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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 23.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.44950#0270
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Architektonische Rundschau

2. Beilage zu Heft 7. 1907

Alleinige Inseratenannahme bei Rudolf Mosse, Annoncen-Expedition für sämtliche
Zeitungen Deutschlands und des Auslandes, Stuttgart, Berlin, Breslau, Dresden,
Düsseldorf, Frankfurt a. M., Hamburg, Köln, Leipzig, Magdeburg, München,
■=========z. Nürnberg, Prag, Strassburg, Wien, Zürich ■■ -.-.—

Insertionspreis 25 Pf. für die
viergespaltene Petitzeile

Grill- und Schankraum im Grolier Club in New York.
Aus »House and Garden«.


New Yorker Grill-rooms.

Wie die gleichförmigen dunklen Häuserfronten der Wohnstraßen New
Yorks hier und da von einem Architekturstück unterbrochen werden, das
man als »Kolonial» oder »altenglisch bezeichnet, so liebt es die Geschäfts-
welt — Männer wie Frauen —, wenn sie dem hastenden Getriebe der
Unterstadt auf eine Stunde entschlüpfen, ihr Mittagsmahl einzunehmen in
halbdunklen spinnwebenbehängten Schenkräumen, die die alten Tavernen
Englands nachahmen. Die schroffsten Gegensätze stoßen sich; man ist in
New York, der so hochmodernen Stadt, begeistert für die Nachahmung des
Alten, für »stilvolle« Kneipen mit primitivster Ausstattung, die man dem
Fremden als besondere Sehenswürdigkeiten zeigt und in denen man einen
richtigen Stammtischverkehr pflegt. Während der New Yorker sonst sein
Mittagessen möglichst rasch hinunterschlingt, liebt er es da eine Stunde
oder anderthalb beim Lunch zu sitzen und von allem zu plaudern, außer
vom Geschäft.
Natürlich hat diese Geschmacksrichtung auch die Ausstattung der
Räume der großen Klubs beeinflußt, namentlich die Einrichtung der Grill-
rooms, von denen nur wenige eigentlich das sind, was der Name besagt.
Meist hat man in der Hauptsache einen altertümlich-behaglichen Raum her-
zustellen gesucht, z. T. in der alten Vereinigung von Eßraum und Küche.
Als besonders anheimelnd und in jeder Hinsicht sorgfältig durchge-
führt erfreut sich der Grill-room des Grolier Club hervorragender Beliebt-
heit, den wir hier nach »House and Garden« wiedergeben. Er ist Grill-
und Schankraum zugleich. Der Grill ist ein flacher Herd der einfachsten
Art, nur zum Rösten eingerichtet. Als Feuerung dient Holz und Holzkohle.
Alles Feuergerät ist besonders angefertigt. Dicke Kerzen erhellen den
Raum bei Nacht. Krüge, Kannen und Teller und holländische Tonpfeifen
hängen und stehen rings an den Wänden. Die Decke läßt die dicken unge-
strichenen Balken sehen. Die schweren Holzsitze, ein zum Sitz hergerichtetes
Faß, der zimmermannsmäßig gefügte Tisch, das Schenkfaß, die nägelbe-
schlagene Tür und die alte Uhr, alles stimmt zusammen und verleiht dem
seltsamen Stückchen Vergangenheit in nächster Nähe der neunten Avenue
einen Schein von Wirklichkeit.
Dieser Raum ist, ebenso wie andere, geschaffen von William S.
Miller, einem Baumeister und Zeichner, dessen Vater einen Likörschank
alten Schlages in der Unterstadt hatte und berühmt war durch die Beef-
steak-parties, die er in einem interessanten Raume seines Geschäftes gab.
Der Sohn hat als junger Mann Europa bereist und so große Freude an
den alten niederländischen Häusern gefunden, daß er nach seines Vaters
Tod im Keller seines Hauses in der 42. Straße für sich einen Raum in
dieser Weise einrichtete und selbst ausführte.
Wer nichts davon weiß, ist erstaunt, wenn er die Kellertreppe eines
ganz gewöhnlichen New Yorker Hauses hinabsteigend sich plötzlich in dem

Keller-Grillraum in W. Millers Haus. — Küche und Sitz.
Aus »House and Garden«.


eigenartigen halb-
dunkeln Raum mit
sandbestreutem Fuß-
boden und rauher
Eichenbalkendecke
befindet, dessen Ein-
richtung einst den
Beefsteak-parties in
der Unterstadt ge-
dient hat.
Die Küche, ein
Raum von knapp
8 Fuß im Quadrat, ist
mit Feldsteinen ge-
pflastert. Der eiserne
Kochofen stammt
aus dem Jahre 1785.
Kleine verbleite Fen-
ster lassen einen
schwachen Schein
Tageslicht von der
Straße herein und

Grill- und Schankraum im Grolier Club in New York.
Aus »House and Garden«.


bei Abend erhellen Lichte in seltsamen alten Leuchtern aus Messing, Zinn
und Silber den Raum. Schöne alte Zinnkannen, Krüge und Becher — Fa-
milienerbstücke —, alte Pfeifen u. s. w. schmücken den Raum. Die Heizung
ist in einem kleinen schrankartigen Behälter unter der Decke angebracht und
von dem Hauptraum führt eine niedrige Bogentür in ein Gewölbe, wo die
besten alten Liköre in New York lagern. Wenn Mr. Miller hier seine Beefsteak-
essen veranstaltet, verzehren die Gäste Brot und Fleisch ohne Messer und Gabel
und trinken Oktober-Ale vom Faß. Schwere alte Stühle dienen dabei als Tische

und vom Wirt selbst gefertigte roh behauene Sitze und Holzstühle als Sitze.
Das ist der Inbegriff der Gemütlichkeit und des Altertümlichen, der in »House
and Garden«, einer der besten Zeitschriften mit behaglicher Breite geschilder
wird. Steckt darin nicht auch ein Stückchen von der lebhaften Sehnsucht des
Amerikaners, sich eine Tradition zu schaffen, die hier unendlich viel wahrer
und echter ausfallen kann und bei der deshalb vielleicht ebensoviel für die
Geschmacksbildung herauskommt, wie bei dem Aufstapeln von Einrich-
tungsstücken europäischer Schlösser aus dem 18. Jahrhundert?

Zeitschriftenschau.

Städtische Wirtschafts- und Wohnhäuser. Ein von den

Architekten Price 8t Mc Lanahan erbautes Geschäftshaus in Philadelphia
(aus „The architectural Review“, Boston) zeigt ein an sich ja häufiger
verwendetes Motiv, das der Gewinnung möglichst großer Schaufenster-
flächen dient, in den Einzelheiten ansprechend durchgeführt, sowohl in
der Zusammenstellung von Haustein- und Ziegelbau, als in der geschickten
Auflösung des über dem offenen Unterbau sich auftürmenden Mauerkörpers
durch die Säulengalerie im obersten Stockwerk.

Im „Zentralblatt der Bau-
verwaltung“ Nr. 5, 1907, ist der
Erlaß des preußischen Ministers
der öffentlichen Arbeiten vom
20. Dezember 1906 abgedruckt,
betreffend Grundsätze für die
Aufstellung von Bebauungs-
plänen und die Ausarbeitung
neuerBauordnungen. In dem-
selben sind die Hinweise auf Un-
terscheidung zwischen Haupt-und
Nebenstraßen,zwischenMiethaus-,
Geschäfts- und Villenvierteln, die
Abmessung der Vorgärten, die
Zulässigkeit von kleinen Häuser-
gruppen oder von Reihenhäusern
mit gemeinsamer freier Fläche im
Blockinnern an Stelle der allseitig
freistehenden Häuser, die Er-
leichterung der Baubeschränkun-
gen bei Landhausbebauung (im
Anschluß an eine Schrift von Re-
gierungsbaumeister a. D. Siebold)
u. s. w. als Zeichen eines ver-
ständnisvollen, zeitgemäßen Ein-
gehens auf die Bedürfnisse und
Fortschritte im Städtebau lebhaft
zu begrüßen. Der Erlaß schließt
mit der Aufforderung an die Re-
gierungspräsidenten, bis zum
1. April 1908 über die infolge
des Erlasses getroffenen Maß-
nahmen zu berichten, event. unter
Beifügung von weiteren, aus den
gemachten Erfahrungen hervor-
gehenden Vorschlägen zu Maß-
nahmen, welche geeignet sein
würden, die bauliche Entwick-
lung starkwachsender Gemeinden
in richtige Bahnen zu lenken.

Geschäftshaus in Architekten:
Philadelphia. Price & Mc Lanahan.


Aus »The Architectural Review«.
 
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