ANDREA DEL VERROCHIO
BILDHAUER UND MALER.
GEB. 1435; GEST. 1488.
as Haupt der Florentiner Bildhauerschule der zweiten
Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, der Meister, dessen
Schüler die gefeiertesten Maler der goldenen Zeit der
Renaissance waren, Andrea del Verrochio, hat auch ein Werk
geschaffen, das ihn hier aufzunehmen berechtigt, das Grabmal
des Giovanni und Piero de’ Medici in dem Mediceischen Familien-
heiligtum in der alten Sakristei von San Lorenzo in Florenz.
Der Behauptung Vasaris, dass seine künstlerische Meister-
schaft weniger auf seine natürliche Begabung, als auf sein un-
ermüdliches Studium zurückzuführen sei, mag nur nebenbei
Erwähnung geschehen; die bis ins Einzelnste liebevolle Durch-
führung an seinen Werken spricht für seinen Eifer. Universell
angelegt, wie wenige seiner Zeitgenossen, war er auf dem
Weg über die Goldschmiedekunst zur Bildhauerei gekommen,
und zwar zunächst, wenn wir Vasari Glauben schenken dürfen,
zu der in Marmor.1)
Seinen Hauptruhm aber erwarb er sich als Bronzebildner,
und durch seine beiden Hauptwerke, die Gruppe von Christus
und Thomas in der von Donatello gefertigten Nische am Or San
Michele und das Monument des Colleoni zu Venedig, des schönsten
Reiterstandbildes der Renaissance, über dessen letzter Vollendung
den Künstler der Tod ereilte.
Äusser dem hier zu nennenden Grabmale kämen von Ver-
rochio noch zwei andere in Betracht, das der Francesca Torna-
buoni, das nach Vasari ursprünglich in Rom in Sa. Maria sopra
Minerva stand, von dem aber nur noch einige Bruchstücke mit
figürlichen Darstellungen vorhanden sind, und dann das Monument
für den Kardinal Forteguerra im Dom zu Pistoia. Aber ab-
gesehen davon, dass das letztere nur in wenigen Teilen von Ver-
rochio stammen soll, hat es keine architektonische Bedeutung.
Das GRABMAL DES GIOVANNI UND PIERO DE’
MEDICI IN SAN LORENZO, ©x© Bl. 1 u. Fig. 1. Den Auf-
trag zur Errichtung dieses Grabmonuments erhielt Andrea jeden-
falls nach dem Tode des Piero de’Medici2). Dessen beide Söhne
stifteten es als Grabstätte für Piero und den 1461 gestorbenen
Lieblingssohn Cosimos, Giovanni, seinen Bruder. Nach der In-
schrift fällt die Errichtung in das Jahr 1472; es ist also unter
den bedeutenderen Werken Verrochios das früheste.
Siebenundachtzig Jahre später nahm das Grab dann auch
noch die Gebeine seiner Stifter, nämlich die des Lorenzo il Magni-
fico und Giuliano auf. Nicht nur künstlerisch also steht das Grab
im Vordergrund der Florentiner Altertümer, auch historisch nimmt
es als Ruhestätte von vier für die Geschichte und Kunst von
Florenz so einflussreichen Persönlichkeiten einen hervorragenden
Rang ein.
Der Platz, wo sich das Denkmal erhebt, ist eine Öffnung,
die links vom Eintretenden von der alten Sakristei in die frühere
Sakramentskapelle führt. In diese Öffnung, also von zwei Seiten
sichtbar3), ist der Sarkophag gestellt. Die Nischenumrahmung
selbst ist aus Macigno, in diese ist eine Füllung von aufsteigenden
Fruchtschnüren, vom mediceischen Ring unterbrochen, gelegt
und zwar aus weissem Marmor gebildet. Die Vorder- wie die
Rückansicht ist, wie gleich allgemein bemerkt sei, durchweg
gleich behandelt.
Den unteren, einfach, aber doch elegant profilierten Sockel
aus weissem Marmor tragen vier bronzene Schildkröten. Über
demselben erhebt sich der rechtwinklige Sarkophag, nur an der
Unterseite stumpfwinklig gebildet, aus rotem Porphyr. Der
Deckel, der die Kassette zunächst schliesst, ist wieder aus weissem
Marmor, der obere, kleinere Aufsatz aus rotem Porphyr; der
Inschriftschild endlich innerhalb des Kranzes vorn aus dunkelgrünem
Marmor. Vier bronzene Löwenklauen, die dann in reiches, vege-
tabilisches Ornament übergehen, dienen dem Sarkophag als Stütze;
ausserdem ruht derselbe, rings von starken Tauen umschnürt,
mit der Unterseite in einer Art von Netzwerk, wie solches
gleichermassen den Deckel umschliesst. Die Mitte vorn ziert ein
Bronzekranz, als Rahmen der Inschrifttafel. Besonders reich ist
der Bronzezierrat am obern Aufsatz des Deckels.
Die ganze Nische
wird durch ein Bronze-
gitter von geflochtenen
Tauen in der Mitte in
zwei Abteilungen geschie-
den. Dies Gitter sitzt
ohne Verbindung auf dem
Sarkophag auf, ein schein-
barer , aber willkürlicher
Abschluss für den Be-
schauer von jeder Seite.
F1G. 1. SCHEMA DES MEDICEERGRABMALES.
Die ausserordent-
lich schöne Wirkung be-
ruht neben den schönen
Gesamtverhältnissen, der
feinen, aber bescheidenen
Profilierung und des durch das verschiedenfarbige Material be-
wirkten glücklichen Kontrastes auf der wunderbar feinen Bildung
des Bronzeschmuckes.4)
*) Der Text über Andrea del Verrochio stammt aus der Feder von
Dr. Hans Stegmann.
1) Vasari ed. Milanesi III, S. 357 nennt ihn «orefice, prospettivo, scultore,
intagliatore, pittore e musico. Sein eigentlicher Name ist: Andrea di Michele de'
Cioni. Verrocchio ist bloss Zuname.
2) S. Moreni Domenico, Delle tre Cappelle Medicee nella basilica di S.
Lorenzo, 1813. S. 258 f., wo auch die vollständige Inschrift gegeben ist.
3) Jetzt ist an der Seite der Kapelle ein Leinwandrahmen vorgespannt.
4) Wenn Vasari (1. c. S. 372) erzählt, wie Verrochio am Abformen einzelner
Teile des menschlichen Körpers, wie von Tieren sich geübt, so lässt beim Be-
trachten der wundervoll studierten I’flanzenformen sich auch hinzufügen, dass hier
Verrochio offenbar dieselbe Methode zu Grunde gelegt hat.
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BILDHAUER UND MALER.
GEB. 1435; GEST. 1488.
as Haupt der Florentiner Bildhauerschule der zweiten
Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, der Meister, dessen
Schüler die gefeiertesten Maler der goldenen Zeit der
Renaissance waren, Andrea del Verrochio, hat auch ein Werk
geschaffen, das ihn hier aufzunehmen berechtigt, das Grabmal
des Giovanni und Piero de’ Medici in dem Mediceischen Familien-
heiligtum in der alten Sakristei von San Lorenzo in Florenz.
Der Behauptung Vasaris, dass seine künstlerische Meister-
schaft weniger auf seine natürliche Begabung, als auf sein un-
ermüdliches Studium zurückzuführen sei, mag nur nebenbei
Erwähnung geschehen; die bis ins Einzelnste liebevolle Durch-
führung an seinen Werken spricht für seinen Eifer. Universell
angelegt, wie wenige seiner Zeitgenossen, war er auf dem
Weg über die Goldschmiedekunst zur Bildhauerei gekommen,
und zwar zunächst, wenn wir Vasari Glauben schenken dürfen,
zu der in Marmor.1)
Seinen Hauptruhm aber erwarb er sich als Bronzebildner,
und durch seine beiden Hauptwerke, die Gruppe von Christus
und Thomas in der von Donatello gefertigten Nische am Or San
Michele und das Monument des Colleoni zu Venedig, des schönsten
Reiterstandbildes der Renaissance, über dessen letzter Vollendung
den Künstler der Tod ereilte.
Äusser dem hier zu nennenden Grabmale kämen von Ver-
rochio noch zwei andere in Betracht, das der Francesca Torna-
buoni, das nach Vasari ursprünglich in Rom in Sa. Maria sopra
Minerva stand, von dem aber nur noch einige Bruchstücke mit
figürlichen Darstellungen vorhanden sind, und dann das Monument
für den Kardinal Forteguerra im Dom zu Pistoia. Aber ab-
gesehen davon, dass das letztere nur in wenigen Teilen von Ver-
rochio stammen soll, hat es keine architektonische Bedeutung.
Das GRABMAL DES GIOVANNI UND PIERO DE’
MEDICI IN SAN LORENZO, ©x© Bl. 1 u. Fig. 1. Den Auf-
trag zur Errichtung dieses Grabmonuments erhielt Andrea jeden-
falls nach dem Tode des Piero de’Medici2). Dessen beide Söhne
stifteten es als Grabstätte für Piero und den 1461 gestorbenen
Lieblingssohn Cosimos, Giovanni, seinen Bruder. Nach der In-
schrift fällt die Errichtung in das Jahr 1472; es ist also unter
den bedeutenderen Werken Verrochios das früheste.
Siebenundachtzig Jahre später nahm das Grab dann auch
noch die Gebeine seiner Stifter, nämlich die des Lorenzo il Magni-
fico und Giuliano auf. Nicht nur künstlerisch also steht das Grab
im Vordergrund der Florentiner Altertümer, auch historisch nimmt
es als Ruhestätte von vier für die Geschichte und Kunst von
Florenz so einflussreichen Persönlichkeiten einen hervorragenden
Rang ein.
Der Platz, wo sich das Denkmal erhebt, ist eine Öffnung,
die links vom Eintretenden von der alten Sakristei in die frühere
Sakramentskapelle führt. In diese Öffnung, also von zwei Seiten
sichtbar3), ist der Sarkophag gestellt. Die Nischenumrahmung
selbst ist aus Macigno, in diese ist eine Füllung von aufsteigenden
Fruchtschnüren, vom mediceischen Ring unterbrochen, gelegt
und zwar aus weissem Marmor gebildet. Die Vorder- wie die
Rückansicht ist, wie gleich allgemein bemerkt sei, durchweg
gleich behandelt.
Den unteren, einfach, aber doch elegant profilierten Sockel
aus weissem Marmor tragen vier bronzene Schildkröten. Über
demselben erhebt sich der rechtwinklige Sarkophag, nur an der
Unterseite stumpfwinklig gebildet, aus rotem Porphyr. Der
Deckel, der die Kassette zunächst schliesst, ist wieder aus weissem
Marmor, der obere, kleinere Aufsatz aus rotem Porphyr; der
Inschriftschild endlich innerhalb des Kranzes vorn aus dunkelgrünem
Marmor. Vier bronzene Löwenklauen, die dann in reiches, vege-
tabilisches Ornament übergehen, dienen dem Sarkophag als Stütze;
ausserdem ruht derselbe, rings von starken Tauen umschnürt,
mit der Unterseite in einer Art von Netzwerk, wie solches
gleichermassen den Deckel umschliesst. Die Mitte vorn ziert ein
Bronzekranz, als Rahmen der Inschrifttafel. Besonders reich ist
der Bronzezierrat am obern Aufsatz des Deckels.
Die ganze Nische
wird durch ein Bronze-
gitter von geflochtenen
Tauen in der Mitte in
zwei Abteilungen geschie-
den. Dies Gitter sitzt
ohne Verbindung auf dem
Sarkophag auf, ein schein-
barer , aber willkürlicher
Abschluss für den Be-
schauer von jeder Seite.
F1G. 1. SCHEMA DES MEDICEERGRABMALES.
Die ausserordent-
lich schöne Wirkung be-
ruht neben den schönen
Gesamtverhältnissen, der
feinen, aber bescheidenen
Profilierung und des durch das verschiedenfarbige Material be-
wirkten glücklichen Kontrastes auf der wunderbar feinen Bildung
des Bronzeschmuckes.4)
*) Der Text über Andrea del Verrochio stammt aus der Feder von
Dr. Hans Stegmann.
1) Vasari ed. Milanesi III, S. 357 nennt ihn «orefice, prospettivo, scultore,
intagliatore, pittore e musico. Sein eigentlicher Name ist: Andrea di Michele de'
Cioni. Verrocchio ist bloss Zuname.
2) S. Moreni Domenico, Delle tre Cappelle Medicee nella basilica di S.
Lorenzo, 1813. S. 258 f., wo auch die vollständige Inschrift gegeben ist.
3) Jetzt ist an der Seite der Kapelle ein Leinwandrahmen vorgespannt.
4) Wenn Vasari (1. c. S. 372) erzählt, wie Verrochio am Abformen einzelner
Teile des menschlichen Körpers, wie von Tieren sich geübt, so lässt beim Be-
trachten der wundervoll studierten I’flanzenformen sich auch hinzufügen, dass hier
Verrochio offenbar dieselbe Methode zu Grunde gelegt hat.
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