaftliche Werke einen Urheberschutz verdienen.
Von einem wirksamen Urheberrechtschutz der Baukunst
befürchtet man eine Hemmung der freien Entwicklung des
Baustiles. Allein hierbei ist zu bedenken, daß der Urheber-
rechtsschutz nicht einzelne Motive zum Gegenstand hat, sondern
nur die individuelle Schöpfung, welche aus der Kombination
von Motiven entsteht. Hierbei darf natürlich nicht individuell
mit originell verwechselt werden. Die erste Verwendung der
Linien des sog. Jugendstiles durch Van de Velde ist jedenfalls
eine originelle Tat gewesen, es ist aber selbstverständlich, daß
die Verwendung dieser geschweiften Linie auch von dem ersten
Erfinder nicht monopolisiert werden kann. Es muß jedem
Architekten freistehen, in gleichem Stile zu bauen und weiter
zu schaffen. Was ihm aber untersagt sein soll, ist die Nach-
bildung der persönlichen Schöpfung, die ein andrer unter
Verwendung der gleichen Stilmotive entworfen hat. Daß der
Architekt sein Werk nicht allein ausführt, sondern daß er
gebunden ist an die Mitwirkung technischer Gehilfen, des
Poliers, des Maurers u. s. w., dürfte wohl ernsthaft nicht gegen
das Verlangen eines Urheberschutzes für die Werke der Bau-
kunst geltend gemacht werden. Denn auch der Schriftsteller
druckt nicht seine Werke selbst. Was ein schutzwürdiges
Werk erzeugt, ist nicht die mechanische Arbeit, die zu seiner
Verkörperung in einem oder mehreren Exemplaren erforderlich
ist, sondern die geistige Arbeit, und zwar die geistige Arbeit,
insoweit als sie in dem geschaffenen Werk zum Ausdruck
kommt.
Daß das ausgeführte Gebäude nicht dem Publikum ent-
zogen werden kann, da es offen an der Straße steht, kann
auch wohl nicht als ernster Einwand betrachtet werden. Denn
es wird ja nicht von jedem, der einen künstlerischen Bau
betrachtet, ein Entree erhoben oder eine Schausteuer verlangt,
sondern es soll verhütet werden, daß Unbefugte das Werk
nachahmen oder nachbilden. Darin liegt aber eine ganz andere
Genußart der architektonischen Schöpfung als bei dem ein-
fachen Ansehen. Ähnlich ist es auch auf andern Gebieten.
Das Werk der Tonkunst wird zu dem Zweck geschaffen,
durch Aufführung dem Publikum einen Genuß zu vermitteln.
Aber dieser Genuß hat nichts zu tun mit der Verwertung
des Werkes durch die Kapelle, welche das Werk aufführt.
Ebenso ist es auch mit dem Werke der Architektur. Je größer
der künstlerische Genuß ist, den das Publikum aus dem An-
blick einer Fassade genießt, umsomehr verdient der Architekt
einen Schutz dagegen, daß andre diese Fassade zum Zwecke
wirtschaftlicher Verwertung nachbilden oder ausführen.


Ein weiterer
Einwand geht
dahin, daß die
Nachbildun¬
gen eines Wer¬
kes der Bau¬
kunst verhält¬
nismäßig sel¬
ten seien, und
daß es infolge¬
dessen nicht
erforderlich
sei, den Bau¬
künstler eben¬
so zu schüt¬
zen, wie den
Maler, dessen
Werke leicht
in Hunderten
und Tausen¬
den von Ex¬
emplaren wie¬
dergegeben
werden kön¬
nen. Allein auf
die Zahl und
die vielfachen Möglichkeiten der Nachbildung kommt es natur-
gemäß nicht an, sondern allein darauf, ob in den Werken der
Architektur Werte liegen, welche durch Nachbildung oder
Ausführung dem Urheber entzogen werden. Eine einzige
Nachbildung durch bauliche Ausführung wird in der Regel viel
schwerer wiegen, als viele andre Fälle von andern unerlaubten
Nachbildungen oder Nachdrucken zusammengenommen.
Schließlich darf nicht vergessen werden, daß auch auf
dem Gebiete der Architektur wie auf den andern Gebieten
des geistigen Schaffens der Widerspruch gegen das Verlangen
eines wirksamen Urheberschutzes von Motiven beeinflußt ist,
die nicht immer eine volle Rücksichtnahme verdienen. Es ist
eine häufige Beobachtung, daß der scheinbar ideale Einwand,
die Kunst sei für das Volk da, und es müsse ihre Verbreitung
in jeder Weise gefördert werden, gerade von solchen Leuten
erhoben wird, welche sich in ihrer praktischen Betätigung mehr
auf das Nachmachen und Nachempfinden, als auf eigenes künst-
lerisches Schaffen verlegt haben. Es sind vielfach die Armen
am Geiste, denen die eigentliche Schöpferkraft fehlt, und die
sich beengt und gehemmt fühlen, wenn das Gesetz ihnen die
Achtung vor fremden Schöpfungen zur Pflicht macht.
Dem Verlangen eines Architekturschutzes stehen auch
zum Teil Geschäftsleute entgegen, welche das Schaffen in der
Architektur weniger vom künstlerischen Standpunkte als unter
dem Gesichtspunkte des Geschäftes betrachten. Derjenige Unter-
nehmer, der selbst nicht ausübend tätig ist, und durch Ange-
stellte seine Entwürfe fertigen läßt, ist leicht geneigt, die
schöpferische Tätigkeit derjenigen zu unterschätzen, die in
seinem Solde arbeiten. Denn sein kapitalistisches und Ge-
schäftsübergewicht wird ihn nicht leicht zur Erkenntnis gelangen
lassen, daß der dürftig bezahlte Angestellte, der ein wahres
Kunstwerk geschaffen hat, für die Gesamtheit unendlich viel
mehr leistet, als der Unternehmer selbst. Auch der Routinier,
der in der Baukunst nur eine Technik erblickt, der nie den
eigenen schöpferischen Drang in sich gefühlt hat, Neues selb-
ständig zu gestalten, wird dem Schutz der Baukunst skeptisch
gegenüberstehen. Allein die gleiche Erscheinung findet sich
auf allen Gebieten, auf denen künstlerisches Schaffen und eine
technische Betätigung untrennbar nebeneinander hergehen.
Die Frage, wie der Urheberschutz der Baukunst prak-
tisch verwirklicht werden kann, hat manches Bedenken erzeugt.
Und in der Tat können praktische Schwierigkeiten entstehen,
sowie man sich nicht scharf klar macht, was allein den Gegen-
stand des Urheberschutzes in der Architektur bilden kann.
Selbstverständlich handelt es sich nie um bekannte Dinge, nie-
mals um Formen und Entwürfe, welche durch die Rücksicht auf


Frauenkirche in Günzburg.

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