Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 21.1905

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Sutter, Conrad: Die Architektur Olbrichs auf der Darmstädter Ausstellung im Sommer 1904
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44852#0035

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1905

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 4


Zierleiste.

Regierungsbaumeister A. Hartung in Berlin.

Die Architektur Olbrichs auf der Darmstädter Ausstellung im Sommer 1904.
Von Professor Conrad Sutter in Mainz.

enn diese Betrachtung post festum erscheint, so liegt
darin für die Sache selbst kein Nachteil, denn es
handelte sich nicht darum, im impressionistischen
Bilde den festlichen Ausstellungseindruck zu schildern, sondern
vielmehr zu sehen, wie die der Architektur durch diese Aus-
stellung ge-
stellte Aufgabe
gelöst wurde,
welche künst-
lerische Bedeu-
tung ihr bei-
zumessen ist
und welche
Nutzanwen-
dung daraus
gezogen wer-
den kann.
Für das Bau-
programm, das
der fürstliche
Bauherr, der
Großherzog
Ernst Ludwig
von Hessen, ge-
stellt hatte, drei
Einfamilien-
häuser zu der
mäßigen Bau-
summe von je
rund 28000 Mk., zu einer Baugruppe vereint, zu errichten, um
damit zu zeigen, was man auch in wirtschaftlich nicht weit
gesteckten Grenzen auf dem Boden eines absoluten Modernis-
mus erreichen kann, hat Professor Olbrich die eigengeartete

Das graue Haus Architekt: Professor
(Pfarrhaus). Jos. M. Olbrich in Darmstadt.



am Fuße dieser Villenkolonie, dort, wo in der Bebauung die
Grenze gezogen ist zwischen der freistehenden Villa und dem
in die Straßenfront eingebauten Wohnhaus.
Olbrichs Disposition vermittelt den Übergang beider Bau-
typen durch eine Sicherheit der Lösung, welche beiden Arten
vollauf gerecht wird. Es ist ein starkes Raumgefühl, welches

uns aus der Situierung
der drei Häuser in ihrer
gegenseitigen Beziehung
und in ihrem Verhält-
nis zur Umgebung ent-
gegentritt, jenes Raum-
gefühl, das für die künst-
lerische Lösung von
Städtebaufragen Bedin-
gung ist, das jeden Bau
an den richtigen Platz
stellt und damit auch
jedem Einzelglied die ihm
zukommende Wirkung
sichert.
Je nachdem wir die
Gruppe, von der einen
oder andern Seite kom-
mend, umgehen, schieben
sich die Häuser jeweils


vor- oder hintereinander. Auf die landläufige Baufluchtlinie

ist verzichtet und damit ein Reichtum der Gestaltung ge-
wonnen, der eindringlich die Öde des meist bestehenden

Schemas der Bauvorschriften beleuchtet. Diesen Bruch mit

dem Schema führt die Häusergruppe aber noch weiter, indem
das System der trennenden Brandgiebel völlig verlassen ist.
Die6 Dächer schieben sich zwanglos ineinander und die Freude

Lösung gefunden.
Auf einer Eckbau-
stelle, deren eine Grenze,
nach dem Nachbar, ge-
rade so groß ist wie die
Straßenseite, zu welcher
sie rechtwinklig steht, und
deren andre Straßenseite
die Form einer ganz fla-
chen S-Kurve hat, welche
das Grundstück, aufwärts-
steigend, nahezu auf die
Hälfte der vorderen Breite
einzieht, ist am Fuße der
Mathildenhöhe die Drei-
häusergruppe errichtet.
Den Bebauungstyp der
Mathildenhöhe bildet im
allgemeinen die garten-
umsäumte Einzelvilla. Die
Dreihäusergruppe steht

Eckhaus und graues Haus. Architekt: Professor Jos. M. Olbrich in Darmstadt.


an der gegenseitigen Nach-
barschaft wird so stark
zum Ausdruck gebracht,
daß jeweils ein einzelner
niedriggelegener Bauteil,
auf den die Dächer her-
untergezogen sind, in den
charakteristischen Formen
des Nachbarhauses ge-
halten ist, vor dessen
Frontlinie sich fortsetzt
und die Vermittlung zur
eigenen Fluchtlinie bildet.
— Diese scheinbare künst-
lerische Laune ist durch
die gleichmäßige Art ihres
Auftretens zum beab-
sichtigten ausge-
sprochenen Typ ge-
worden, zu einer formalen
Gesetzmäßigkeit erhoben.

25
 
Annotationen